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Teurer trotz Freispruch? Teurer trotz Freispruch?: Versicherung verlangt von Zabitzerin nach Unfall mehr Geld

Von Doreen Hoyer 26.08.2018, 12:00
Vor knapp zwei Jahren hatte Wenke Rüdiger einen Autounfall.
Vor knapp zwei Jahren hatte Wenke Rüdiger einen Autounfall. Heiko Rebsch

Zabitz - Fast genau zwei Jahre ist es her. Am 31. August 2016 hatte Wenke Rüdiger aus Zabitz einen Autounfall, dessen Folgen sie heute noch beschäftigen. Sie war mit ihrem Auto in der Langenfelder Straße in Köthen unterwegs und wollte nach links in die Adenauer-Allee abbiegen.

Als sie schon halb um die Kurve war, sei eine Radfahrerin mit ihrem Auto zusammengestoßen, erinnert sie sich. Die Radlerin verletzte sich, musste ins Krankenhaus. Rüdiger wurde angeklagt. Der Vorwurf: fahrlässige Körperverletzung.

Im Prozess am Amtsgericht Köthen wurde Rüdiger im Juli 2018 jedoch freigesprochen. „Die Tat war nicht nachzuweisen, sodass ein Freispruch aus tatsächlichen Gründen erfolgte“, heißt es in der Urteilsbegründung. Die Radfahrerin hätte beim Überqueren der Straße absteigen müssen, fuhr jedoch weiter, sagt Wenke Rüdiger. Sie sieht sich durch den Freispruch bestätigt, nicht an dem Unfall Schuld zu sein.

Die Versicherung von Wenke Rüdiger erhöhte nach dem Unfall die Beiträge

Doch das sieht ihre Versicherung anders. Die Württembergische, bei der das Auto versichert ist, erhöhte Rüdigers Beiträge nach dem Unfall. Inklusive Steuern soll Wenke Rüdiger nun für Haftpflicht- und Kaskoversicherung zusammen pro Jahr gut 230 Euro mehr zahlen als noch 2016.

„Und das verstehe ich nicht. Ich wurde doch freigesprochen“, betont sie. Zusammen mit ihrem Lebensgefährten Mike Bechmann widersprach sie der Erhöhung, fügte Unterlagen zum Freispruch bei. Doch in einem neuen Brief bleibt die Württembergische dabei: Die Erhöhung wird nicht zurückgenommen.

An diesem Punkt wandten sich die beiden an die MZ, die schon zuvor über sie berichtet hatte. Damals ging es um Rüdigers Kampf, Behindertenparkplätze nutzen zu dürfen. Sie leidet an Multipler Sklerose, ist oft auf den Rollstuhl angewiesen. Autofahren kann sie trotz körperlicher Einschränkungen problemlos - dank Automatik.

Versicherung argumentier, die Autofahrerin habe eine erhöhte Sorgfaltspflicht

Nun also gibt es Ärger mit der Versicherung. Die MZ fragte in der Presseabteilung der Württembergischen nach. Dass Wenke Rüdiger strafrechtlich freigesprochen wurde, sei die eine Sache, erklärt Stephan Sauereisen. „Hier geht es aber um Zivilrecht.“ Und da habe jeder Autofahrer eine erhöhte Sorgfaltspflicht.

Es ist in diesem Zusammenhang auch von der Betriebsgefahr des Autos die Rede - also die Gefahr, die prinzipiell von Autos ausgeht. Weil sie schnell fahren, recht massiv gebaut sind und Personen schwer verletzt werden können. „Als Autofahrer muss ich jederzeit aufpassen und alles tun, damit niemand zu Schaden kommt“, betont Sauereisen.

Er glaube nicht, dass Wenke Rüdiger „zu 100 Prozent Schuld an diesem Unfall hat. Aber zu einem gewissen Grad ist auch sie dafür verantwortlich als Autofahrerin. So sehen wir das.“ Und deshalb sei die Höherstufung gerechtfertigt. Ähnlich sieht Sven Kretzschmar von der Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt die Situation.

„Die Höherstufung ist wahrscheinlich gerechtfertigt“

Er kenne zwar den genauen Fall nicht, aber die Betriebsgefahr von Autos sei grundlegend anzunehmen, so Kretzschmar. „Die Höherstufung ist wahrscheinlich gerechtfertigt.“ Sollte man in Zabitz überlegen, in diesem Zusammenhang zu klagen, empfiehlt Kretzschmar dringend, sich einen Anwalt zu suchen, der auf Verkehrsrecht spezialisiert ist.

Außerdem: „Sobald die Versicherung in Anspruch genommen wird, kann es eine Höherstufung geben.“ Das war hier bei der Haftpflicht so, weil für die Radfahrerin unter anderem Behandlungskosten gezahlt werden mussten.

Aber auch Rüdigers Kasko-Versicherung ist teurer geworden. Und das obwohl der Schaden an Wenke Rüdigers Auto bis heute nicht behoben ist. Nach wie vor ist der Kotflügel auf der Beifahrerseite verzogen.

Sie habe zur Regulierung des Schadens extra nicht ihre Versicherung in Anspruch nehmen wollen, damit diese nicht teurer werde, sagt ihr Lebensgefährte Mike Bechmann. Bei der MZ-Nachfrage bei der Württembergischen stellt sich heraus: Nur ein Teil der Kostenerhöhung von über 200 Euro ist auf den Unfall zurückzuführen. So wurde die Haftpflichtversicherung durch die Höherstufung tatsächlich netto um gut 55 Euro teurer pro Jahr.

Versicherung hat ein Angebot zur möglichen Herabstufung gemacht

Die restlichen Mehrkosten liefen in der Kaskoversicherung auf, hatten jedoch nichts mit dem Unfall zu tun. Zum einen habe es hier eine Tarifanpassung gegeben, informiert Sprecherin Katja Bäcker-Wittke von der Württembergischen. Sprich: eine Verteuerung.

Zum anderen sei die Regionalklasse für Rüdigers Fahrzeug geändert worden. Sie beschreibt, wie viele Unfälle es in einer Region mit einem Auto bestimmten Typs gibt. Und drittens habe die Versicherungsnehmerin Mitte 2017 eine höhere Zahl an gefahrenen Kilometern pro Jahr angegeben - auch das habe die Versicherung teurer gemacht.

Und nun? Zusammen mit seinem Anwalt überlegt das Paar aus Zabitz, die Radfahrerin auf Regulierung des Schadens am Auto zu verklagen. Wenn sie damit „zu 100 Prozent“ Erfolg hätte, würde man Wenke Rüdiger bei ihrer Haftpflichtversicherung auch wieder in eine bessere Schadenfreiheitsklasse einstufen, so Sauereisen von der Württembergischen Versicherung. „Dieses Angebot machen wir.“ (mz)