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Streit um Behindertenparkplatz Rechtsstreit: Mehr Bewegungsfreiheit

Von Doreen Hoyer 24.09.2016, 10:32
Mike Bechmann, Wenke Rüdiger und Anwalt Volker Pflanz (v. l.) haben zusammen um die kleine blaue Karte gekämpft, mit dem man Behindertenparkplätze nutzen darf. Mit einer Klage beim Sozialgericht haben sie ihr Ziel erreicht.
Mike Bechmann, Wenke Rüdiger und Anwalt Volker Pflanz (v. l.) haben zusammen um die kleine blaue Karte gekämpft, mit dem man Behindertenparkplätze nutzen darf. Mit einer Klage beim Sozialgericht haben sie ihr Ziel erreicht. Heiko Rebsch

Zabitz - Es ist nur ein kleines blaues Dokument, eingehüllt in Plastik. Aber es erleichtert das Leben von Wenke Rüdiger sehr - und sie musste lange um dieses kleine Stück Papier kämpfen.

Die Zabitzerin leidet an Multipler Sklerose. Das ist eine chronische Erkrankung des zentralen Nervensystems, bei der die so genannten Markscheiden, eine Schicht der Nervenfasern, angegriffen werden. Das führt nach und nach zu Lähmungserscheinungen.

Wenn sie das Haus verlässt, ist die 38-Jährige auf ihren Rollstuhl angewiesen - dennoch wollte das Landesverwaltungsamt ihr nicht das erforderliche Papier ausstellen, um Behindertenparkplätze nutzen zu können. Rüdiger und ihr Lebensgefährte Mike Bechmann suchten sich deshalb rechtlichen Beistand. Sie ließen sich vertreten durch Volker Pflanz. Der Fachanwalt für Verkehrsrecht aus Bernburg reichte beim Sozialgericht Klage ein. Das war im Dezember 2015.

Wie sehr die Krankheit Wenke Rüdiger in ihren Bewegungen einschränkt, untermauerte er mit verschiedenen ärztlichen Stellungnahmen. Zudem suchte man sich Hilfe bei der Deutschen Multiple-Sklerose-Gesellschaft in Halle.

Das Ergebnis der Rechtsstreitigkeit ist ein Vergleich, den beide Seiten geschlossen haben. Der entsprechende Beschluss erging am 29. Juli 2016: Demzufolge bekommt Wenke Rüdiger rückwirkend ab April 2016 das Merkzeichen „aG“ zuerkannt. Es steht für „außergewöhnliche Gehbehinderung“ und ist die Voraussetzung, um die blaue Parkkarte für Behindertenparkplätze zu bekommen.

Nach dem entsprechenden Antrag erhielt Rüdiger Ende August schließlich ihre Parkkarte, die sie nun zusammen mit Bechmann eifrig nutzt.

Vor der gerichtlichen Auseinandersetzung hatte das Landesverwaltungsamt argumentiert, die Auswirkungen von Rüdigers Krankheit seien nicht so weitreichend, dass ihr besagtes Merkzeichen „aG“ zugestanden werden könne. Die verschiedenen Bezeugungen von Ärzten zu ihrem Gesundheitszustand hätten das Bild beim Landesverwaltungsamt wohl geändert, vermutet Rüdiger Bechmann.

Rechtsanwalt Pflanz sagt, dass die Sache glücklicherweise in „verhältnismäßig kurzer Zeit“ geklärt werden konnte. In anderen Fällen könne sich so etwas über zwei oder drei Jahre hinziehen.

Der Parkausweis erleichtere ihnen vieles, berichten Rüdiger und Bechmann. Sie müssen nun keine Knöllchen mehr fürchten, wenn sie Behindertenparkplätze nutzen. Normale Stellflächen seien oft zu klein, um dort überhaupt einen Rollstuhl ein- und ausladen zu können. Zudem kann das Paar sein Auto nun beispielsweise bis zu drei Stunden im eingeschränkten Halteverbot abstellen. Für Wenke Rüdiger bedeutet das unter anderem kürzere, einfachere Wege zu Arztterminen. „Ich habe einfach mehr Bewegungsfreiheit gewonnen“, fasst sie zusammen.

Bechmann betont, nach seinem Gefühl hätten sie die blaue Parkkarte bis heute nicht bekommen, wenn sie sich nicht einen Anwalt genommen hätten. Und Rechtsanwalt Pflanz fügt hinzu, er verstehe nicht, warum die Vergabe solcher Parkausweise „derart restriktiv“ gehandhabt werde. „Würde man sich etwas großzügiger zeigen, wäre sicher vielen behinderten Menschen geholfen.“

Die Redaktion fragte beim Landesverwaltungsamt diesbezüglich nach, erhielt aber bis Redaktionsschluss keine Antwort.

(mz)