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Unglück vor 189 Jahren Unglück vor 189 Jahren: Beim Bau der Katholischen Kirche Köthen starben sechs Menschen

Von Matthias Bartl 06.07.2019, 12:00
Eine 1927 entstandene Skizze des Architekten Albrecht Stemmler aus Köthen mit der Darstellung, wie St. Maria hätte aussehen sollen.
Eine 1927 entstandene Skizze des Architekten Albrecht Stemmler aus Köthen mit der Darstellung, wie St. Maria hätte aussehen sollen. Albrecht Stemmler, Repor: Matthias Bartl

Köthen - Am 2. Juli 1830, in der Zeit zwischen 11 und 12 Uhr, war die Karriere des Gottfried Bandhauer zu Ende - auch wenn der begnadete Baumeister dies zu dem Zeitpunkt noch nicht wusste. Zu diesem Zeitpunkt nämlich - am Dienstag vor 189 Jahren - ereilte Köthen ein Unglück, das bis heute im kollektiven Gedächtnis der Stadt geblieben ist.

Auch bei denjenigen, die sich weder für Architektur noch Heimatgeschichte interessieren. Aber der Unfallort ist noch heute zu besichtigen, steht imposant und wuchtig an der Kreuzung Stiftstraße/Springstraße: die Katholische Kirche St. Mariae Himmelfahrt.

Mit deren Bau Bandhauer seit dem ersten Spatenstich am 21. März 1827 gut vorankam. Es fehlte auch weder an finanziellen Spendern oder Handwerkern, die kostenlose Bauleistungen anboten, noch am Wohlwollen des Landesherren. Im Gegenteil: Ferdinand von Anhalt-Köthen-Pleß war 1825 zum katholischen Glauben konvertiert und wollte diese religiöse Neuausrichtung auch durch einen repräsentativen Kirchenbau dokumentiert wissen.

Unglück ereignete sich, als gewaltige steinerne Säulen für den Turmaufbau emporgezogen wurden

Dabei fand er in Bandhauer einen mutigen und innovativen Baumeister, was man heute noch unschwer an dem Gotteshaus erkennen kann, auch wenn dieses immer noch (und wohl auf ewig) von einem Notdach statt wie vorgesehen von einem beeindruckenden Turm gekrönt wird.

Der Turm war es auch, der zur Unfallstelle wurde, das Unglück ereignete sich, als gerade die gewaltigen steinernen Säulen für den Turmaufbau emporgezogen wurden. Im Polizeibericht, der im „Serimunt“ Nr. 7 von 1927 nachzulesen ist, wurde aufgeschrieben, „dass das erst kürzlich aufgestellte Hohe Thurmbaugerüste auf der Mitternachtsseite zu Boden lag“. Als man unter den Trümmern Leichen und Verwundete hervorzog, wurde nach Ärzten und „Chyrurgen“ geschickt. Die Toten und Verletzten wurden anschließend ins Kloster der Barmherzigen Brüder in der Wallstraße getragen oder in die Wohnungen der Betroffenen.

Herzog Ferdinand wurde durch Hofmarschall von Strachwitz, Kammerherr von Trotha und Obristhofmeister von Sternegg über das traurige Ereignis informiert. Dass Ferdinand keine zwei Monate nach dem Einsturz des Gerüsts selbst verstarb, wird bis heute mit dem Unglück in Zusammenhang gebracht - der Fürst habe sich das Geschehen so zu Herzen genommen, dass er daran starb. Unmöglich erscheint das nicht.

Gestorben sind bei dem Unglück sechs Köthener

Tatsächlich gestorben sind bei dem Unglück sechs Köthener: die beiden Füsiliere August Eurich und Friedrich Lehmann sowie die Zimmergesellen George Donath, Philipp Lehmann, August Lezius und Andreas Wagner. Dazu kamen etliche Verletzte, die in den Quellen erwähnten Zahlen schwanken zwischen sechs und zehn.

Das Unglück führte dazu, dass Bandhauer zum einen als Baurat entlassen wurde und darüber hinaus noch in Haft genommen wurde. Allerdings gelang es nicht, dem Baumeister eine justitiable Schuld nachzuweisen, auch wenn Gutachter wie der Braunschweiger Baumeister Krahe meinten, die Konstruktion des verwendeten Kraggerüsts sei nicht funktionsfähig gewesen.

Harsche Kritik an Bandhauer kam auch vom bayerischen Konservator Ritter von Heideloff, der von einem „abentheuerlichen Bauwerk“ sprach. Juristen der Münchner Universität, die den Fall untersuchten, fanden allerdings keine Unfallursache, die man hätte rechtlich würdigen können.

Auch für Gottfried Bandhauer hatte das Unglück fatale Folgen. Die Untersuchungen zogen sich jahrelang hin, finanziell war der Architekt am Ende, gebaut hat er nie wieder etwas. Er starb am 22. März 1837, gerade an seinem 48. Geburtstag. (mz)

Das Historische Museum im Köthener Schloss zeigt derzeit eine Ausstellung über Gottfried Bandhauer, die bis zum 4. August verlängert wurde und auf eine Idee der ehemaligen Museumsmitarbeiterin Inge Streuber und des Arztes Peter Erdmenger zurückgeht.

In der Ausstellung widmet sich ein Raum der Lebensgeschichte des Baumeisters, in dem zweiten Raum wird auf zehn beispielhafte Bauten des Architekten eingegangen, die noch in der Region zu sehen sind, wie etwa der Schafstall in Grimschleben, dessen Modell (eine Leihgabe der Katholischen Kirche) gezeigt wird. Das Landesarchiv hat ebenfalls interessante Leihgaben beigesteuert, zum Beispiel den Entwurf der Reitbahn im Schloss.