1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Köthen
  6. >
  7. Obdachlose in Köthen: Obdachlose in Köthen: Freiwillige putzen verdreckte Zimmer in der Notunterkunft

Obdachlose in Köthen Obdachlose in Köthen: Freiwillige putzen verdreckte Zimmer in der Notunterkunft

Von Doreen Hoyer 13.01.2016, 12:50
Kevin Montag von den Delitzscher Putzteufeln und eine Helferin reinigen die Schränke.
Kevin Montag von den Delitzscher Putzteufeln und eine Helferin reinigen die Schränke. Heiko Rebsch Lizenz

Köthen - „Beim ersten Mal bin ich gleich rückwärts wieder rausgegangen, weil der Gestank so schlimm war“, erinnert sich Alexander Spodin.

Für Diskussionen sorgte bei der gestrigen Putzaktion eine Graffiti-Schmiererei an der Wand eines Gebäudes, das gegenüber der Obdachlosenunterkunft liegt. Zu sehen ist unter anderem ein Hakenkreuz. Sie seien nicht für die Schmierereien verantwortlich, versicherten mehrere der Obdachlosen. Unbekannte hätten die Symbole in der Nacht zu Mittwoch angebracht. In der Augustenstraße soll eine Flüchtlingsunterkunft eingerichtet werden. Das Hakenkreuz sei als verfassungsfeindliches Symbol eingestuft, so Polizeisprecher Hans-Peter Klimmek. Ob dieser konkrete Fall bereits aufgenommen worden sei, könne er nicht sagen. Es gebe viele solcher Vorfälle.

Vor einigen Wochen betrat der Köthener zum ersten Mal die städtische Notunterkunft für Obdachlose in der Augustenstraße. Er brachte Spenden, die er mit anderen Bürgern gesammelt hatte, doch auf den Zustand der beiden Zimmer von Peter Modrack - einem von insgesamt 17 Bewohnern - war er nicht vorbereitet. Vorausgegangen waren Berichte über die Zustände in der Unterkunft, in der es kein fließendes warmes Wasser und keine Duschen gibt - dafür aber Mäuse. Die beiden kleinen Räume seien bereits beim Besuch im Dezember völlig verdreckt gewesen, so Spodin. Nicht nur er war von diesem Anblick erschüttert. Auch Jessica Cremer und Angie Sopart, die die Spendenaktion im Dezember organisiert hatten, ließen die Bilder nicht los. Und so organisierten sie eine Putzaktion.

Zimmer auf Vordermnn bringen

Am Mittwoch rückte Kevin Montag mit zwei Mitarbeitern an, um die beiden Zimmer auf Vordermann zu bringen. Montag ist Geschäftsführer der Reinigungsfirma „Delitzscher Putzteufel“. Beim Betreten der beiden Zimmer bietet sich ihm ein erschreckender Anblick: Der Boden ist mit einer schwärzlichen Schmutzschicht überzogen, überall stehen leere Bierflaschen. Das Bettzeug ist nicht mehr weiß, sondern gelb. Kühlschrank und Wasserkocher haben braune Dreckspuren. Um die Lampen hängen dicke Spinnennetze, auf dem Sofa sieht man Flecken, die an Kot erinnern.

Montag hat selbst lange in Drosa gelebt und ist ein Bekannter von Boris Cremer, Jessica Cremers Mann. Das Ehepaar, Angie Sopart und Alexander Spodin sind mit vor Ort. „Mit den richtigen Reinigern kriegen wir das wieder hin“, meint Fachmann Montag. Die Putzteufel verlangen kein Geld für ihren Einsatz. „Ich bin dreckige Zimmer gewohnt, aber so etwas nicht“, so Montag. Er reinigt nicht nur Böden und Fenster, sondern auch sämtliche Schränke von innen und außen. „Wenn, dann machen wir das richtig.“

Betreuerin ist nicht für Sauberkeit zuständig

Er freue sich sehr über diese Hilfe, so Peter Modrack. Er ist nach eigenen Angaben 67 Jahre alt, Rentner und lebt seit zwei Jahren in der Notunterkunft. Modracks Haar ist grau und reicht über die Ohren. Er ist unrasiert, trägt Flanellhemd und Trainingshose. Während der Putzaktion sitzt er im Nebenzimmer und raucht. Wenn man ihm zur Begrüßung die Hand gibt, drückt er sie freundlich mit beiden Händen. Er werde sich bemühen, die Zimmer in Zukunft selbst sauber zu halten - „jetzt, wo das Schlimmste weg ist“, sagt Modrack. Er habe eine Betreuerin, die zu ihm komme und Geld bringe, erzählt der 67-Jährige weiter. Er komme zurecht, die Toilette im Treppenhaus sei für ihn gut zu erreichen, so Modrack. Auf die Frage, warum dann solche Flecken in seinen Zimmern seien, kann er keine Antwort geben. Seine Betreuerin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will, sagt, sie sei nicht für die Reinigung der Räume zuständig. „Wie er lebt und ob er sauber macht, ist seine Entscheidung.“

Der Anfang ist getan

In eine Betreuungseinrichtung, wie es Cremer und Sopart vorschlagen, möchte Modrack nicht ziehen. „Bloß nicht! Ich bleibe hier.“ Die Gefahr, dass Modracks Zimmer in einigen Wochen wieder so schlimm aussehen wie vor der Putzaktion, ist den Helfern bewusst. „Aber es muss wenigstens mal ein Anfang gemacht werden“, sagt Jessica Cremer. Den Freiwilligen ist allerdings klar, dass sie solche Reinigungsaktionen nicht regelmäßig organisieren können. „Irgendwas muss sich ändern. Das ist kein Zustand“, so Boris Cremer.

Cremer und Sopart sammeln bis zum 29. Januar wieder Spenden für Köthener Obdachlose. Gebraucht werden vor allem Schuhe, Winterkleidung und Brennholz. Wer sich beteiligen will, erreicht sie unter Tel:. 034909/15 15 88 oder 0177/7 19 62 68. (mz)

Hier rückt Helfer Boris Cremer dem Schmutz mit einem Besen zu Leibe.
Hier rückt Helfer Boris Cremer dem Schmutz mit einem Besen zu Leibe.
Heiko Rebsch Lizenz