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Rechtsstreit in Köthen Rechtsstreit in Köthen: Dicke Luft bei Helios

Von Ute Hartling-Lieblang 25.08.2014, 17:01
Der Eingangsbereich im Krankenhaus Köthen.
Der Eingangsbereich im Krankenhaus Köthen. Rebsch/Archiv Lizenz

köthen/ Halle (Saale) - Bis 12 Uhr soll am Donnerstag die Entscheidung fallen: Gibt es im Rechtsstreit zwischen dem Betriebsrat der Helios Klinik GmbH Köthen und dem Unternehmen Helios eine außergerichtliche Einigung, dann kann der Vorsitzende Richter Josef Molkenbur das Verfahren vor der 4. Kammer des Landesarbeitsgerichtes, das am Dienstag eröffnet wurde, einstellen. Wenn nicht, wird der Richter um 12.15 Uhr seine Entscheidung verkünden. Beide Parteien hatten sich am Dienstag auf diesen Vorschlag geeinigt.

Der Betriebsrat hatte in erster Instanz vor dem Arbeitsgericht Dessau-Roßlau eine einstweilige Verfügung zum Stopp der Strukturveränderungen in der Köthener Helios-Klinik erwirken wollen, war aber in der Verhandlung am 30. Juli damit gescheitert. Daraufhin legte er gegen diese Entscheidung am 8. August Beschwerde vor dem Landesarbeitsgericht ein.

In einem zweiten Verfahren ging es vor dem Arbeitsgericht Dessau-Roßlau Anfang August um die Einrichtung einer Einigungsstelle, die der Betriebsrat erstritten hat. Dabei handelt es sich

um eine innerbetriebliche Schlichtungsstelle, die zusammentritt, verhandelt und entscheidet, wenn Betriebsrat und Arbeitgeber sich nicht einigen können.

Kriterien für eine Betriebsänderung sind u.a. Einschränkung oder Stilllegung, Verlegung, Zusammenschluss des Betriebes oder von Betriebsteilen, grundlegende Änderungen der Betriebsorganisation, Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden/Fertigungsverfahren.

Ziel des Betriebsrates ist es, sein Mitbestimmungsrecht (Interessenausgleich) bei den zum 1. September geplanten Ausgliederungen von Arbeitnehmern in andere Gesellschaften der Helios Region Mitte Nord, das ihm bisher verwehrt wurde, doch noch durchzusetzen. Dazu hatte der Betriebsrat bereits Anfang August vor dem Arbeitsgericht in Dessau-Roßlau die Einrichtung einer Einigungsstelle erstritten. Sie ist ein bewährtes Mittel zur schnellen Lösung betrieblicher Konflikte. Den Vorsitz soll der ehemalige Berliner Arbeitsrichter Volker Rache, der seit 2009 freiberuflich als Vorsitzender von Einigungsstellen tätig ist, erhalten.

„Wenn sie eine Einigung wollen, bekommen sie das hin“, hatte Richter Molkenbur den streitenden Parteien am Dienstag mit auf den Weg gegeben, die sich in der Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht kaum aufeinander zubewegten. Während die Arbeitgeberseite, vertreten durch Rechtsanwalt Norbert Götzke, immer wieder erklärte, an dem Termin für die geplanten Ausgliederungen im Servicebereich (1. September) werde man nicht rütteln, es gebe nichts mehr zu verhandeln, erklärte der Betriebsrat, vertreten durch Rechtsanwalt Frank Schröter, die Zeit für einen wirksamen Interessenausgleich sei bis zum 1. September viel zu kurz. Die Arbeitgeberseite habe die schriftlich eingeforderten Informationen über alle geplanten Maßnahmen dem Betriebsrat noch immer nicht zur Verfügung gestellt. „Wir wollen schriftliche Informationen, keine stille Post“, so Schröter.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was noch Inhalt des Rechtsstreites ist.

Im Grundsatz geht es bei dem Rechtsstreit um die Frage, ob es sich bei den zum 1. September geplanten Maßnahmen am Helios-Standort Köthen um einen Betriebsübergang (Übergang auf einen anderen Inhaber, bestehende Arbeitsverhältnisse bleiben bestehen) oder um eine Betriebsänderung handelt. Laut Betriebsverfassungsgesetz hat der Unternehmer bei einer Betriebsänderung „den Betriebsrat über die geplanten Betriebsänderungen, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben könnten, rechtzeitig und umfassend zu unterrichten.“ Wie die bei der Verhandlung anwesenden Vertreter des Betriebsrates, Claudia Herold und Stefan Beckert, nach der Verhandlung auf MZ-Anfrage erklärten, sei man im Vorfeld über keine der geplanten Maßnahmen durch die Arbeitgeberseite informiert worden. Alle Informationen, über die der Betriebsrat verfüge, stammten aus Gesprächen mit betroffenen Mitarbeitern oder seien im Rahmen der anwaltlichen Vertretung bekanntgeworden.

Zu den geplanten Veränderungen in der Klinik Köthen hatte die Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) am 31. Juli in einer Pressemitteilung unter der Überschrift „Helios missachtet Beteiligungsrechte der Betriebsräte“ erklärt: „Der Arbeitgeber Helios Klinik Köthen will die Bereiche Technik und Medizintechnik, Hol- und Bringedienst sowie Rezeption und Aufnahme ausgliedern. Davon sind 22 Mitarbeiter betroffen. Weiterhin soll der Bereich Materialwirtschaft (Lager, Einkauf) aufgelöst werden. Hier geht es um 5 Mitarbeiter. Geplant ist, im Konzern ein Zentrallager zu bilden. Damit wird es zu Kündigungen kommen.“ Die Aufforderung des Betriebsrates, einen Interessenausgleich zu diesen „betriebsändernden Maßnahmen zu verhandeln“, habe der Arbeitgeber abgelehnt und die betroffenen Arbeitnehmer „bereits vor dem geplanten Betriebsübergang unterrichtet“.

In einer Presseerklärung der Helios Klinik vom 16. Juli liest sich das so: „Die Dienstleistungen aus den Bereichen Logistik, Technik und Medizintechnik der Helios Klinik Köthen werden ab dem 1. September 2014 in branchenbezogenen, fachlich spezialisierten Gesellschaften der Helios Region Mitte-Nord erbracht. Die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter gehen dabei auf die neuen Gesellschaften über und bleiben unverändert bestehen. Gleiches gilt für die Rezeption und die Patientenaufnahme zum 1. Oktober 2014. Der Einkauf und das Lager der Klinik werden geschlossen. Bei 22 ändert sich nichts.“ Das bestreitet der Betriebsrat.

Auf die Frage des Richters, ob ähnliche Maßnahmen wie in Köthen auch anderweitig von Helios durchgeführt werden, antwortete Rechtsanwalt Götzke, das hänge immer von der Struktur des Hauses ab. Der Anwalt des Betriebsrates erklärte, das sei in allen von Rhön-Klinik übernommenen Häuser der Fall.

Dass die Rechtsprechungen zu der Frage, wie weit die Beteiligungsrechte des Betriebsrates reichen, weit auseinandergehen, machte Richter Josef Molkenbur an bereits ergangenen Urteilen in ähnlich gelagerten Fällen deutlich. Er wies aber auch darauf hin, dass es im Europarecht durchaus Bewegung bei der Beantwortung dieser Frage gebe. Zum Beispiel was die Informationspflicht des Arbeitgebers bei Massenentlassungen anbetrifft. An die streitenden Parteien appellierte Molkenbur, den Interessenausgleich als ernsthaften Verhandlungsanspruch zu sehen. (mz)

Blick auf das Gelände des Köthener Krankenhauses
Blick auf das Gelände des Köthener Krankenhauses
Heiko rebsch Lizenz