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Tradition in Körnitz Tradition in Körnitz: Vier flauschige Schleiereulen erhalten Beringung und Namen

Von Heiko Rebsch 09.07.2018, 09:06
Der Eulennachwuchs des Jahrgangs 2018.
Der Eulennachwuchs des Jahrgangs 2018. Heiko Rebsch

Körnitz - Schon eher etwas beleidigt schauten die vier flauschigen, grau gefärbten Knäule in die Runde der vielen Menschen, die total entzückt auf sie herabblickten. Von dem Moment an, wo der Deckel des Weidenkorbs gelüftet wurde, gab es kein Halten mehr. „Mein Gott sind die süß“, „Wie niedlich“ oder „Wie knuffig“ flogen die Sympathiebekundungen den kleinen Federbällchen entgegen.

Eben noch hatten die vier kleinen Schleiereulen in ihrem Nistkasten im Körnitzer Eulenturm gesessen. Trocken, sicher, warm. In ein paar Stunden wäre die Nacht über den kleinen Ort hereingebrochen und Mama und Papa Eule wären mit lautlosen Schwingen aufgebrochen, um auf die Mäusejagd zu gehen und ihre knurrenden Mägen zu füllen.

So war es jedenfalls, seit sie sich aus ihren Eiern herausgepickt hatten. Heute war alles anders. Über Leitern, mit dem schon erwähnten Korb in der Hand, näherte sich vom Fuße des Eulenturms Gitta Linde der Kinderstube der kleinen Nesthocker.

1994 haben die Schleiereulen im ehemaligen Körnitzer Trafohaus erstmals ihren Nachwuchs großzogen

Kurze Zeit später waren alle vier darin gut verstaut und wie mit einem Fahrstuhl ging es für sie nach unten. Bisher waren nur die vier Wände des Brutkastens ihre kleine Eulenwelt. Noch nie hatten sie ihn verlassen. Das hätten sie frühestens in einem Monat vorgehabt. Wenn sie nach noch einigen Mäusemahlzeiten ein paar Gramm mehr auf die Waage gebracht hätten und sie mit richtigen Federn an den Flügeln erste Flugversuche unternehmen würden.

Dann wäre es allerdings für eine ganz wichtige Sache zu spät gewesen. Wenn die Nachwuchsmäusejäger erst mal richtig mobil in der Luft unterwegs sind, wird die Beringung nicht mehr möglich sein. Seit 1994 Schleiereulen im ehemaligen Körnitzer Trafohaus erstmals ihren Nachwuchs großzogen, bekommen die Kleinen ihren „Ausweis“ von Jürgen Luge. Der Ornithologe aus Köthen kommt jedes Jahr im Frühsommer hierher. Insgesamt hat er in den zurückliegenden Jahren so schon 49 Eulen in Körnitz beringt.

Eine absolute Seltenheit gab es im Jahr 2005. Da hatten die Schleiereulen ein Gelege mit sage und schreibe gleich zwölf Eiern. Das war ein gutes Mäusejahr, erfahren die Zuschauer. Heute nun sind Nummer 50 bis 53 dran. Mit dabei hat Luge dazu, aufgefädelt an einer Schnur, die Metallringe mit den eingeprägten individuellen Nummern.

Eulen fallen bei der Beringung kurzzeitig in eine Art Starre

Nach und nach bekommt jede Eule von ihm vorsichtig ihren Ring um den linken Fuß. Die Kleinen tragen es mit Fassung und mit völliger Ruhe. Auch dass ihnen dabei so viele Menschen zuschauen, wenn sie von Jürgen Luge auf den Rücken gedreht werden, damit er an die schon mit deutlichen Krallen besetzten Füße kommt, lässt sie kalt. „Das liegt wohl auch daran“, erzählt der 82-jährige Vogelexperte, „dass sie als Schutz dann in eine Art Starre fallen.“

Besonders bei den Kinder rund um den kleinen Tisch mit den Beringerutensilien verfehlt der Niedlichkeitsfaktor der kleinen flaumbesetzten Eulen seine Wirkung nicht. Am liebsten würden sie alle die kleinen Vögel knuddeln und mit nach Hause nehmen. Das geht natürlich nicht. Dafür dürfen sie den frisch Beringten kurz und vorsichtig das Gefieder streicheln.

Eulen bekommen die Namen Lina, Oskar, Felix und Paul

Klaus Bekierz vom Körnitzer Eulen e.V. findet, dass die Ringnummer für die Körnitzer Nachwuchseulen doch sehr anonym sind und ruft die Kinder auf, Namen vorzuschlagen. Und so haben die vier Grauen, bevor sie wieder in ihrer Bruthöhle landen, dann auch die Namen Lina, Oskar, Felix und Paul abbekommen. Auch wenn nicht feststeht, ob Paul vielleicht eher eine Paula und Lina eventuell doch ein Linus ist. Das eindeutige Geschlecht kann selbst Ornithologe Luge nicht feststellen.

Den kleinen Eulen dürfte dies aber sowieso egal sein. Nach gut 20 Minuten ist ihr frühzeitiger und sicher auch einmaliger Ausflug so in die Nähe der Menschen beendet. Noch bevor sie wieder in den Korb kommen, ist eine der Kleinen schon wieder eingeschlafen. Aufwachen wird sie wieder in ihrer kleinen Eulenwelt in der Spitze des Eulenturms, wohin sie Gitta Linde wieder bringt. Vielleicht träumt sie ja jetzt schon wieder von den Mäusen, die ihr die Euleneltern bringen werden. (mz)