Spritze im Gelben Sack Spritze im Gelben Sack: Müllmann verletzt sich beim Einsammeln

Köthen/Oppin/MZ - Eigentlich ist es ganz einfach: Lizenzierte Verkaufsverpackungen wie Cremedosen oder Gemüsebüchsen gehören bei der Abfalltrennung in den Gelben Sack, ein zerbrochener Wäschekorb aber nicht. Wenn das auch für manche Familie, die zu Hause neben der grauen und der Biotonne auch noch die blaue und die gelbe Tonne bestücken muss, ziemlich unlogisch klingt, es ist im Abfallgesetz so geregelt.
Wer sich zum Beispiel im Altkreis Köthen nicht an diese Regel hält, der muss damit rechnen, dass sein Gelber Sack auch mal mit dem Vermerk: „Fehlbefüllung“ liegen bleibt. Ganz so glimpflich scheint es aber für einen Bürger aus Merzien nicht abzugehen. Gegen den bisher noch unbekannten Bewohner Am Mühlenreich, der Spritzenkanülen im Gelben Sack entsorgt hat, an denen sich ein Mitarbeiter der Abfallentsorgungsfirma beim Einsammeln verletzte, wurde Anzeige wegen illegaler Abfallentsorgung und fahrlässiger Körperverletzung erstattet. Die Anzeige liegt inzwischen bei der Dessauer Staatsanwaltschaft, wie die MZ auf Nachfrage erfuhr.
„Hier mussten wir im Interesse unseres Mitarbeiters tätig werden“, erklärt Andreas Thiel, Niederlassungsleiter bei der Firma Tönsmeier Entsorgungssysteme in Oppin. Schließlich wisse man ja nicht, um was für eine Spritze es sich dabei gehandelt hat. Der Mitarbeiter musste nach dem Arbeitsunfall ärztlich versorgt werden. Nicht nur, dass diese Spritze in die graue Tonne gehört hätte, die Kanüle hätte man ohne weiteres so entsorgen können, dass sie nicht mehr aus der Plastikverpackung hervorschaut, kritisiert Thiel.
Dem Niederlassungsleiter Leiter und seinem Kollegen Jürgen Behr, der in Oppin Betriebsleiter für Logistik ist, geht es nicht um „Kundenschelte“. Die übergroße Mehrzahl der Bürger - zum Beispiel im Altkreis Köthen und im nördlichen Saalekreis, wo Tönsmeier das Einsammeln der Gelben Säcke übernimmt, verhalte sich korrekt. Das gilt auch für Teile von Brandenburg, Hessen und Bayern, für die in Oppin sortiert wird.
Etwa zehn bis 15 Prozent Fehlwürfe im Gelben Sacke oder der gelben Tonne sind dokumentiert. Von insgesamt 135 000 Tonnen, die jährlich in der Kuso Kunststoffsortieranlage auf dem Tönsmeier-Gelände in Oppin landen, informieren Thiel und Behr. In großen Ballungsgebieten kommt es unter dem Deckmantel der Anonymität häufiger zu Fehlwürfen als in ländlichen Bereichen.
20 Tonnen Verpackungen pro Stunde kann die Oppiner Anlage fachgerecht trennen, das geschieht zu 85 Prozent maschinell. Nur einige wenige Mitarbeiter sind heute noch nötig, um bei der Qualitätskontrolle das herauszufischen, was die Maschine übersehen hat. Sortiert wird unter anderem nach vier verschiedenen Kunststoffarten, nach Eisen- und Nichteisenmetallen, Folie und Getränkeverpackungen. Diese werden in drei Schichten sieben Tage die Woche übers Band in die entsprechenden Trennbehälter geschickt und am Ende zu riesigen Ballen verpresst.
Man muss sich also keinen naserümpfenden Mitarbeiter beim Sortieren am Band vorstellen. „Heute gibt es dafür klimatisierte und luftgefilterte Sortierkabinen“, stellt Thiel klar.
Dennoch wird der Gelbe Sack mitunter auch zur Ekelpackung, wenn dort zum Beispiel Tierkadaver, volle Babywindeln oder Essensrest entsorgt werden. „Ersteres ist aber äußerst selten“, so Thiel.
Zum echten Problem für die Anlage können zum Beispiel Weihnachtsbaumnetze werden, die sich dort verfangen können. Auch Pizza-Verpackungen gehören zu den üblichen Fehlwürfen, die aufwendig aussortiert, extra entsorgt und der Müllverbrennung zugeführt werden müssen. „Das belastet das System unnötig“, sagt Thiel. Letztendlich zahle dafür - ähnlich wie bei der illegalen Abfallentsorgung in der Landschaft - der Bürger, bestätigt Jürgen Behr.
Wie gefährlich und teuer es mitunter werden kann, wenn Leichtsinn bei der Abfalltrennung im Spiel ist, macht das Beispiel nicht völlig entleerter Spraydosen deutlich. Nicht nur einmal kam es auf dem Tönsmeier-Gelände in Oppin zu Verpuffungen, wenn solche Flaschen in der Presse landeten. Dann wird automatisch Feueralarm ausgelöst. Die Wehren der umliegenden Orte können ein Lied davon singen. In die Sicherheit hat die Firma nicht wenig investiert. Die Aufklärung über die richtige Abfalltrennung wird bei Tönsmeier daher besonders ernst genommen.
Das geschieht nicht nur über die jährliche Herausgabe eines Abfallkalenders oder die firmeneigene Homepage, wo jeder interessierte Bürger genügend Informationen bekommt, sondern auch bei regelmäßig stattfindenden Führungen auf dem Gelände, die sich unter anderem an Schulklassen richten.