Radegast Radegast: Der «Prinz von Anhalt» ist eine Last
RADEGAST/MZ. - Das Eckhaus in der Walther-Rathenau-Straße hat seinen Charme verloren. Es ist verfallen, steht seit langem leer, und nun, wo es einen neuen Besitzer hat, bleiben die Aussichten, dass sich am unansehnlichen Zustand etwas ändern dürfte, weiter mager: Der Ortschaft Radegast fehlt es am nötigen Kleingeld, die historische Gaststätte "Prinz von Anhalt" von Grund auf zu sanieren. Ein Umstand, der Ortsbürgermeister Michael Graf seit geraumer Zeit ratlos zurücklässt. Und augenscheinlich bedrückt. "Der bauliche Gesamtzutand ist eine einzige Katastrophe."
Schon viele Besitzer
Der Gasthof, die nachweislich älteste Lokalität des Ortes, hat in seiner Geschichte schon viele Besitzer gesehen: nun gehört er der Stadt Südliches Anhalt und die sei damit zwangsläufig in der Pflicht, wenn es um die Zukunft der Immobilie geht. So sieht Graf das.
Früher war die Gaststätte unter dem Namen Bahr ein beliebter Treff der Radegaster. In drei Generationen habe die Familie das Objekt geführt, das Essen sei gut gewesen, also ging man hin, schildert Graf. Anfang der 90er Jahre gab es Überlegungen, die Gaststätte umzubauen - und umzubenennen. Graf erinnert sich noch an das enorme Medieninteresse, als Eduard, Prinz von Anhalt, nach Radegast kam, um die Gaststätte umzutaufen.
Doch Eduards Besuch hallte nicht allzu lange nach. Kurz darauf trennten sich die jungen Wirtsleute, das Objekt stand eine Weile leer, wurde verkauft und von einer neuen Besitzer-Familie als Speise- und Biergaststätte wieder eröffnet. Wenn Graf sich recht erinnert, ging das zwei, drei Jahre gut, ehe das Paar in den Harz ging, um dort eine neue berufliche Perspektive zu suchen. Wieder brauchte Radegast für den historischen Gasthof ein neues Konzept.
Sicherung durch Ordnungsamt
Zwei Männer übernahmen das Objekt, richteten es zur Clubgaststätte her mit mehr oder weniger festen Öffnungszeiten. "In dieser Zeit ist das Haus immer stärker verfallen", sagt Graf. Bis schließlich das Ordnungsamt des Landkreises eingreifen musste und das Haus notdürftig sichern ließ, damit Passanten zum Beispiel nicht durch herunterfallende Dachziegel verletzt werden. "Wir haben uns parallel dazu all die Jahre bemüht, die Besitzer zu verpflichten, etwas an dem Gebäude zu machen." Ohne Erfolg, wie Graf eingestehen muss.
Dass man in seinem Bestreben, einen Verantwortlichen zu finden, stets von irrtümlichen Besitzverhältnissen ausgegangen war, änderte nichts an der Tatsache, dass das unter Denkmalschutz stehende Haus weiter einzustürzen drohte. Nämlich nicht die beiden Männer, die irgendwann einfach verschwunden waren, sind zuletzt im Grundbuch eingetragen gewesen, wie Radegaster Recherchen später ergaben. Der "Prinz von Anhalt" gehörte all die Jahre einer Schwester der Vorbesitzer (jenes Paar, das in den Harz ging). Aber das wusste offenbar niemand.
Jene Frau, der das Objekt zuletzt gehörte, erwies sich als vollkommen mittellos und nicht in der Lage, die Immobilie zu betreiben. "Sie hat das Grundstück aufgegeben." So viel ist Graf bekannt, denn diese Nachricht erreichte ihn vor einiger Zeit von der Verwaltung in Weißandt-Gölzau. Und er weiß auch, "dass dieses herrenlose Grundstück damit ohne eigenes Zutun an uns übergegangen ist". An die Stadt Südliches Anhalt vielmehr.
Genehmigung für Abriss
Von dort erhofft sich der Ortsbürgermeister nun Unterstützung. Obgleich ihm bewusst ist, dass eine Sanierung nicht finanzierbar zu sein scheint. Zumal es bereits eine Abrissgenehmigung gebe. Aber selbst der Abriss sei nicht zu finanzieren. Graf: "Wir brauchen das Geld für andere Dinge." Ihm wäre, sollte man sich dennoch für eine Sanierung entscheiden, wichtig, "dass das Gebäude danach nicht leer steht". Davon habe Radegast bereits einige vorzuweisen.
Erste Ideen für eine spätere Nutzung, die jedoch eine Sanierung voraussetzen, gibt es. Dietmar Sauer, Architekt in Köthen und für Radegast in Sachen Dorfentwicklung engagiert, hätte eine: Architektur-Studenten der Fachhochschule Anhalt am Standort Dessau könnten sich des Objektes annehmen und ihre Vorstellungen dort als Studienprojekt umsetzen.
Graf könnte sich auch eine gewerbliche Nutzung der früheren Gaststätte vorstellen: "Warum nicht." Das Heimatmuseum könnte in das geschichtsträchtige Haus einziehen. "Auch das ginge", findet Graf, "Hauptsache", betont er noch einmal, "es steht nicht leer."
Enormer Sanierungsaufwand
Er gibt zu, dass sich seine Begeisterung in Grenzen hält, dieses Objekt nun im Besitz zu haben. "Es war ein Schock, als wir davon erfahren haben." In diesem Zustand sei der "Prinz von Anhalt" "eine riesige Last", die die Stadt tragen müsse. Graf schätzt den Sanierungsaufwand auf rund eine Million Euro. Unabhängig aller Zahlen, weiß er: "Es muss etwas passieren."