Mauer statt Kirchturm Mauer statt Kirchturm: Wohnungsgesellschaft Köthen hat Fenster und Balkone zugemauert

Köthen - Hollywoodschaukel, Orangenbäume, Lichterkette und ein romantischer Blick über die Stadt bis zur Kirche und dem Rathaus: So sahen viele Sommerabende in der Loggia von Henry Günther aus. Jetzt versperrt eine massive Steinmauer ihm nicht nur die Aussicht, sondern verdunkelt damit auch seine gesamte Wohnung in der Magdeburger Straße 37. Denn direkt vor seiner Terrasse baut die Wohnungsgesellschaft Köthen.
Eigentlich war es keine Überraschung, als Henry Günther die Mauer vergangene Woche erblickte. „Ich wusste ja bereits, dass es so kommen würde und ich habe die Bauarbeiten immer beobachtet“, erzählt der Köthener. Dennoch mache ihn der Blick auf die Mauer vor allem traurig. Die Loggia war immer das Herzstück seiner einhundert Quadratmeter großen Wohnung, jetzt sei ihr „die Seele genommen“ worden.
„Nun gibt es nur noch notdürftig Licht von oben, wenn es bewölkt ist, ist es richtig dunkel“, beklagt der Mieter. Wie ein gläserner Würfel liegt die Loggia mitten in seiner geräumigen Wohnung im Dachgeschoss, das meiste Tageslicht stammt von dort.
Vermieter wollte bereits vor Baubeginn rechtlich gegen den Bau vorgehen
„Als ich 2008 hier eingezogen bin, habe ich die Wohnung vor allem gemietet, weil sie eine so tolle Terrasse hatte“, erzählt Henry Günther, doch das habe sich nun erledigt. So bald wie möglich will er ausziehen - wahrscheinlich nach Leipzig. Denn: In Köthen sei es schwer, eine so schöne Wohnung noch einmal zu finden.
Doch was für Außenstehende unglaublich scheint, ist tatsächlich rechtens - die Wohnungsgesellschaft Köthen hat eine Baugenehmigung und darf auch Fenster, Balkone oder eben die Loggia von Henry Günther zubauen.
Als Günthers Vermieter bereits vor Baubeginn rechtlich gegen den Bau vorgehen wollte, habe es geheißen, die Lichtzufuhr zur Loggia würde lediglich um 15 Prozent verringert - einen Anspruch auf einen schönen Ausblick hingegen gebe es nicht, erinnert sich Henry Günther. Einziges Zugeständnis: Das Obergeschoss des Neubaus überragt das Dach des bisherigen Gebäudes „nur“ noch um 30 - nicht wie ursprünglich geplant um 70 Zentimeter.
Bei anderen Bewohnern wurden Fenster zugemauert
Doch nicht nur Henry Günther ärgert sich. Bei anderen Bewohnern wurden Fenster zugemauert, auch von anderen Balkonen ist keine schöne Aussicht mehr zu genießen. Evelyn Schwertfeger ist Vermieterin einer dieser Wohnungen und fordert nun Schadenersatz.
„Ich habe mir das Geschehen angeschaut und finde es sehr beeinträchtigend und rücksichtslos“, erklärt sie, natürlich sei das Recht auf der Seite der Wohnungsgesellschaft, aber viel Ärger wäre zu vermeiden gewesen, hätte man zumindest ein Stockwerk weniger gebaut. „Das ist in meinen Augen einfach Selbstsucht und Raffgier“, betont Schwertfeger, die Wohnungen dort seien nun nahezu nicht mehr vermittelbar und das hätte nicht sein müssen.
Schwertfeger gibt aber auch zu bedenken, dass die Häuser in der Magdeburger Straße 37/38 so wahrscheinlich eigentlich gar nicht hätten genehmigt werden dürfen: „Die Fenster hätten eigentlich gar nicht zum Nachbargelände hinausgehen dürfen“, vermutet Schwertfeger.
„Wir werden die Planungsbehörde des Landkreises auf Schadenersatz verklagen“
Für sie, die eine Wohnung mit Balkon vermietet, dem nun ebenfalls ein großer Teil der Aussicht versperrt wird, bleibt nur ein schwacher Trost: „Wir werden die Planungsbehörde des Landkreises auf Schadenersatz verklagen“, kündigt sie an, schließlich seien die Wohnungen nahezu nicht mehr nutzbar.
Diese Form der Rücksichtslosigkeit von Seiten der Wohnungsgesellschaft „als direkte Tochter der Stadt“ sei aber einfach „eine Schande“, ärgert sich die Vermieterin.
David Rieck, Geschäftsführer der Wohnungsgesellschaft Köthen, wollte sich zu der Angelegenheit hingegen nicht äußern. An gleicher Stelle habe schon einmal ein Objekt gestanden, es sei immer ein Risiko, an der Grenze zu bauen, betonte er. Vor allem wolle er die Problematik nicht über die Presse austragen, die Anwohner könnten das persönliche Gespräch mit ihm suchen. (mz)
