Lebensweg in Drosa Lebensweg in Drosa: Zwischenstation Leipzig

drosa/MZ - Torsten Lingner hat einen ziemlich mutigen Lebensweg eingeschlagen. Vor fast 20 Jahren ging der Droaser als Entwicklungshelfer nach Ecuador. Seit etwa eineinhalb Jahren nun lebt er mit seiner lateinamerikanischen Familie in Leipzig.
Die Drosaer waren natürlich neugierig auf seine zahlreichen Erlebnisse. So organisierte der Gemeindekirchenrat um seinen Bruder Axel Lingner einen Vortrag über das Leben und Arbeiten in Latein-und Mittelamerika. „Die meisten von Euch kennen mich sicherlich noch“, begann Torsten Lingner. Viele Interessierte hatten sich dazu eingefunden. Mit ein paar Bildern aus seiner Kindheit in Drosa baute Lingner sofort eine vertraute Atmosphäre auf. „Eigentlich habe ich in Gardelegen Landtechnik gelernt“, erzählte Lingner. Später studierte er Umwelttechnik und arbeitete in einem Ingenieurbüro in Berlin. Eines Tages bekam er das Angebot, die Planung der Trinkwasserversorgung sowie der Abwasser- und Abfallentsorgung in Ecuador unter seine Fittiche zu nehmen. Viele seiner Freunde waren bereits gebunden, er jedoch war mit 29 Jahren vogelfrei und nahm die Stelle an. „Aber immer mit der Option, zurück zu kommen.“
Crashkurs in Spanisch
Sein Hab und Gut teilte er fix unter Freunden und Verwandten auf und meinte: „Wenn ich nach einem halben Jahr nicht zurück bin, gehört alles Euch.“ Schnell wurde ein Crashkurs in Spanisch an der Volkshochschule absolviert. Der reichte für ein „Guten Tag“ oder eine Bestellung im Restaurant. Mühsam kämpfte er sich ohne weitere Kenntnisse in der Amtssprache Spanisch durch. Ein halbes Jahr später dagegen sah alles ganz anders aus. Der Deutsche fühlte sich in der Ecuadorianischen Hauptstadt Quito wohl, und auch die Sprache war ihm inzwischen geläufig. So beschloss er, länger dort zu bleiben. Schnell passte sich der Drosaer an die dortige Mentalität und das ewige Frühlingsklima in Quito an. Ungewöhnlich für ihn sei das gleichbleibende Einbrechen der Dunkelheit, da das Land direkt von der Äquatorlinie durchkreuzt wird.
Nach einigen erfolgreichen Projekten für die Consultingfirma wechselte Lingner zum Deutschen Entwicklungsdienst (DED - siehe „Details“) nach Manta, einer Stadt direkt an der Pazifikküste. Sein Arbeitsort war nun der Tropische Regenwald, wo er die Müllentsorgung komplett neu aufbaute. Neben herrlichen Landschaftfotos bekamen die Besucher seines Vortrags so auch Bilder von Müllkippen mit darin wühlenden Schweinen zu sehen. So machte er deutlich, mit welchen Problemen er dort zu kämpfen hatte. Auch privat hatte sich der Europäer gut in dem subtropischen Gebiet eingelebt, zumal inzwischen die hübsche Ecuadorianerin Vilma seine Wege kreuzte. Mit ihr baute er direkt an der Küste ein „Häuschen“ und heiratete sie im Jahre 1999, wie es sich dort so gehört, im eigenen Haus. Lange ließ der Nachwuchs auch nicht auf sich warten. Zu Vilmas zehnjähriger Tochter aus einer vorherigen Beziehung gesellte sich ihr gemeinsames Söhnchen Max.
Die Mitarbeit beim DED war zeitlich begrenzt. 2003 gründete Torsten Lingner deshalb sein eigenes Ingenieurbüro in Manta. Dabei erstellte er unter anderem Lärmpläne für Holzfabriken oder erarbeitete Projekte zur Behandlung von Fischabfällen und Abwässern. Zusätzlich kurbelte er eine Partnerschaft zwischen einer dortigen Universität und der Hochschule Anhalt in Köthen an. Neben seiner eigentlichen Arbeit agierte er als Dozent für Umwelttechnik.
"Kinder sollen hier eine gute Schulbildung genießen"
Nach ein paar Jahren warf die eigene Firma nicht mehr genügend ab. Torsten Lingner nahm erneut eine Stelle beim Deutschen Entwicklungsdienst an. Sein Tätigkeitsbereich jedoch sollte nun Guatemala (Zentralamerika) sein. Wieder packte der rastlose Drosaer die Koffer und zog samt Familie um. Zudem war zu dieser Zeit ein neues Familienmitglied, Töchterchen Marianne unterwegs. Ihr Haus in Manta wurde kurzerhand an einen Amerikaner vermietet.
Bei einem späteren Besuch in Drosa schauten sich die Lingners schon nach einem neuen Zuhause in Deutschland um. „Die Kinder sollen hier eine gute Schulbildung genießen“, erklärte er. Vor etwa eineinhalb Jahren zogen die sonnenverwöhnten Lingners nach Leipzig. Tochter Valeria allerdings blieb in Guatemala und heiratete dort. Torsten Lingner arbeitet derzeit am Bildungs-und Demonstrationszentrum für dezentrale Abwasserbehandlung in Leipzig. Dort betreut der 48-Jährige wieder Projekte im Ausland. Doch auch Leipzig, so weiß Lingner ziemlich genau, soll nicht die letzte Stelle gewesen sein. „So etwa in vier Jahren werden wir wieder zurück ins Warme gehen“, sagte Lingner fast so, als wäre das alles ganz selbstverständlich. „Nach 17 Jahren Lateinamerika sechs Monate Sibirien in Deutschland, das war für uns letztes Jahr ein echter Schock.“
Weil er nicht alles schaffte, was er berichten wollte, wird Torsten Lingner noch einen zweiten Vortrag halten, dann zu Guatemala.