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Mehrere Räume gesperrt Mehrere Räume gesperrt: Naumann- und Ratkeschule in Köthen sind mit Naphthalin belastet

Von Matthias Bartl 06.12.2019, 15:06
Die Aula der Köthener Ratkeschule ist seit Wochen menschenleer. Der Raum ist stark naphthalinbelastet und muss verschlossen bleiben.
Die Aula der Köthener Ratkeschule ist seit Wochen menschenleer. Der Raum ist stark naphthalinbelastet und muss verschlossen bleiben. Ute Nicklisch

Köthen - Quizfrage: Was verbirgt sich hinter C10 H8 ? Antwort: Jede Menge Ärger. Jedenfalls trifft dies derzeit auf die Köthener Stadtverwaltung zu, denn sie verwaltet auch die Naumannschule und die Ratkeschule. Und die sind - zumindest in Teilen - davon betroffen, dass dort C10 H8 eben Ärger macht.

Also Naphthalin. Ein aromatischer Kohlenwasserstoff mit charakteristischem Geruch nach Mottenpulver oder Teer. Naphthalin ist als „krebsverdächtig“ eingestuft, es gibt Grenz- und Richtwerte. Die waren und sind in einigen Räumen der beiden Schulen in einem Maße überboten worden, dass nur die Schließung der Räume übrig blieb. Und dass man intensive Überlegungen anstellen muss, wie das Problem in den Griff zu bekommen ist.

Ein Thema, zu dem Schulamtsleiterin Birgit Schlendorn jüngst im Sozialausschuss wenig Erfreuliches mitzuteilen hatte. Im Anbau der Naumannschule tragen mehrere Räume das Naphthalin-Stigma, zwei Klassenräume, zwei Vorbereitungsräume, wie Sven-Henning Schlömp, Chef des städtischen Hoch- und Tiefbauamtes, erläutert. Aufgefallen war die Belastung durch den typischen Geruch, die fällige Beprobung folgte und dann die Beseitigung der Naphthalinquelle.

Betonboden musste durch eine Spezialfirma abgefräst werden

Die umfangreicher und schwieriger war als gedacht: „Die beiden Vorbereitungsräume waren seinerzeit auf dem ehemaligen Vordach aufgesetzt worden. Und beim Abbruch des Fußbodens stellten wir fest, dass das Dach noch darunter lag.“ Und wenn man Dach sagt, meint man in diesem Fall Dachpappe, die im Verdacht steht, die Quelle der gesundheitsschädlichen Dämpfe zu sein.

Betonboden und fest damit verklebte Pappe mussten letztlich durch eine Spezialfirma abgefräst werden - unter erheblichen Sicherheitsvorkehrungen, bis hin zum Aufbau eines Unterdruckbereiches samt Schleuse. Filtermatten und Staubabsaugung. „Das war nicht ganz preiswert, aber nicht zu ändern“, sagt Schlömp.

Inzwischen ist die Arbeit erledigt, eine weitere Kontrollmessung wurde durchgeführt, deren Ergebnisse noch nicht vorliegen. Frank Parreidt vom Hoch- und Tiefbauamt hat aber zumindest schon mal die Nasenprobe in den sanierten Räumen durchgeführt: „Das war geruchlich ganz anders als vorher.“ Im März oder April, denkt Parreidt, werde man mit der Wiederherstellung der Räume fertig sein.

„Wir können nicht sicher sagen, woher das Naphthalin kommt“

Dass man das Naphthalin-Problem nicht vor einigen Jahren erkannt und behoben hat, als die Naumannschule grundlegend überholt wurde, erklärt sich von selbst: Der Anbau war damals nur teilweise in die Sanierungsarbeiten einbezogen worden. „Die Fußböden im Anbau waren als nicht sanierungsbedürftig eingeschätzt worden“, erinnert sich Parreidt. Insofern habe man das Problem nicht erkennen können.

In der Ratkeschule hingegen ist der Kummer mit dem Naphthalin keine Überraschung. Überraschend ist vielmehr, dass genau dort, wo man schon einmal eine Naphthalinbelastung mit baulichen Mitteln beseitigt hatte, ebendiese Belastung wieder aufgetreten ist.

Was dem Team um Schlömp Sorgenfalten auf die Stirn zaubert: „Weil wir nicht sicher sagen können, woher das Naphthalin kommt“, sagt der Amtsleiter. Man hatte 2011, als die erste Naphthalinsanierung abgeschlossen war, durch ein spezialisiertes Ingenieurbüro Kontrollmessungen in den sanierten Bereichen vornehmen lassen „und die Werte waren top“.

Kommt das Naphthalin vom Dach der Ratkeschule?

Umso mehr ist man irritiert, dass acht Jahre später genau dort wieder Naphthalinbelastungen auftreten: in der Aula und im Speisesaal. Man habe eine Vermutung, wo das Gas herkommt: „Aus dem Dach.“ Proben wurden genommen, Ergebnisse liegen noch nicht vor, insofern ist die Variante „Dach“ noch nicht bestätigt.

Sollte sie sich jedoch bestätigen, wäre das fatal, bewertet Schlömp die Situation. Dies bedeute, dass das Naphthalin vom Dach durch eine Betonschicht bis in die darunterliegenden Räume vorgedrungen sei. Dann müsse man nicht nur das Dach sanieren, „dann muss der ganze Beton darunter auch raus“.

Am mit Naphthalin belasteten Landkreisgebäude wird ein neues Verfahren ausprobiert

Verständlich, dass man auf technische Hilfe setzt, die wenigstens zeitweise Besserung schaffen könnte. Am ebenfalls mit Naphthalin belasteten Landkreisgebäude wird demnächst ein neues Verfahren der TH Ilmenau ausprobiert: Bei dem per Katalysator das Naphthalin - sehr vereinfacht gesprochen - quasi aus der Luft gefiltert werden soll. Schlömp hofft, die Ilmenauer dazu zu bringen, sich auch die Ratkeschule anzusehen und das Verfahren auch hier anzuwenden. Vielleicht ergebe sich ja so eine Lösung, die der Stadt Zeit verschafft zum Überlegen, wie es mit der Ratkeschule weitergehen soll.

Denn zwar sind die Sorgen von Eltern, die einen Abriss der Schule befürchten, aktuell unbegründet, aber auf lange Sicht gesehen wird man ganz nüchtern und ökonomisch fundiert abwägen müssen, wohin die Reise mit der Schule geht, wissen Sven-Henning Schlömp und Birgit Schlendorn - ob eine Grundsanierung Sinn macht oder man besser über einen Neubau nachdenken sollte. (mz)