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Thieles Ideenschmiede für Bellaire

Von Sylke Hermann 14.03.2008, 17:49

Köthen/Bellaire. - Eckhard Thiele erging es keinen Deut besser: Er aß schlecht, tat kein Auge zu. Nur, dass dem Köthener Geschäftsmann die Zeit fehlte, die Vorfreude in vollen Zügen zu genießen. Tausend Dinge waren zu tun. Tim kommt. Sein Freund Tim. Alle wussten es.

Mittlerweile haben Tim und Karen Watters aus Bellaire, Michigan, zwei Wochen in Köthen verbracht, 700 Fotos geschossen und sechs Stunden Videoaufnahmen im Kasten. Die Jakobskirche finden sie imposant, die Häuser gepflegt, die Menschen freundlich. Sie mögen es. "Die Fotos sind natürlich nicht alle in Köthen entstanden", lacht Thiele, der seinen amerikanischen Freunden ein straffes Besuchsprogramm organisiert hat: Berlin, Potsdam, Dresden, Halle.

Auf Thieles Einladung, dessen Köthener Verkehrstechnik- und Werbefirma in den letzten Tagen auf den Chef weitgehend verzichten musste, sind sie hier. Das erste Mal in Deutschland. Das erste Mal überhaupt saßen sie in einem Flieger nach Europa.

Vor mehr als einem Jahr lernte Thiele, damals zu Besuch in den USA, Tim und Karen kennen. Sie verdienen ihr Geld mit dem Räuchern von Fisch und Fleisch, das sie danach verkaufen. Von April bis Dezember haben sie geöffnet. Sieben Tage die Woche. Dass sie sonntags schon am Nachmittag schließen, ist in dieser Zeit ihr einziger Luxus. Von Januar bis März sei Bellaire meterhoch eingeschneit, so dass es wenig Sinn machen würde, das Geschäft zu öffnen. Es käme niemand. "Obwohl", wirft Thiele in ziemlich holprigem Englisch ein und grinst, "wer weiß: Jetzt vielleicht schon."

Seit er für Tims und Karens Räucherei ein Werbeschild entworfen hat, steigt ihr Umsatz. "Als wir damals dort waren", erinnert er sich, "fiel mir sofort auf, dass die beiden überhaupt keine Werbung für ihren Laden machen. Es gab nicht mal einen Wegweiser. Wer also nicht wusste, dass dort eine Räucherei ist, der rauschte einfach vorbei." Thiele machte sich Gedanken, um das Geschäft anzukurbeln. Zurück in Deutschland setzte er sich gleich an das Schild. "Wir haben eine Folie hergestellt, aufgerollt und gut verpackt in die USA verschickt. Tim und Karen mussten sie nur noch aufkleben." Seit dem vergangenen Frühjahr steht gleich an der Hauptstraße ein Wegweiser zum "Bellaire Smokehouse" - made in Köthen.

Tim Watters wollte es nicht glauben, aber die Werbung scheint sich zu rentieren: "Die Leute halten an, weil sie unser Schild gesehen haben. Das ist sehr gut fürs Geschäft", strahlt der Amerikaner und dankt dem Freund für dessen Ideen. Er wäre nie auf die Idee gekommen, Werbung für seinen Laden zu machen. Außerdem hätte er niemanden gewusst, der sich darum hätte kümmern können. 120 Meilen von Bellaire entfernt, schätzt Karen, wäre die nächste fachkundige Firma. "Immer noch kürzer als nach Deutschland", lacht Thiele, dessen Töchter Nadine und Victoria ihn im Geschäft unterstützen.

Victoria, die jüngere, geht im April für ein Jahr in die USA. Zwar nicht in die Nähe von Tim und Karen, aber besuchen wird man sich wohl. Nadine, die sich bei Thieles um das Werbe-Atelier kümmert, vermisst die beiden Amerikaner jetzt schon: "Es ist eine Freundschaft zwischen den Familien entstanden."

Noch ist Zeit zum Abschiednehmen. Am Sonntag fahren sie nach München. Dort kümmert sich ein Cousin Eckhard Thieles, der im Saarland lebt, um Tim und Karen. Man kennt sich - flüchtig. Zwei Wochen bleiben sie bei ihm und auch er, so wird gemunkelt, hat einiges in petto: Paris steht auf dem Besuchsprogramm. Köln ebenfalls. "Der Dom muss sein", bekräftigt der Köthener Geschäftsmann, der jetzt etwas verschnaufen kann: "Ich muss auch mal wieder arbeiten."

Arbeiten und schlafen vermutlich. Da er mit Tim das eine oder andere Bier am Abend trank - "trinken musste" -, sei er dazu weniger als sonst gekommen. Das amerikanische Bier, da stimmen die Männer überein, sei furchtbar dünn, nicht mit hiesigem zu vergleichen. Um dem Freund etwas Gutes zu tun, deckte er sich für dessen Aufenthalt mit verschiedenen Sorten ein und kaufte von allem reichlich. Er wollte vorbereitet sein.

Während die zierliche Karen für Käse und Schokolade schwärmt, genießt Tim "das gute deutsche Bier". Zu Testzwecken, wie es heißt. Nämlich in der Nähe vom "Bellaire Smokehouse" betreibt ein guter Bekannter der Watters eine Brauerei. Ein junger Bursche, der sein Geschäft verstehe. Nur eben Werbung mache er keine, berichtet Tim. Vielleicht eine Chance für seinen Freund aus Köthen, einen Auftrag aus den Staaten an Land zu ziehen. Versuchen will es Thiele. Aber erst, nachdem er Tim und Karen in 14 Tagen wieder am Frankfurter Flughafen abgeliefert hat.