1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Köthen
  6. >
  7. Bekannt aus „In aller Freundschaft“: Thomas Rühmann singt in Köthen Lieder eines wenig bekannten Songwriters

Bekannt aus „In aller Freundschaft“ Thomas Rühmann singt in Köthen Lieder eines wenig bekannten Songwriters

Warum die Biografie von Sixto Díaz Rodríguez den Schauspieler fasziniert hat und wie die Texte von Hacks und Biermann ankommen.

Von Wolfram Schlaikier 13.03.2023, 18:21
Monika Herold, Thomas Rühmann und Jürgen Ehle beim Konzert „Sugar Man - Das bittersüße Märchen des Sixto Rodriguez“
Monika Herold, Thomas Rühmann und Jürgen Ehle beim Konzert „Sugar Man - Das bittersüße Märchen des Sixto Rodriguez“ (Foto: Leon Lorenz)

Köthen/MZ - Drei Musiker, zwei Stunden – und eine verrückte Geschichte: Wer das Konzert „Sugar Man - Das bittersüße Märchen des Sixto Rodriguez“ mit Thomas Rühmann, Monika Herold und Jürgen Ehle am Samstagabend im Veranstaltungszentrum in Köthen erlebt hat, wurde inspiriert.

Rund 20 Lieder des 1942 in Detroit geborenen Singer-Songwriters Sixto Díaz Rodriguez hat Rühmann – bekannt durch seine Rolle als Dr. Roland Heilmann in der ARD-Serie „In aller Freundschaft“ – mit deutschen Texten neu arrangiert.

„Mich berührt der Völker Jammer. / Bruders Jammer lässt mich kühl. / Mitmensch bin ich in der Kammer, / Eremite im Gewühl“, heißt es in einem Lied. Die Zeilen stammen aus dem Gedicht „Ode auf Berlin“ von Peter Hacks (1928 bis 2003).

Rühmann arrangierte die Lieder mit Texten von Peter Hacks und Wolf Biermann

Einen anderen Song des Komponisten mit mexikanischen Wurzeln singt Rühmann mit einem Text von Wolf Biermann, dem 1976 aus der DDR ausgebürgerten Liedermacher: „Komm, fass mich an / Wir gehen dann / In eine grüne Schwemme / Wir naschen Dill / Und du hältst still / Wenn ich dich zärtlich kämme.“

Rühmann singt kraftvoll und spielt Konzertgitarre, gefühlvoll begleitet von Monika Herold, die mal den Kontrabass greift, mal E-Bass spielt und nebenbei per Fuß den Schellenring schüttelt. Dazu kommt Jürgen Ehle an der E-Gitarre, er hat schon in der 1981 gegründeten DDR-Rockband „Pankow“ mitgewirkt.

Statt der bei Konzerten üblichen Ansagen des nächsten Songs trägt Rühmann kurze Texte vor über das Leben von Rodriguez, ein Künstler, der mangels Erfolg in seinem Heimatland USA dort sein Geld an einer Tankstelle und als Bauarbeiter verdienen musste.

Dass die Songs des Sohnes mexikanischer Einwanderer Ende der 1970er ausgerechnet in Südafrika enorm populär wurden, sei ein Wunder und nur mithilfe vieler Kopien auf Kassetten möglich gewesen, „denn in den USA waren nur wenige hundert Exemplare seines Debütalbums Cold Fact verkauft worden“, berichtet Rühmann.

1942 in Detroit geboren, veröffentlicht der Sohn mexikanischer Einwanderer Ende der 1960er Songs ohne Erfolg. In den USA ist Rodríguez ein Nobody, in Australien und Neuseeland dagegen mit dem Album „Cold Fact“ erfolgreich. 1979, 1981 tourt er in Australien. Ohne sein Wissen gewinnt „Sugar Man“ Platin in Südafrika, wo er 1998 tourt. In den USA gibt es CDs. Das bemerkt die Presse, es gibt Achtungserfolge.

Gefühlvolle Texte mit Herzschmerz, sie kommen häufiger vor an diesem Abend wie diese Zeilen des Liedermachers Hans-Eckardt Wenzel: „Komm und lieb mich, dass ich mich vergesse. / Küss mich lange, dass ich nichts mehr sag. / Leg den Mund auf meine große Fresse, / Und bedien’ dich meiner, wie ich’s mag.“

Monika Herold spielt Kontrabass und E-Bass, Thomas Rühmann verschiedene Konzertgitarren.
Monika Herold spielt Kontrabass und E-Bass, Thomas Rühmann verschiedene Konzertgitarren.
(Foto: Leon Lorenz)

Nach zwei Stunden nebst Pause endet die musikalische Reise durch das Leben von Rodriguez. Der besuchte zwar nie Wolf Biermann, wie Rühmann am Ende gesteht. Aber er schrieb melancholische Folksongs wie „Sugar Man“ und „I Wonder“, wo es heißt:

„I wonder how many times you've been had / and i wonder how many plans have gone bad / i wonder how many times you had sex / i wonder do you know who'll be next (Ich frage mich, wie oft du schon hereingelegt wurdest. / Und ich frage mich, wie viele Pläne schon gescheitert sind. / Ich frage mich, wie oft du schon Sex hattest. / Ich frage mich, ob du weißt, wer der Nächste sein wird.)

Eine bezaubernde Bassistin, ein leidenschaftlicher Sänger und ein cooler Gitarrist verneigen sich vorm Publikum. Dass mehr als jeder zweite Platz leer blieb am Samstag im Johann-Sebastian-Bach-Saal, das betrübt. Denn dieser Abend hat die Seelen aller Zuschauer gestreichelt.