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Mildes Wetter Mildes Wetter: Bienen auf Toilettenflug

Von wladimir kleschtschow 08.01.2014, 19:26
Franz Tellensky schaut regelmäßig bei seinen Bienen vorbei. In den letzten Tagen herrscht hierein lebhafter Betrieb - allerdings bei weitem nicht so intensiv wie im Sommer.
Franz Tellensky schaut regelmäßig bei seinen Bienen vorbei. In den letzten Tagen herrscht hierein lebhafter Betrieb - allerdings bei weitem nicht so intensiv wie im Sommer. Heiko Rebsch Lizenz

Köthen/cösitz/MZ - Summ, summ, summ, Bienchen summt herum. Bei dem milden Wetter mit zweistelligen Plusgraden kann diese in einem Kinderlied beschriebene Szene auch jetzt, mitten im Winter, beobachtet werden. Denn das milde Wetter lockt die Bienen aus ihren Beuten. „Sie fliegen“, sagt Franz Tellensky. Der erfahrene Imker geht regelmäßig zu seinen Bienenstöcken, um nach dem Rechten zu sehen, und beobachtet die verstärkte Aktivität der nützlichen Insekten.

Doch dass die Bienen fliegen, bedeutet noch nicht, dass sie die Honigproduktion aufgenommen haben. Zum einen fehlen dafür blühende Landschaften. Zum anderen ist der Zweck, zu dem die Bienen ihre Beuten verlassen, eigentlich ein anderer. „Es sind Reinigungs- flüge, die sie unternehmen“, weiß Tellensky. „Solche sind ab einer Außentemperatur von zehn, zwölf Grad normal.“

Bienen wärmen sich gegenseitig

Ein Reinigungsflug bedeutet für eine Biene das, was für einen Menschen ein Toilettengang ist: Sie entleert ihren Verdauungstrakt. Im Gegensatz zu den Menschen haben die Bienen diese Möglichkeit im Winter in unseren Breiten eben nur bei milden Lufttemperaturen. Wenn es draußen kalt wird, müssen sie in ihrem Quartier bleiben. Hier bilden sie eine Traube, in der sie sich gegenseitig wärmen. „Die Temperatur in einer Beute liegt auch jetzt bei 30 Grad“, erklärt der Cösitzer Imker.

Wenn Bienen wegen Kälte nicht raus können, dann verkneifen sie sich eben den Toilettengang - notfalls für die Dauer des gesamten Winters. „Die Bienen sind ordentliche Wesen und halten die Beuten sehr sauber , so Tellensky. „Die Beuten sind sogar steril: Es gibt darin keine Bakterien.“

Verständlich also, dass die sauberen Insekten ihren Kot nicht im Quartier ausscheiden, sondern warten, bis es draußen mild genug ist. Dann freuen sie sich über die langerwartete Möglichkeit und nutzen sie - trotz der langen Enthaltsamkeit nicht alle auf einmal, sondern diszipliniert der Reihe nach.

Danach kehren sie umgehend in die Beute zurück. Nektar und Blütenpollen sammeln werden sie viel später. „Haselnuss-Büsche sind die ersten Pflanzen, die dafür geeignet sind,“ so Tellensky. „Doch sie blühen erst im Februar. Und dann ist es vielleicht schon wieder zu kalt, so dass die Bienen nicht raus können.“

Verstärkte Aktivität der Bienen

Auch der Köthener Imker Hans-Jürgen Ehrlich berichtet von verstärkter Aktivität seiner Bienen. Dass sie ihre Kot-Blasen leeren können, findet er gut. Sorgen macht sich der Imker allerdings, weil das milde Wetter bei den Bienen offenbar auch andere Instinkte weckt. „Das Blöde ist, sie denken, es ist nun schon Frühling, und fangen an, Brut zu produzieren“, beobachtet der Imker. „Wird es dann wieder kalt, kann es passieren, dass sowohl die Brut als auch die Bienen sterben.“ Das weiß Ehrlich aus eigener bitterer Erfahrung. „Im vergangenen Jahr wurde es im März nach einer milden Periode plötzlich wieder winterlich kalt“, erinnert er sich. Die Bienen müssen in solchen Fällen sich und die Brut wärmen. Fressen können sie dann nur Futter aus den Waben, die in unmittelbarer Nähe liegen. Sind diese leer, hungern die Bienen, obwohl Futter in anderen Waben noch vorhanden ist. Dauert die Kälte länger, können sie und die Brut sterben.

„Im vergangenen Jahr habe ich auf diese Weise zwei Völker verloren“, sagt Hans-Jürgen Ehrlich. Und hofft natürlich, dass sich die Geschichte in diesem Jahr nicht wiederholt.