Trauriges Aus Trauriges Aus: "Bruzzelhütte" in der Prosigker Kreisstraße in Köthen wird abgerissen

Köthen - Würde Simone Neumann auf ihr Herz hören, hätte sie vermutlich anders entschieden. Dann würde sie bleiben. Ihre „Bruzzelhütte“, die sie vor fast zehn Jahren übernommen hat, weiter betreiben. Doch die 49-Jährige hat Kopf und Verstand entscheiden lassen. Sie hört auf. Und die Hütte wird abgerissen. Die Arbeiten dazu begannen schon am vergangenen Wochenende.
Es fühlt sich an, als wäre am Imbissstand in der Prosigker Kreisstraße, die wegen der Baustelle an der Hohen Brücke seit Pfingsten Sackgasse ist, in diesen Tagen besonders viel los. Als wollten sich alle verabschieden. „Hier geht eine Ära zu Ende“, sagt Hilmar Henschel, „hier geht etwas kaputt.“
Der kleine Kiosk von Simone Neumann sei für viele ein beliebter Treffpunkt gewesen, berichtet der Stammkunde. Zwei, drei Lkw konnten hier stehen, so dass die Fahrer gleichzeitig Pause machten, ein bisschen plauderten. Außerdem würde der Kaffee gut schmecken. Und ganz besonders gut das Frikassee.
Eine Spezialität des Hauses: das Trucker-Frühstück mit vier halben Brötchen
Deshalb muss die gelernte Fleischverkäuferin auch genau dieses Gericht an ihrem letzten Tag in der „Bruzzelhütte“ anbieten - am gestrigen Freitag. Als die Köthenerin nach dem Babyjahr ohne Arbeit ist, fängt sie an, in der Hütte auszuhelfen. Hin und wieder für ein paar Stunden. Dann will der damalige Eigentümer aufhören, Simone Neumann bekommt Wind davon und ringt sich durch, „Ossis Imbiss“ zu übernehmen. Auch mit dem Segen ihres Mannes, der damals gesagt habe: „Mach doch.“
Sie macht sich selbstständig und nennt den Imbiss von da an „Mones Bruzzelhütte“. Halb sieben öffnet sie und hat schon frühmorgens ihre Stammkunden. Eine Spezialität des Hauses: das Trucker-Frühstück mit vier halben Brötchen, belegt nach Wunsch. „Wurst, Ei, Käse, Fisch, süß - jeder, wie er will.“ Ein Pott Kaffee gehört dazu.
Ersatz wird es an dieser Stelle nicht geben
Christian Barth, Zahnarzt in Köthen und Lkw-Fahrer aus Leidenschaft, gehört zur Mittagskundschaft. Er sei „schon inventarisiert“, erklärt er und holt am Donnerstag Schnitzel mit Mischgemüse und Kartoffeln für seine Jungs, drei und zwei Jahre alt. Vor allem montags sei er regelmäßig hier gewesen; „dann gab’s immer Suppe“. Sein Favorit: Graupensuppe. Und jetzt? „Muss ich wohl hungern“, gesteht er.
Denn Ersatz wird es an dieser Stelle nicht geben. Die Inhaberin, die nicht nur für ihr Frikassee, sondern offensichtlich auch für ihre hervorragenden Buletten bekannt ist, hatte zwar versucht, einen Nachfolger zu finden. Doch sie schüttelt mit dem Kopf. Leider ohne Erfolg.
„Es ist dolle traurig. Das war immer meine Hütte. Zehn Jahre lang.“
Ihre Entscheidung aufzuhören, fällt ziemlich kurzfristig. Das Corona-Virus habe damit nichts zu tun. Und die Brückenbaustelle in Sichtweite sei vielleicht das i-Tüpfelchen gewesen. Doch als sie im vergangenen Jahr länger krank ist und ausfällt, keinen Cent verdient, denkt sie mehr denn je über die Zukunft nach. Sie wolle noch ein paar Jahre etwas für ihre Rente tun, sagt sie. Am 1. Juli fängt sie im Pflegezentrum Fuhneaue in Gröbzig als Hauswirtschaftskraft an.
Es fällt ihr schwer, diese Ära hinter sich zu lassen. „Es ist dolle traurig. Das war immer meine Hütte. Zehn Jahre lang. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht.“ Die Kunden werden ihr fehlen. Und sie ihren Kunden, die noch nicht wissen, wo sie sich jetzt eigentlich treffen sollen. (mz)