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Rechte Demo am Sonntag Rechte Demo am Sonntag: Stahlknecht rät Köthenern, zu Hause zu bleiben

Von Hagen Eichler 15.09.2018, 07:24
Eine Reiterstaffel der Polizei reitet am vergangenen Wochenende durch die Stadt Köthen.
Eine Reiterstaffel der Polizei reitet am vergangenen Wochenende durch die Stadt Köthen. dpa-Zentralbild

Köthen - Mit einem Großaufgebot will die Polizei an diesem Wochenende verhindern, dass Köthen (Anhalt-Bitterfeld) zum Ort von Nazi-Parolen und Randale wird. MZ-Redakteur Hagen Eichler befragte Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU), wie er sich vorbereitet hat und was er den Köthenern rät.

Herr Stahlknecht, vor einer Woche starb Markus B. Es dauerte keine 24 Stunden, bis 2 500 Menschen durch die Stadt zogen, darunter hunderte Rechtsextremisten. Hat Sie das überrascht?
Holger Stahlknecht: Am Sonntagvormittag haben wir festgestellt, dass Berichte über Köthen in den sozialen Netzwerken kursieren. Ich hatte früh das Gefühl, dass da am Abend sehr viele Menschen kommen könnten. Deshalb waren wir nicht überrascht, sondern darauf eingestellt. Die Aktivierung in sozialen Netzwerken macht die Lagebeurteilung aber für uns komplexer, weil man die tatsächliche Teilnehmerzahl schwer berechnen kann.

Haben Sie sich mit dem sächsischen Innenminister Roland Wöller beraten, der in Chemnitz von den Ereignissen überrumpelt wurde?
Stahlknecht: Wir haben kurz vor dem Fall von Köthen miteinander gesprochen. Er hat mir das Mobilisierungspotenzial in den Netzwerken geschildert. Das hat sich mir tief eingeprägt.

Anders als in Chemnitz hatte die Polizei das Geschehen in Köthen im Griff. Was haben Sie besser gemacht?
Stahlknecht: Zum einen müssen wir in so einer Lage sehr zügig Informationen an die Medien geben, damit die Journalisten zwischen Fake News und den tatsächlichen Gegebenheiten unterscheiden können.

Wir brauchen eine völlig neue Kommunikationskultur. Das haben wir am Sonntag beherzigt. Außerdem zählen schnelle Entscheidungen. Mein Ministerium und insbesondere die Kolleginnen und Kollegen in der Landespolizei haben hochkonzentriert gearbeitet. Man muss zusehen, dass man zügig ausreichend Polizeikräfte zusammenkriegt, auch aus den anderen Ländern.

Ein Bundesland allein kann so etwas nicht bewältigen?
Stahlknecht: Nein, das ist bei so einer aufgeheizten Lage nicht zu schaffen.

Für dieses Wochenende mobilisieren verschiedene Gruppen erneut. Müssen Sie noch eine Schippe drauflegen?
Stahlknecht: Wir werden alles Erforderliche tun, auch Wasserwerfer und Dienstpferde stehen bereit.

Können Sie garantieren, dass auch Ausländer in der Stadt sicher sind?
Stahlknecht: Jeder kann sich in dieser schönen Stadt frei bewegen. Ich habe mich am Dienstag vor dem Gottesdienst in Köthen in ein Café gesetzt. Das war friedlich, die Menschen waren freundlich.

Am Sonntag wollen Neonazis kommen. Gilt das auch dann?
Stahlknecht: Am Samstag wird erst einmal die Stadt durch bürgerschaftliches Engagement zeigen, dass der überwiegende Teil, wenn nicht nahezu alle in Köthen diese Rechtsextremen nicht wollen. Mein Vorschlag wäre ja, dass die Bürger dann am Sonntag, wenn die Rechten demonstrieren, einfach in ihren Wohnungen bleiben und die Rollläden zumachen. Nicht, weil wir die Sicherheit nicht gewährleisten können, sondern um ein Zeichen zu setzen, dass man die nicht sehen will.

Zuletzt gab es in Köthen Naziparolen, die auch die Bundesregierung empört haben. Kann das wieder passieren oder wird die Demo dann aufgelöst?
Stahlknecht: Das hängt von der konkreten Situation ab. Wenn man durch die Auflösung einer Versammlung eine Eskalationsspirale der Gewalt in Gang setzen würde, unter der auch unbeteiligte Bürger leiden würden, muss man so etwas auch laufen lassen.

Die Polizei muss entscheiden, wo der geringere Schaden ist - einerseits der Ansehensverlust für das Land, andererseits Krawalle und Gewalt. Das sind die schwierigsten Entscheidungen. Manchmal müssen die in Sekunden getroffen werden. Ich habe Vertrauen in die Entscheidungen unserer Polizei.

Vor dem Tod von Markus B. gab es eine Auseinandersetzung mit zwei Afghanen, die jetzt in Untersuchungshaft sitzen. Wollen Sie die beiden am liebsten vor Gericht sehen oder schnell abschieben?
Stahlknecht: Das kommt auf den Tatvorwurf an. Sollte eine Körperverletzung mit Todesfolge zur Anklage gebracht werden, gäbe es gute Gründe, das Strafverfahren abzuwarten. Das ist und bleibt aber allein eine Entscheidung der Staatsanwaltschaft.

Bereiten Sie sich auf die Abschiebung vor?
Stahlknecht: Das tun wir.

Auch für den jüngeren der beiden, der Aufenthaltsrecht hat?
Stahlknecht: Wir prüfen das.

Welches positive Zeichen könnte an diesem Wochenende von Köthen ausgehen?
Stahlknecht: Was mir Hoffnung macht, ist das bürgerschaftliche Engagement: die Gottesdienste, die geplante Aktion am Samstag auf dem Marktplatz. Was den Sonntag mit der Demonstration der Rechten betrifft: Ich will, dass wir die Situation beherrschen. (mz)