Kritik vom Kreis an Umgang mit Karin Ritter Kritik vom Kreis an Umgang mit Karin Ritter: Stadt Köthen will Obdachlosenbetreuung überdenken

Köthen - Nein, Köthens Oberbürgermeister Bernd Hauschild will mit dem Landkreis nicht Pingpong spielen. Pingpong, was die Vorwürfe angeht, die Landrat Uwe Schulze und sein Vize Bernhard Böddeker dem Stadtoberhaupt in Sachen Obdachlosenunterbringung und speziell in Sachen Karin Ritter gemacht hatten.
Hauschild will den Ball nicht zurückspielen, auch nicht, was die Vorwürfe des Landrats hinsichtlich der Fasanerie oder KKM angeht. Er wolle aber, dass der Landkreis die Aufgaben erledigt, die er in der Obdachlosen-Angelegenheit hat „und was er selbst in seinem Schreiben an die Stadtverwaltung zusammengefasst hat“.
Offen bleibt, ob das Prinzip „Freiwilligkeit“
Wenn der Sozialhilfeträger, also der Landkreis, schon nicht verpflichtet sei, eine Wohnung für die bekannteste Obdachlose der Region selbst anzubieten, dann solle er tun, was er kann: „Die Auswertung von Inseraten, die Vorsprache bei Wohnungsbaugesellschaften, Anschreiben an Vermieter vorbereiten, schriftliche Bewerbungen ebenso, Hilfe beim Ausfüllen von Bewerbungsverfahren, Begleitung bei Wohnungsbesichtigungen und Hilfe bei der Organisation des Umzuges“, liest Hauschild aus dem Schreiben des Landkreises vor.
Ob der Landkreis davon schon etwas in der Hinsicht unternommen habe, um der 65 Jahre alten Karin Ritter statt des Status einer Obdachlosen den einer Mieterin zu verschaffen, bleibt dabei offen.
Wie ebenso offen bleibt, ob das Prinzip „Freiwilligkeit“, auf das der Landkreis setzt, wenn es um die soziale Betreuung Obdachloser geht, tatsächlich funktionieren kann in solchen Fällen. Hauschild stellt dazu rhetorische Fragen: „Wie viele Fälle sind in einem Jahr durch das Sozialamt mit Hilfsangeboten angeschrieben worden? Wie viele davon haben sich nicht zurückgemeldet?“ Er tippe auf 90 Prozent, wenn es um die zweite Frage geht.
„Es geht nicht um Papier, es geht um Menschen“
Stephanie Behrendt, seit kurzem zuständige Dezernentin der Stadtverwaltung, sieht die Freiwilligkeit, auf die der Landkreis pocht, nicht als die Ultima Ratio: „Es geht nicht um Papier, es geht um Menschen“, sagt sie. Darunter nicht wenige, die ohne Unterstützung gar nicht in der Lage seien, ihre Probleme und ihre Hilfsbedürftigkeit behördenkonform zu formulieren.
„Das kann man schon gar nicht von denjenigen erwarten, deren psychosoziale Struktur angegriffen ist.“ Nicht selten spielten auch Fragen der Abhängigkeit, der Suchterkrankung hinein - „da muss die Zielrichtung eine andere sein als bei gesunden Menschen“, findet die Dezernentin.
Der Landrat, sagt Hauschild, mache es sich aus seiner Sicht zu einfach: „Ich glaube nicht, dass die Angelegenheit wirklich für ihn erledigt ist, wenn er nicht sozialbehördlich im ersten Anlauf helfen kann.“ Wenn die Freiwilligkeit nicht greife, „sind die Mittel nicht zu Ende“, unterstreicht Stephanie Behrendt und verweist auf den Weg zum Amtsgericht, um auf diese Weise eine Betreuung zu veranlassen.
Eine Arbeitsgruppe soll erarbeiten, „wie mit Obdachlosen in Zukunft umzugehen ist“
Unstrittig sei, so Hauschild, dass auch die Stadt in der Vergangenheit Fehler gemacht habe bei der Unterbringung von Obdachlosen, die erkennbar schon aus medizinischen Gründen nicht in die Augustenstraße gehört hätten, „sondern in ein Krankenhaus“. Oder eine Pflegeeinrichtung. Auch unter den drei Leuten, die derzeit untergebracht sind, gebe es Menschen, die medizinischer und psychosozialer Betreuung bedürften. Sie müssten durch die Sozialbehörde entsprechend begutachtet werden.
Unabhängig davon, was der Landkreis unternehme oder nicht, will die Stadt jetzt Klarschiff machen, was die konzeptionelle Seite der Obdachlosenunterbringung angeht. Eine Arbeitsgruppe soll erarbeiten, „wie mit Obdachlosen in Zukunft umzugehen ist“, sagt Hauschild. Dabei sollen Langzeitobdachlose und Leute, die nur kurz untergebracht würden, differenziert betrachtet werden. Es würden verschiedene Wohn- und Unterbringungsmodelle geprüft „und dabei kommt natürlich auch unsere Satzung mit auf den Prüfstand“.
„Wir haben Ansätze und werden in der Angelegenheit nicht warten, ob oder bis der Landkreis reagiert“
Die Arbeitsgruppe sei eine reine Verwaltungsangelegenheit, betont der OB, aber auch, dass man das Sozialamt des Landkreises gern einbinden würde. Nicht zuletzt, weil man der sozialen Seite größere Bedeutung zumesse als der ordnungsrechtlichen. „Die stößt hier an Grenzen.“
Was Karin Ritter angeht, so werde sie demnächst eine neue Einweisungsverfügung in die Obdachlosenunterkunft erhalten. Die Verfügung gelte für einen Monat. In diesem Zeitraum solle sich der Kreis um genau die Dinge kümmern, die er im erwähnten Schreiben an den OB aufgelistet hat, sagt Hauschild. Der unabhängig davon sicher ist, dass es eine Lösung geben werde. „Wir haben Ansätze und werden in der Angelegenheit nicht warten, ob oder bis der Landkreis reagiert.“ (mz)