"Schickeria" in Köthen "Schickeria" in Köthen: Second-Hand-Kleidung kommt im "Wundertüten"-Format nach Hause

Köthen - Stillsitzen konnte Beate Schneider noch nie. Ruhige Abende vor dem Fernseher haben wenig Aussicht auf Umsetzung. Sie muss was tun - also strickt sie nebenbei. Unter anderem. Dabei entstehen, ganz ihrem Naturell entsprechend, „fetzige Mützen“, die sie nicht alleine trägt, sondern auch ihren Kundinnen als wärmendes Accessoire ans Herz legt.
In diesen Zeiten, wo die Einzelhändler schon seit Wochen gebeutelt sind und nicht öffnen dürfen, um Ansteckungen zu vermeiden, könnte es sogar sein, dass sich eine dieser selbstgestrickten Mützen in einer „Wundertüte“ befindet.
Für Beate Schneider, die in der „Schickeria“ am Köthener Marktplatz Mode aus zweiter Hand anbietet, sind diese „Wundertüten“ nicht mehr und nicht weniger als die Chance, in Kontakt zu ihren Kundinnen zu bleiben. Sie kenne den Geschmack der Damen, die bei ihr regelmäßig nach schönen Dingen stöbern, oftmals so gut, dass sie mit ihren Angeboten nicht selten ins Schwarze treffe.
Die Teile können zu Hause in Ruhe anprobiert, gekauft oder zurückgegeben werden
„Ich weiß, was ihnen gefällt, welchen Stil sie bevorzugen - und danach stelle ich die Auswahl zusammen“, erzählt Beate Schneider. In den „Wundertüten“ aus der „Schickeria“ befinden sich Kleidungsstücke mit dem jeweiligen Preisschild.
Die Teile können zu Hause in Ruhe anprobiert, gekauft oder zurückgegeben werden. All das, obwohl der Laden geschlossen ist. „Entweder ich bringe unsere Ware nach Hause oder die Kundinnen kommen zu mir“, schildert Beate Schneider. Allerdings: „Alles was passiert, passiert vor dem Laden“, betont sie.
Bereits im Frühjahr schickt Beate Schneider prall gefüllte „Wundertüten“ nach Hause. „Damals haben wir ganz vorsichtig angefangen, haben uns herangetastet. Jetzt wussten wir, dass es funktioniert und sind sofort wieder eingestiegen“, berichtet die gelernte Verkäuferin für Fleisch- und Wurstwaren. Schon kurze Zeit nach ihrer Ausbildung wechselt sie in andere Bereiche, absolviert nach der Wende Umschulungen, unter anderem zur Werbekauffrau.
Inzwischen haben sich die Frauen einen soliden Kundenstamm erarbeitet
Die „Schickeria“ eröffnet sie vor fast vier Jahren - Geburtstag ist am 1. März - gemeinsam mit Julia Deutschbein, der Inhaberin des Second-Hand-Ladens. Inzwischen haben sich die Frauen einen soliden Kundenstamm erarbeitet. Sogar aus Berlin oder Halle, aus Zörbig, Dessau und Köthen natürlich kämen ihre Kunden - oder würden Kleidungsstücke schicken. Der soziale Kontakt, die Gespräche im Laden - all das fehle auch ihr, sagt Beate Schneider und ist dankbar, dass die „Wundertüten“ auf so viel Resonanz stoßen.
Die Aktion sei für den kleinen Einzelhandel der Versuch, diese Zeiten einigermaßen zu überstehen. „Wenn man nicht groß weggehen kann, braucht man nicht zwingend ein neues Teil“, weiß sie. Und deshalb glaubt sie auch, dass die riesige „Wundertüten“-Nachfrage auch ein Zeichen der Solidarität ist. „Unsere Kunden wollen uns einfach unterstützen.“ Das freut sie natürlich. „Wir müssen gerade jetzt sozial sein, damit wir alle da durchkommen.“ (mz)