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MZ-Serie MZ-Serie: Alles hört auf meine Pfeife

Von Ute Hartling-Lieblang 30.10.2013, 21:56
Eva Bieniek erinnert sich gern an ihre Mutter Else Theuerkorn (M:), die zuletzt Schwimmmeisterin in der Köthener Schwimmhalle war. Rechts: ihr damaliger Chef Gert Werner.
Eva Bieniek erinnert sich gern an ihre Mutter Else Theuerkorn (M:), die zuletzt Schwimmmeisterin in der Köthener Schwimmhalle war. Rechts: ihr damaliger Chef Gert Werner. Repro: rebsch Lizenz

köthen/MZ - Als Eva Bieniek (62), sich kürzlich am MZ-Fotopreisrätsel beteiligte, das die historischen Umkleidekabinen am Köthener Ei, dem früheren Nichtschwimmerbecken, zeigte, wurden bei ihr sofort viele Erinnerungen wach.

Erinnerungen, die sie zum Teil in ihrem Elternhaus in der Köthener Trautmannstraße in einem kleinen Schaukasten aufbewahrt. Es sind Andenken an ihre Mutter Else Theuerkorn, einer kleinen Frau mit starkem Willen, die eine ganz besondere Geschichte erzählen.

Nämlich die einer Rettungstat. Am 14. September 1972 wurde Else Theuerkorn mit der Lebensrettungsmedaille der DDR geehrt. Sie hat damals einen etwa 16-jährigen Jungen im Schachtteich bei Elsnigk vor dem Ertrinken bewahrt.

„Wir hatten in Elsnigk eine Datsche, in der sich die Eltern oft erholt haben. Da hat meine Mutter beobachtet, wie zwei Jungen dort zunächst rumschwammen und einer wenig später um Hilfe rief“, erinnert sich Eva Bieniek. Ihre Mutter sei natürlich hingestürzt und habe den Jungen gerettet.

Es herrschte ein strenger Ton

Die Mutter, Jahrgang 1921, hatte immer ihren Kopf für sich, schildert die Tochter. Sie ließ sich, ganz aus eigenen Antrieb 1956 zur Rettungsschwimmerin ausbilden. Für eine Frau ihres Jahrgangs durchaus nicht alltäglich.

Zunächst setzte sie ihre Fähigkeiten in Ferienlagern der Deutschen Reichsbahn ein. „Mein Vater war bei der Bahn“, erklärt Eva Bieniek, „da ist sie dann privat immer mitgefahren, um die Kinder in den Ferien zu betreuen.“

Ihre ersten Sporen als Rettungsschwimmerin verdiente sie sich aber dort, wo das Rätselfoto entstanden ist, im ehemaligen Stadtbad, heute Köthener Badewelt, berichtete Eva Bieniek. Dort habe sie später immer mal den amtierenden Schwimmmeister vertreten. Auch Tochter Eva war im Stadtbad Dauergast. Beim Schwimmunterricht bei der Mutter, erinnert sie sich, herrschte ein strenger Ton.

Als 1975 die Köthener Schwimmhalle eröffnet wurde, die damals zum VEB Sportstätten gehörte, wurde Else Theuerkorn, die man im Rathaus der Stadt inzwischen gut kannte, gefragt, ob sie nicht als Schwimmmeisterin dort anfangen möchte. Sie stimmte zu und übernahm die verantwortungsvolle Aufgabe unter der Leitung von Gert Werner. Bis zu ihrem Rentenbeginn hat sie dort gearbeitet und jeden Dienstag die Rettungsschwimmerlehrgänge abgenommen.

„Meine Mutter war zwar nicht groß von Wuchs“, schildert die Tochter, aber sie habe so manchen Rüpel, der sie um einige Köpfe überragte, zur Räson gebracht, wenn er es mit den Verhaltensregeln in der Schwimmhalle nicht so genau nahm. Ein schriller Pfiff mit der Trillerpfeife genügte.

"Meine Mutter hat über den Abriss tüchtig geschimpft"

Nicht von ungefähr also gaben die Kinder einem Fotobuch, welches sie über ihre Mutter angelegt haben, den Titel: „Alles hört auf meine Pfeife“. Es zeigt Else Theuerkorn an den verschiedensten Stationen ihrer Laufbahn.

An die Schwimmausbildung bei ihr wird sich vermutlich noch so mancher Köthener erinnern, der heute bereits selbst Kinder oder Enkel hat. Die Arbeit in der Schwimmhalle hat ihrer Mutter sehr viel bedeutet, weiß die Tochter. So sei es vorgekommen, dass die Weihnachts-Ente schon auf dem Tisch stand und alles auf die Mutter wartete, die von der Arbeit in die Schwimmhalle kam.

Als die Halle in der Rüsternbreite im Jahr 2005 abgerissen wurde, haben Else Theuerkorn und auch ihr Mann das sehr bedauert, denn sie waren dort regelmäßig gemeinsam zum Schwimmen.

„Meine Mutter hat über den Abriss tüchtig geschimpft“, erinnert sich Tochter Eva. An die neue Badewelt am Ratswall hat sich Else Theuerkorn nicht mehr so recht gewöhnen können. Die Eltern sind später lieber nach Bernburg in die Schwimmhalle gefahren, die so ähnlich wie die Köthener war. Die wurde nicht abgerissen, sondern saniert.

2009, im Alter von 88 Jahren ist Else Theuerkorn verstorben. Drei Jahre später zogen Eva Bieniek und ihr Mann Hans-Jürgen in das Haus der Eltern in die Trautmannstraße 9. Der Schaukasten, den der Vater zum Andenken an seine Frau angelegt hatte, hat noch immer einen Ehrenplatz.

Andenken der Eltern wird in Ehren gehalten

Die Eheleute Bieniek sind nun, nachdem auch der Vater vor kurzem verstorben ist, dabei, sich das Haus nach ihrem Geschmack einzurichten. Dabei halten sie das Andenken der Eltern in Ehren. Schließlich haben die viele Jahrzehnte dort verbracht, nachdem sie das Haus 1963 gekauft hatten.

Gebaut worden ist es in den 20er Jahren, schätzt Schwiegersohn Hans-Jürgen Bieniek, der sich intensiv mit der Köthener Heimatgeschichte befasst. Bevor das Gelände Bauland wurde, stand dort eine Ziegelei, erzählt er.

Else und Werner Theuerkorn sind beide in der Mittelstraße aufgewachsen, blickt die Tochter zurück. Im sogenannten „Roten Viertel“, wie die Altköthener sagen, weil hier viele SPD-Genossen mit ihrem Familien lebten. Beide waren Mitglied im Arbeiterturnverein und haben gemeinsam viel unternommen. Vielleicht wurde dort ja auch der Grundstein für die spätere Leidenschaft von Else Theuerkorn, das Rettungsschwimmen, gelegt.

Wie sehr auch ihre Kinder sich damit identifiziert haben, zeigt das liebevoll gestaltete Fotobuch zum Andenken an Else Theuerkorn, von dem bereits die Rede war. Ein Foto darf darin natürlich nicht fehlen. Es zeigt jene goldene Schwimmflosse, die die Kinder der Mutter zum 85. Geburtstag geschenkt haben.

Eva Bieniek
Eva Bieniek
rebsch Lizenz