1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Köthen
  6. >
  7. Museumsgespräch zum Maler Hans Dieter Schwarz: Museumsgespräch zum Maler Hans Dieter Schwarz: Präzise und chaotisch

Museumsgespräch zum Maler Hans Dieter Schwarz Museumsgespräch zum Maler Hans Dieter Schwarz: Präzise und chaotisch

Von Steffen Dörre 25.03.2014, 22:15
Aufmerksam verfolgten die Besucher die Ausführungen von Bettina Elze über ihren Vater.
Aufmerksam verfolgten die Besucher die Ausführungen von Bettina Elze über ihren Vater. heiko rebsch Lizenz

KöThen/MZ - „Wir arbeiten im Dunkeln – wir tun, was wir können – wir geben, was wir haben. Unser Zweifel ist unsere Leidenschaft, und die Leidenschaft ist unsere Aufgabe. Der Rest ist der Wahnsinn der Kunst.“ Dieses Zitat des amerikanischen Schriftstellers Henry James stellte Bettina Elze ihrem Museumsgespräch am vergangenen Sonntagnachmittag voran, das sich um Leben und Werk ihres Vaters, des Köthener Malers Hans Dieter Schwarz, drehte.

Glückliche Kindheit im Köthener Kiez

Über 100 Gäste waren in die Schlosskapelle gekommen, um eine sowohl expressionistisch bunte als auch menschlich berührende Facette unserer Stadt kennenzulernen. Über ein Jahr investierte Bettina Elze in die Präsentation. „In Kisten und Kästen, hinter Schränken und Bildern“ fand sich, was sich zum Bild eines Menschenlebens fügte, das „seine glücklichste Zeit als Kind in den 20-er Jahren“ hatte, inmitten vom „Köthener Bahnhofskiez, zwischen Schienen, vier Bahnhöfen, Georgstraße“, Bahnhofshotel und großelterlicher Zahnarztpraxis. Schwarz war ein „bekennender Köthener, leidenschaftlicher Künstler und Kauz.“ „Präzise in der Arbeit, chaotisch im Leben, ging er stets ohne Papiere, das Geld lose in der Tasche, oft im Selbstgespräch vertieft – oder beobachtend“, erzählte Bettina Elze über ihren Vater.

Hans Dieter Schwarz wurde am 27. August 1923 in Köthen geboren.

Ab 1948 war er freischaffender Maler und Grafiker und Leiter des Malzirkels. Es entstanden zahlreiche Porträts, Kinderbuch-Illustrationen, Stadtmotive und Arbeiten im öffentlichen Raum. Diverse Zunftzeichen über Geschäftseingängen, die das Stadtbild zu DDR-Zeiten prägten, stammten ebenfalls aus seiner Hand.

Viele Köthener werden sich an den Künstler noch erinnern, wenn er im Sommer in Jesuslatschen, mit kurzen Hosen und Polohemd durch die Stadt ging. Im Winter sah man ihn mit Baskenmütze und Trenchcoat. Schwarz starb am 25. Januar 1991.

Schwere Erkrankung

Mit elf war die Unbeschwertheit jäh vorbei, Schwarz erkrankte im Jahr 1935 Tuberkulose, zu einer Zeit, in der Hitlers Schergen damit begannen, selbst kranke Kinder als asozial zu brandmarken und für die Volksgesundheit zu töten. Als „Vorzeigepatient“ hatte Schwarz Glück. Für ihn ging es weiter, untauglich für Krieg und viele Berufe, mit vernarbtem Gesicht – und einer künstlerischen Begabung, die ihn in der Kunstakademie zu Leipzig zum Meisterschüler avancieren ließ. Er fand eine friedliche Nische im Weltenbrand: Atelier unterm Akademie-Dach, nackte Frauen und Soldaten in Ausrüstung – bis Bomben Atelier wie Akademie und Werk zerstörten.

Immerhin: die Liebe seines Lebens, Veronika Fritsche, war gefunden, auch wenn sie diese Gefühle nicht so recht erwiderte. Schon früh war Schwarz Meister des Portraits, wie Bettina Elze bildhaft eindrucksvoll belegte. Doch auch die skurrilen Augenblicke des Lebens, menschliche Originale, komische Situationen, hält er fest – nicht nur auf selbstgemalten Postkarten.

Verarbeitung von Kriegs- und Nachkriegszeit

Schwarz verarbeitet kess Kriegs- und Nachkriegszeit. Und er sieht auch die deutschen jungen Frauen, die mit den neuen Herren, russischen Soldaten, anbandeln, während die versehrten, vernarbten, zerlumpten Kriegsheimkehrer vergeblich ersehnen, was andere bekommen: Liebe und Zuneigung. 1946, an der Ostsee, heiratet Veronika ihn schließlich, „barfuß im Standesamt, danach gab es Pellkartoffeln mit einem Hering“.

Verhaftung in der DDR

„Über Menschen konnte er sich amüsieren.“ Das jedoch auch auf eine kritische Weise – zu kritisch für die junge DDR, die ihn verhaften und einsperren ließ. „Das hat ihm die Flügel gebrochen, seine Seele zerstört“, bemerkte die Tochter. Köthen und Kunst bleiben dennoch das Leben für ihn, der – im Inneren verletzt, traurig, zerstört – nach außen doch menschlichen Humor, farbige Strahlkraft und fantasievolle Gedanken an den Tag zu legen vermag, die ihn nicht nur Pressezeichner für ND, Eulenspiegel und „Freiheit“ sein lassen – unter anderem saß er zeichnend für das Sport-Echo an der Seite des moderierenden Heinz Florian Oertel. Mosaike wie die an den Säulen des Café Troika, Wandgestaltungen an der Kaufhalle Süd oder in der Schwimmhalle, Kinderbücher, die, in mehrere Sprachen übersetzt, noch heute mit ihrer liebevollen Buntheit Menschenkinder begeistern können - all das hinterlässt er, als er mit 67 „auf der Straße umfiel, mit dem Einkaufsbeutel in der Hand“.

Neffe und Kammersänger Volker Schwarz umrahmte das Museumsgespräch mit passenden heiter-nachdenklichen Liedern. Die Besucher erlebten einen historischen Nachmittag: interessant, kurzweilig, bunt und mit Herzblut.

Hans Dieter Schwarz
Hans Dieter Schwarz
repro/rebsch Lizenz