1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Köthen
  6. >
  7. Puppenwiege in Handarbeit

Puppenwiege in Handarbeit

Von UTE NICKLISCH 27.06.2010, 17:32

KÖTHEN/DESSAU/MZ. - Eine Puppenwiege mit schrägen Zinken zu bauen, und dass in sieben Stunden - das ist keine leichte Aufgabe. Die Tischlerlehrlinge im dritten Lehrjahr der Innung Köthen-Bernburg-Dessau mussten diese Aufgabe bei ihrer Gesellenprüfung bewältigen. Hinzu kam, dass das Ganze ausschließlich mit bloßem Handwerkszeug, ohne jegliche Maschinenarbeit, auszuführen war.

Doch für einen zukünftigen Tischlergesellen sollte das kein Hindernis bedeuten. Schließlich nimmt diese Arbeitsprobe einen großen Stellenwert bei der praktischen Gesellenprüfung ein. Jedes Jahr wird von der Prüfungskommission ein bestimmtes Stück festgelegt, wovon die Prüflinge erst am Tage der Ausführung erfahren.

Punkt halb acht hatten sich die Auszubildenden in der Junkersstraße in Dessau einzufinden. Dort stellte das Berufliche Fort-und Ausbildungswerk (BAVW), wo sonst Jugendliche mit besonderem Förderbedarf ausgebildet werden, die Räume zur Verfügung.

Mit einer reich bestückten Werkzeugkiste sowie entsprechendem Material rückten die Prüflinge an. Nun wurde endlich das Geheimnis der diesjährigen Aufgabe gelüftet. Anhand einer Zeichnung machten sich die 14 Lehrlinge an die Arbeit. Dabei bedarf das Herstellen einer schrägen Zinkenverbindung schon so einiger Sorgfalt. Ganz genau müssen die Zinken angerissen, eingesägt und schließlich ausgestemmt werden, damit sich die Teile im Anschluss rechtwinklig ineinander fügen lassen.

Ist alles perfekt, hält die Verbindung schon ohne Leim zusammen. Das dazugehörige Gestell wurde mit einer so genannten Schlitz-und Zapfenverbindung gearbeitet. Waren alle Einzelteile so weit fertig, musste das trichterförmige Puppenbett nur noch mittels Dübel in das Gestell eingefügt werden. Der Zeitfaktor spielt dabei eine große Rolle. Da kommt es schon mal vor, dass einige die Nerven verlieren. Schließlich fließen 50 Prozentpunkte jener Arbeitsprobe in das Gesamtergebnis der praktischen Gesellenprüfung mit ein.

"Bei der Bewertung gilt grundsätzlich erstmal, ein verkaufbares Produkt herzustellen", erklärt Olaf Fricke. Ihr Hauptaugenmerk legten die prüfenden Handwerksmeister Frank Großkopf, Dieter Müller und Olaf Fricke auf die Oberflächenbearbeitung, den Plan zur Ausführung der Arbeiten, die Zinkenverarbeitung, die Schlitz- und Zapfenverbindung und nicht zuletzt das vorhergehende Fachgespräch. Unabhängig voneinander müssen dabei die Prüfer ihre Wertung des jeweiligen Stückes abgeben.

Nach bisherigem Verlauf der Prüfungen äußerte sich der Vorsitzende Prüfer Olaf Fricke: "Wir sind angenehm überrascht von der diesjährigen Truppe. Auch die Theorie haben alle außer einem bestanden. Da hatten wir schon weitaus schlechtere Ergebnisse." Die Theoretische Ausbildung absolvierten die Tischlerlehrlinge an den Berufsbildenden Schulen in Köthen. Die Auszubildenden kamen aus ganz Anhalt-Bitterfeld, sechs Lehrlinge aus der Köthener Region waren dabei: Henry Rehse aus Diebzig, Kai Hempel aus Aken, Mattias Schremmer aus Köthen, Maria Schuhmann aus Edderitz und Benjamin Nicklisch aus Drosa. Maria war nicht der einzige weibliche Lehrling. Auch verschiedene Mädels aus anderen Orten entschieden sich für den männerdominierten Beruf.

Nachdem die "Holzwürmer" die Hürde der Arbeitsprobe hinter sich ließen, müssen sie auf die Ergebnisse noch etwas warten. Denn als nächsten und letzten Teil der Gesellenprüfung haben die Lehrlinge ihr individuelles Gesellenstück zu bauen. Ob Möbelstück, Haustür oder auch Holzfahrrad - alles ist mit den entsprechenden Schwierigkeitsgraden möglich. Fest steht jedoch, dass den Lehrlingen dafür in den Tischlereien Großkopf, Queitsch, Kretschmann in Köthen sowie der Tischlerei Körting in Dessau 80 bis 100 Stunden zur Verfügung stehen.

Wann jedoch damit begonnen wird, hängt vom Ausbildungsbetrieb ab. "Wir sprechen das mit den Betrieben ab. Bei der heutigen wirtschaftlichen Lage können wir das nicht vorschreiben", erklärt dazu Fricke.

Aus diesem Grund stehen nun drei Termine zur Gesellenstückabgabe zur Verfügung. Diese sind jeweils am letzten Freitag im Monat Juli, August und September. Wenn all diese Hürden bewältigt wurden, werden die frisch gebackenen Tischlergesellen mit der Übergabe des Gesellenbriefes im Oktober "freigesprochen".