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Drohungen und NS-Parolen Tod von Markus B in Köthen - Drohungen und NS-Parolen: Was die Ermittlungen zu den Köthener Demos ergeben haben

Von Alexander Schierholz 03.09.2019, 08:00
Kerzen erinnern vor einem Jahr an den toten Markus B.
Kerzen erinnern vor einem Jahr an den toten Markus B. Ute Nicklisch

Köthen/Dessau - Der glatzköpfige Mann brüllt ins Mikrofon, seine Stimme überschlägt sich, er wird unterbrochen vom Johlen der Menge, die ihn umgibt. Er schwadroniert von einem „Rassenkrieg gegen das deutsche Volk“, Polizisten nennt er „charakterlose Söldner“. Der Mann heißt David Köckert, ist Mitbegründer des rechtsextremen Thügida-Bündnisses.

Für seine Äußerungen über Polizeibeamte und einen tätlichen Angriff in einem Thüringer Tattoo-Studio hat ihn das Landgericht Gera zu einer Geldstrafe von 4600 Euro verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, Köckert hat Revision eingelegt.

Tod von Markus B.: Rechte Szene mobilisiert binnen Stunden

Köckerts Wüten ist ein Jahr her, ein Video davon findet man heute noch im Internet. Die Szene hat sich in Köthen abgespielt. Dort trat der Rechtsextremist aus Thüringen am 9. September vorigen Jahres als Redner auf, bei einer der zahlreichen Demos nach dem Tod von Markus B.

Der 22-Jährige hatte in der Nacht zuvor in einem Streit zwischen Afghanen schlichten wollen, war gestoßen und getreten worden und später an den Folgen eines Herzinfarktes gestorben. Binnen weniger Stunden mobilisierten Neonazis bundesweit ihre Anhänger zu Aufmärschen nach Köthen. Linke Gruppen und die Stadtgesellschaft hielten in den folgenden Tagen mit Demos dagegen, Köthen war aufgewühlt.

Ein Jahr später sind die Ermittlungen rund um die diversen Demonstrationen so gut wie abgeschlossen. Nur noch ein Verfahren ist offen, von insgesamt fast 70 mit 61 Beschuldigten. Das geht aus einer Übersicht hervor, die die MZ bei der Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau abgefragt hat.

NS-Parolen, Volksverhetzung, Bedrohung: Lange Liste an Straftaten

Die Liste der Delikte ist demnach lang: Ermittelt wurde gegen Teilnehmer verschiedener Aufmärsche unter anderem wegen Beleidigung, Körperverletzung, Volksverhetzung, Bedrohung, Sachbeschädigung oder Verstößen gegen das Waffengesetz. In Köthen waren NS-Parolen skandiert, Politiker und Journalisten bedroht und bedrängt worden. Der polizeiliche Staatsschutz hatte eigens eine Ermittlungsgruppe gegründet, Name: „Mikro“.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft wurden 32 Verfahren mittlerweile eingestellt; in 24 weiteren Fällen wurde demnach Anklage erhoben oder ein Strafbefehl erlassen - das ist ein vereinfachtes Verfahren ohne eine mündliche Gerichtsverhandlung.

Fünf Fälle gaben die Dessauer an andere Staatsanwaltschaften ab, unter anderem, weil dort gegen die jeweiligen Beschuldigten bereits andere, größere Verfahren liefen - so wie im Fall des Thügida-Mitbegründers David Köckert in Gera. Mit fünf weiteren Fällen, in denen es um Drogendelikte ging, befassten sich die dafür zuständigen Sonderdezernate.

Tod von Markus B.: Angeblicher Trauermarsch in Köthen

In Köthen waren vor einem Jahr keine 24 Stunden nach dem Tod von Markus B. 2500 Menschen auf einem „Trauermarsch“ durch die Straßen gezogen, darunter mehrere hundert Neonazis aus mehreren Bundesländern.

Die Sorge vor einer Eskalation, ähnlich wie Wochen zuvor in Chemnitz, war groß, zumal die rechtsextreme Szene in sozialen Netzwerken im Internet genau dazu aufgerufen hatte: die Stadt zum „nächsten Chemnitz“ zu machen. Die Polizei hielt die Rechtsradikalen mit einem massiven Aufgebot an Beamten in Schach, auch bei den folgenden Aufmärschen. Die Köthener taten das Ihre: Sie organisierten Bürgerfeste, um der braunen Hetze etwas entgegen zu setzen.

Gericht: Tod von Markus B. war kein bloßer Unfall

Für den Tod von Markus B. waren im Mai zwei Afghanen, 17 und 19 Jahre alt, vom Landgericht Dessau wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu Jugendstrafen verurteilt worden. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die beiden B. zu Boden gestoßen und getreten hatten.

Sein Tod durch Herzinfarkt sei kein bloßer Unfall gewesen, sondern durch die Attacken fahrlässig verursacht worden, hatte die Vorsitzende Richterin Uda Schmidt erklärt. Einer der beiden Täter war vor fünf Wochen nach Afghanistan abgeschoben worden. (mz)