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Mauseturm Gröbzig Mauseturm Gröbzig: Bonbons auf Zithersaiten

Von matthias bartl 21.04.2014, 17:09
Beobachtungsposten einst und jetzt: Ganz oben im Gröbziger Mauseturm.
Beobachtungsposten einst und jetzt: Ganz oben im Gröbziger Mauseturm. Heiko Rebsch Lizenz

gröbzig/MZ - Gut möglich, dass die Reaktionen früher anders ausgefallen sind. Erfreuter. Überraschter. In der hohen Zeit des Theaters im Gröbziger Mauseturm dürften Süßigkeiten für Kinder auch eher zu den Seltenheiten gezählt haben, die es allenfalls am Geburtstag gab oder zu Weihnachten. Anders als heute, wo man Schokolade schon zur Grundnahrung rechnen muss. Insofern verwundert es nicht, dass am Sonnabend, als der Heimatverein den Mauseturm wieder einmal für Besucher geöffnet hatte, das „Geheimnis“ im Märchenzimmer am meisten die Erwachsenen begeisterte. Die einen, weil sie so etwas noch nicht erlebt hatten. Die anderen, weil für sie der Mauseturm eine Erinnerung an die Kindheit ist - wozu natürlich auch die Theateraufführungen und deren geheimnisvolles Ende gehörten.

Auf alle Fälle hatte der Heimatverein viel Zuspruch am Ostersamstag, wie Vorsitzender Otto Kappes mit Befriedigung registrierte. Kappes selbst trug nicht unwesentlich dazu bei, den Gästen auf den verschiedenen Etagen die dort vorhandenen Schätze und Relikte aus der Gröbziger Vergangenheit nahezubringen. Und man darf sich umso mehr freuen, dass es wenigstens gelungen ist, den Turm zu erhalten, wo doch das Schloss des Ortes abgetragen wurde, nachdem es die Dessauer Fürsten erst erwarben, aber dann nicht mehr benötigten. Wenn Kappes im Märchenzimmer, das es nur auf eine lichte Höhe von 1,50 Meter bringt, aus der Geschichte erzählt, dann hört sich manches zwar legendenhaft an, lässt sich aber mit Fakten und Quellen belegen. Zum Beispiel, dass der Mauseturm vor 700 oder 800 Jahren einst eine Kombination aus Fluchtburg und Verlies war und ohne Treppen heutiger Bauart auskam. Den oberen Teil (das bekannte Oktogon gab es im Mittelalter noch nicht) erreichte man über Steigmöglichkeiten, die an das Gleichgewicht der Fluchtburgbesatzung einige Ansprüche gestellt haben dürfte. Selbst als -schon im 20. Jahrhundert übrigens - zwei Familien im Turm wohnten , gab es immer noch keine richtigen Treppen, kein Wasser, keinen Strom.

Auch das hätte einen Abriss des Turmes durchaus befördern können. Insofern war es sicherlich sehr hilfreich, dass nach dem Zweiten Weltkrieg der Lehrer Herbert Ehrhardt vehement darauf drängte, den Turm leicht begeh- und nutzbar zu machen. Er schrieb Bettelbriefe und wurde bei jedem vorstellig, der hätte helfen können - und war erfolgreich. „Hunderte Schüler waren jeden Tag hier drin“, erinnert sich Kappes an die zahlreichen schulischen Arbeitsgemeinschaften, die hier lange Jahre tätig waren. Kappes selbst kann für sich und andere Gröbziger in Anspruch nehmen, nach der Wende „als hier alles verlotterte“ in Ehrhardts Fußstapfen getreten zu sein und als Heimatverein den Turm übernommen zu haben.

Und ihn mit Leben zu erfüllen. Dafür war der Samstag einmal mehr Beweis - vom Eingangsbereich bis zum Oktogon gab es viel zu sehen und zu erleben. Darunter auch das Lüften des Geheimnisses: Nach Ablauf der Vorstellung wurde an einem Hebel gezogen, eine in der Decke befindliche Klappe öffnete sich, gab eine handvoll Bonbons frei, die (am Sonnabend jedenfalls) auf die Saiten einer Zither fielen und dabei für geheimnisvolle Geräusche sorgten. Und für Freude bei den Besuchern.