1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Köthen
  6. >
  7. Studenten retten Grabmal: Studenten retten Grabmal: Zerbrochenes Kunstwerk kehrt nach Köthen zurück

Studenten retten Grabmal Studenten retten Grabmal: Zerbrochenes Kunstwerk kehrt nach Köthen zurück

Von Matthias Bartl 21.03.2016, 11:45
Die letzte, an der Restaurierung beteiligte Studentenmannschaft: Myra Lüers, Claudia Breitling, Professor Sabine Maier, Nadine Hendeß, Sintja Schwarz und Christin Bauerfeind mit Pfarrer Horst Leischner (von links)
Die letzte, an der Restaurierung beteiligte Studentenmannschaft: Myra Lüers, Claudia Breitling, Professor Sabine Maier, Nadine Hendeß, Sintja Schwarz und Christin Bauerfeind mit Pfarrer Horst Leischner (von links) Matthias Bartl

Erfurt/Köthen - Sein Blick ist streng und nachdenklich zugleich. Er reckt seinen linken Arm der Ewigkeit entgegen, die Hand hält eine Sanduhr, Zeichen der Vergänglichkeit, der Zeit. Im Volksmund der Köthener wurde die Figur mit dem Stundenglas der „Tod“ genannt, die Fachwelt hat ihn als Kronos identifiziert. Als Kronos, den griechischen Gott der Zeit – und viel Zeit ist vergangen, seit ein Künstler des Barock die Figur des Titanen aus einem Stück Lindenholz schnitt, um damit das steinerne Epitaph zu schmücken, das jahrhundertelang in der Jakobskirche an den Köthener Geheimrat Christian Ernst von Knoche und seine beiden Ehefrauen Anna Amalie und Anna Dorothea erinnerte.

So lange erinnerte, bis seine Zeit gekommen war. Oder vielmehr: gekommen schien. Im Jahr 2002 stürzte die Figur des Kronos von der Wand. Der antike Gott schlug aus etwa dreieinhalb Metern Höhe auf den Boden im Südportal des christlichen Gotteshauses und zerschellte. Seine Überreste wurden geborgen und eingelagert.

Dem Unglück folgte ein nächstes: Etwas später, im Dezember desselben Jahres, brach der Rest der hölzernen Einfassung des Inschriften-Medaillons aus seiner Fassung – die Figur des Lebens, die Allegorie des Krieges, die Bekrönung nahmen schweren Schaden. So schweren Schaden, dass vor 13 Jahren möglicherweise manch einer angesichts der Rudimente daran gedacht haben mag, das hölzerne Schnitzwerk des Epitaphs als Totalverlust zu verbuchen.

Rückkehr zur Auferstehung Christi

Wenn nun am 22. März, wenige Tage vor dem Osterfest, an dem passenderweise die Auferstehung Christi gefeiert wird, wenn also an diesem Tage, Kronos und Leben und die gesamten hölzernen Kunstwerke wieder in einem präsentablen Zustand nach Köthen zurückkehren, dann ist das fast ein Wunder. Allerdings eines von Menschenhand. Mehr als ein Dutzend Jahre lang wurden die Holzbrösel im Fachbereich Konservierung/Restaurierung der Fachhochschule Erfurt nach und nach wieder zusammengeführt.

Das schreibt sich in Sekunden hin, war aber in der Realität ein Puzzle, bei dem viele Teile fehlten und ersetzt werden mussten und bei dem am Ende auch viele Teile, winzige Holzsplitterchen darunter, übrigblieben, weil man trotz aller restauratorischen Detektivarbeit nicht ermitteln konnte, wohin sie gehörten. Daher tut sich Sabine Maier auch schwer damit, von einer Wiederherstellung des Originals zu sprechen. „Das ist es einfach nicht.“

Lesen Sie auf Seite 2 mehr zu den Restaurierungsarbeiten.

Sabine Maier, Professorin für Restaurierung und Konservierung, die in diesen Tagen emeritiert wurde, ist die einzige Konstante in der Epitaph-Rettung in den zurückliegenden 13 Jahren. Denn die Wiederherstellung des vermutlich im Jahr 1681 entstandenen Kunstwerks wäre faktisch unbezahlbar gewesen und war somit nur im Rahmen von studentischen Arbeiten umsetzbar. „An dem Epitaph“, sagt Sabine Maier, „haben ganze Generationen von Studenten gearbeitet.“

Weil dies aber nur in Praxisblöcken, Praxissemestern und Tutorien möglich war – genaugenommen nur in wenigen Wochen des Jahres – hat sich die Rettung so lange hingezogen. Für Sabine Maier ein Glücksfall: „Ich glaube, es war hilfreich, dass das Projekt so lange gedauert hat. In dieser Zeit hat sich unsere Einstellung dazu gewandelt.“ Ursprünglich wollte man nämlich nur die traurigen Reste des Lindenholzes genau so konservieren, wie sie von Köthen nach Erfurt gebracht worden waren. Dann hätte die Jakobsgemeinde bestenfalls „ein verrußtes, schwarzes Leben zurückerhalten“.

Auffassung wandelte sich

Doch im Laufe der Zeit wandelte sich die Auffassung zu dem Häufchen Unglück, das auf dem Tisch der Restauratoren gelandet war. Es wurden nicht nur die deutlich mehr als 200 Fragmente fotografisch erfasst, dokumentiert und ihre ursprüngliche Position im Gesamtkunstwerk lokalisiert, es wurden nun auch Schritte zur Konservierung und Verbindung der einzelnen Bruchstücke und –stückchen unternommen.

Nachdem der gefährliche Holzwurm ausgemerzt worden war, begann die Schließung der Lücken mit Balsaholzstäbchen und Tylose, auch Korkgranulat kam dabei zum Einsatz. Buchstäblich hat man sich Zentimeter um Zentimeter, im Extremfall Millimeter um Millimeter vorangearbeitet. Ein großes Problem, erinnert sich Sabine Maier, sei das Zusammensetzen der Einzelteile gewesen. „Wir sind vom größten Teil ausgegangen und haben an dieses dann passende Puzzlestücke angefügt.“

Nicht immer erfolgreich

Nicht immer war man damit erfolgreich und daher werden mit dem restaurierten und auf Platten vormontierten Epitaph und der viele Ordner umfassenden Dokumentation der Arbeiten auch einige Schachteln mit „Resten“ die Heimreise nach Köthen antreten. „Da haben wir einfach nicht herausbekommen, wo sie hingehören“, stellt die Professorin fest.

Für St. Jakob bringt die Rückkehr des Knoche-Epitaphs neben großer Freude auch große Herausforderungen mit sich. Sie liegen in der künftigen Präsentation des Kunstwerks. Pfarrer Horst Leischner ist sicher, dass man das Epitaph nicht wieder an der Wand im Südportal anbringen wird. Nicht zuletzt deshalb, weil die Wand immer noch feucht ist und man das Epitaph nicht wieder den Risiken aussetzen will, die Nässe für Holz nun einmal mit sich bringt.

Das heißt dann aber auch, dass man eine andere Form der Darstellung an einer anderen Stelle in der Kirche finden muss – und dafür Geld benötigt. Da man in der Gemeinde aber seit Jahren Erfahrungen damit hat, mittels öffentlichkeitswirksamer Spendenaktionen Finanzen für Sanierungen und Bauarbeiten aller Art einzuwerben, darf man nunmehr darauf gespannt sein, was St. Jakob auf die Beine stellen wird. (mz)