1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Köthen
  6. >
  7. Millionen-Verluste bei Risikogeschäften: Millionen-Verluste bei Risikogeschäften: Abwasser-Chef Winkler fristlos entlassen

Millionen-Verluste bei Risikogeschäften Millionen-Verluste bei Risikogeschäften: Abwasser-Chef Winkler fristlos entlassen

Von Matthias Bartl 12.07.2019, 13:56
Da lagen die Probleme noch in weiter Ferne: AZV-Geschäftsführer Thomas Winkler (Mitte) 2016 auf einer Kanalbaustelle im Köthener Ratswall im Kreis von Stadträten und Verwaltungsmitarbeitern.
Da lagen die Probleme noch in weiter Ferne: AZV-Geschäftsführer Thomas Winkler (Mitte) 2016 auf einer Kanalbaustelle im Köthener Ratswall im Kreis von Stadträten und Verwaltungsmitarbeitern. Ute Nicklisch

Köthen - Frank Ressel will nichts sagen. „Wir haben beschlossen“, sagt der Vorsitzende der Verbandsversammlung des Abwasserzweckverbandes (AZV) Köthen am Mittwochabend, „dass wir nichts zu dem sagen, was wir heute Abend beschlossen haben.“

In nicht öffentlicher Sitzung, muss man hinzufügen, obschon es in der Konsequenz um elf Millionen Euro gehen soll, die als Verlust in den Büchern des Verbandes stehen. Die Nichtöffentlichkeit hat allerdings andere Gründe: Es ging um Personalfragen.

Nämlich um die fristlose Kündigung des Verbandsgeschäftsführer Thomas Winkler. Die ist nach MZ-Informationen auf der Sitzung, über deren Beschlüsse nicht gesprochen werden sollte, erfolgt, wenn auch nicht einstimmig. Die Vertreter aus dem Südlichen Anhalt folgten der Ansicht der anderen Verbandsmitglieder nicht. Beschlossen wurde außerdem, auch ein offizielles Abwahlverfahren einzuleiten. Der seit einigen Tagen erkrankte Winkler, dem die Kündigung gestern zugestellt werden sollte, hat eine Frist erhalten, dazu eine Stellungnahme abzugeben. Die MZ hat sich gestern erfolglos um Kontakt zu Thomas Winkler bemüht.

AZV-Chef Thomas Winkler letztlich über Derivatgeschäfte gestolpert

Winkler ist letzten Endes über die von ihm vor etlichen Jahren getätigten Derivatgeschäfte gestolpert, die genau den seit längerem zur Debatte stehenden Verlust hervorgerufen haben sollen. Zu dem Verlust des Abwasserzweckverbandes liegen dem Verband mittlerweile zwei Papiere vor: seit einigen Monaten ein Prüfbericht des Landesrechnungshofes (die MZ berichtete) und seit kurzem auch das Gutachten eines Wirtschaftsprüfungsbüros, das vom Verband in Ergänzung des Rechnungshofsberichts in Auftrag gegeben worden war.

Die Verbandsversammlung, in der Stadt- und Gemeinderäte aus Köthen, dem Südlichen Anhalt, dem Osternienburger Land und der Stadt Bernburg vertreten sind, hat bisher weder den vollständigen Bericht des Landesrechnungshofs vorgestellt, noch das Gutachten der Wirtschaftsprüfer - insofern hat der am Mittwoch erneut gezeigte Unwille der Verbandsversammlung, die Öffentlichkeit detailgenau über Ursache und Wirkungen der Derivatgeschäfte zu informieren, nicht allein personelle oder gar datenschutzrechtliche Hintergründe.

Wahl von Vertretern für Verbandsversammlung geht zunächst schief

Dabei ist vieles gar nicht unter der Decke zu halten gewesen. Der Köthener Stadtrat hatte beispielsweise im nicht öffentlichen Teil seiner konstituierenden Sitzung intensiv über das Thema diskutiert - auch, was die fristlose Entlassung des Geschäftsführers anging. Das Ergebnis war so eindeutig, wie es nur sein kann: Am 2. Juli beschloss der Stadtrat einstimmig, für den 4. Juli eine Sondersitzung der Verbandsversammlung einzuberufen, auf der man die fristlose Entlassung Winklers zur Abstimmung bringen wollte. Dies allerdings ging schief, was allerdings nachvollziehbare Gründe hatte.

Zwar hatte der Stadtrat Köthen am 2. Juli seine Vertreter für die Verbandsversammlung gewählt, aber in Bernburg war dies noch nicht geschehen, auch im Südlichen Anhalt war die Zeit zu knapp dafür, binnen 48 Stunden Vertreter oder deren Stellvertreter für die Sitzung zu „akquirieren“. Lediglich Osternienburg hätte ebenso schnell wie Köthen reagieren können, weil der neue Gemeinderat erst am 22. September gewählt wird. Bis dahin führen die bisherigen Verbandsvertreter ihr Amt weiter.

Stellvertreterin hat Geschäfte des AZV vorerst übernommen

Da aber aus rechtlichen Gründen die Vertreterversammlung binnen 14 Tagen stattfinden muss, nachdem man sich das erste Mal mit dem Gutachten der Wirtschaftsprüfer befasst hat, was am 27. Juni der Fall war, war es zwingend notwendig , bis zum 11. Juli erneut im Rahmen der Verbandsversammlung zusammenzutreffen und Entscheidungen herbeizuführen, die dem Verband gegebenenfalls zivilrechtliche Schritte ermöglichen.

Immer wieder ist, wenn es im Verband oder im Köthener Stadtrat um das Thema ging, von Regressansprüchen gegenüber dem Geschäftsführer die Rede gewesen. Nicht zuletzt dank Stadtrat Werner Müller (Linke, später BI/WLS, heute IG), der das Derivatproblem gemeinsam mit dem inzwischen verstorbenen Stadtrat Hajo Scholz auf die Tagesordnung brachte und sich schon Anfang 2017 vehement gegen Winklers Wiederwahl zum Verbandsgeschäftsführer aussprach.

Die Geschäfte im Abwasserzweckverband werden derzeit durch Winklers Stellvertreterin fortgeführt. Ob das eine Lösung von längerer Dauer sein wird, ist offen. Dem Vernehmen nach hat es wohl schon Bemühungen gegeben, den Verband dadurch personell zu stärken, dass man einen externen Verantwortlichen hinzuzieht, der von der Profession her in das notwendige Geschäftsführerprofil passen könnte. Was eigentlich nur bedeuten kann, dass die Midewa dem Verband diesbezüglich unter die Arme greifen soll. (mz)