Per Zufall entdeckt Per Zufall entdeckt: Kirchenbuch aus Pißdorf gibt Einblick in Zeit von 1777 bis 1814

Pißdorf - Pißdorf muss einmal ziemlich wohlhabend gewesen sein, schlussfolgert Dankmar Pahlings. Immerhin konnte man sich eine eigene Kirche leisten, hatte bis 1963 sogar ein Pfarramt. 1972 dann stürzt der Turm der Kirche ein, als man eine defekte Säule auswechseln will.
Ein Schicksalsjahr. Es sei, so der Pfarrer aus Osternienburg, nicht absehbar gewesen, dass sich das Blatt noch einmal wenden würde. Tut es aber. Ein Förderverein gründet sich, sammelt viel Geld, um den Kirchturm wieder zu errichten. Ein Wahrzeichen im Ort, das zu später Stunde sogar angestrahlt wird.
Für diesen Anblick ist der Pfarrer am Dienstag zwar zu früh dran. Dafür ist der Anlass seines Besuches in der Kapelle der Kirche zu Pißdorf ein besonderer. Dankmar Pahlings präsentiert einen Schatz. Ein verloren geglaubtes Kirchenbuch.
„Sehr viel wissen wir leider nicht über den Weg, den dieses Buch genommen hat“
Doch es ist nicht verloren. Es hat sich wieder angefunden. Bei einer Haushaltsauflösung in Teicha, einem Ort im Saalekreis. Dankmar Pahlings: „Sehr viel wissen wir leider nicht über den Weg, den dieses Buch genommen hat.“ Man wisse nicht, unter welchen Umständen es zu welcher Zeit genau verschwunden ist. Ist es geraubt worden? Ausgeliehen? Versehentlich mitgenommen? Keiner weiß es.
Was Dankmar Pahlings, seit 2008 für den Pfarrbereich Osternienburg und damit auch für die Pißdorfer Gemeinde zuständig, mit Gewissheit sagen kann: In der letzten vorliegenden Aufstellung der Kirchenbücher aus dem Jahre 1972 fehlt jenes Exemplar, das vermutlich aus purem Zufall wieder zurückgekehrt ist.
Man könne froh sein, dass es bei der Haushaltsauflösung nicht als Altpapier entsorgt wird, sondern in die Hände der Pfarrerin gerät und die wiederum sich bis nach Osternienburg durchfragt, um dem dortigen Pfarrer sein Kirchenbuch zurückzugeben.
Es erzählt von Taufen, Trauungen und Beerdigungen in den Jahren 1777 bis 1814
Es erzählt von Taufen, Trauungen und Beerdigungen in den Jahren 1777 bis 1814. Die weiteren Exemplare ab 1815 sind vorhanden. Und dazu noch ein besonders altes, das die Zeit von 1651 bis 1703 beschreibt. Für die genealogische Forschungsarbeit seien all diese Aufzeichnungen unverzichtbar. Vor 1876, weiß Jan Brademann, der Leiter des Landeskirchlichen Archivs in Dessau zu berichten, habe man grundsätzlich auf Kirchenbücher zurückgegriffen, um etwas über den Familienstammbaum in Erfahrung zu bringen. Denn Standesämter gibt es seinerzeit noch nicht.
Kirchenbücher sind folglich ein wichtiges Nachschlagewerk, das etwas über den Ort und seine Menschen erzählt. Welche wirtschaftlichen Verhältnisse herrschen zur damaligen Zeit vor? Wer heiratet wen? Wo kommen uneheliche Kinder auf die Welt? Wer sind Paten?
Es ist nicht besonders verschmutzt und auffallend gut erhalten
Jan Brademann könnte unzählige Informationen aus dem Buch vortragen, die der Pfarrer seinerzeit für die Nachwelt notiert hat. Nutzerfreundlich im Übrigen. Denn die Vornamen der Geborenen etwa sind in lateinischer Schrift eingetragen, der Rest in alter deutscher Schrift verfasst. Für viele unlesbar, für den geübten Landeskirchenarchivar hingegen nichts Ungewöhnliches.
Dass dieses durch Zufall wieder gefundene Exemplar „für die Gemeinde ein Schatz“ ist, muss Jan Brademann nicht sonderlich betonen. Es ist nicht besonders verschmutzt, auffallend gut erhalten, was ihn wiederum schlussfolgern lässt: Es hat trocken gelegen. „Ein schönes, auch ordentlich geführtes Kirchenbuch“, findet er und blickt zu Dankmar Pahlings, der den Eindruck absolut teilt. Dabei sei er im März, als ihn der Anruf aus Teicha erreicht, durchaus skeptisch gewesen. „Es war nicht sicher, ob es wirklich etwas Altes ist oder eine Abschrift.“ Doch seine Bedenken erübrigen sich. Es ist das Original.
Landeskirche digitalisiert derzeit sämtliche Kirchenbücher in ihrem Besitz
Nicht etwa um die Papier-Exemplare irgendwann zu ersetzen, aber um die Suche nach dort enthaltenen Namen und Daten zu erleichtern, digitalisiert die Landeskirche derzeit sämtliche Kirchenbücher in ihrem Besitz. Etwa 3.000 bis 3.500 an der Zahl. In der vergangenen Woche, berichtet Jan Brademann in Pißdorf, sei man bei 1.000 angekommen. Er geht allerdings davon aus, dass dieser Prozess noch fünf, sechs, sieben Jahre dauern wird.
Bei aller Freude, irgendwann auch dieses wiederentdeckte Pißdorfer Kirchenbuch digitalisiert zu haben, genießt Dankmar Pahlings sichtbar das Haptische und hält das Buch voller Dankbarkeit in seinen Händen. Etwa 40 Kirchenbücher befänden sich bei ihm im Pfarramt Osternienburg. Nun auch dieses Pißdorfer mit Aufzeichnungen ab 1777. (mz)
