„Talk am Turm“ in Köthen Krieg in Ukraine: Ex-SPD-Innenminister Hövelmann fordert Sonderstatus für Donezk, Lugansk und Krim
Bei einer Debatte in Köthen stellt er seine Positionen zum Krieg in der Ukraine klar. Dabei schreckt auch auch nicht davor zurück, die Ergriffenen Maßnahmen der Bundesregierung zu kritisieren. Was er stattdessen vorschlägt.

Köthen/MZ - Hoher Besuch beim Diskussionsformat „Talk am Turm“: Der ehemalige Landesinnenminister und amtierende Landtagsabgeordnete Holger Hövelmann war am Montag zu Gast beim SPD-Ortsverein Köthen, um über den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine zu reden. Eingeladen habe man Hövelmann zu diesem Thema aufgrund seiner Expertise als Europapolitischer Sprecher der Landtagsfraktion, sagte der Vorsitzende des Ortsvereins, Sascha Ziesemeier.
Gleich zu Beginn machte der Gast klar, dass auch er von der russischen Aggression „entsetzt“ sei. „Nicht in schlimmsten Träumen“ habe er damit gerechnet, dass sich ähnliches in der heutigen Zeit ereignen könne. Zwar habe es auch in den zurückliegenden Jahrzehnten immer wieder Kriege gegeben, aber eben nicht in einer solchen Nähe wie jetzt: Kiew sei weniger weit entfernt als Mallorca, verdeutlichte der Landespolitiker.
Über das beschlossene Sondervermögen in Höhe von rund 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr sei er „nicht glücklich“
Einfache Antworten hatte Hövelmann am Montag nicht im Gepäck. Dennoch schälte sich in seinen Äußerungen eine Position gegenüber der aktuellen Politik der Bundesregierung heraus. „Ich bin mir nicht sicher, ob es das Richtige ist, alles über Bord zu werfen, was seit Jahrzehnten selbstverständlich war“, sagte er mit Bezug auf die Abrüstungs- und Entspannungspolitik der Wende- und Nachwendejahre.
Über das beschlossene Sondervermögen in Höhe von rund 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr sei er „nicht glücklich“, sagte der Landtagsabgeordnete. Die 100 Milliarden hätten auch beim Köthener Ortsverein „für Kopfschütteln gesorgt“, sagte Sascha Ziesemeier, zumal sich die grundsätzlichen Einsatzziele der Bundeswehr nicht geändert hätten.
Einerseits moralischen und andererseits wirtschaftlichen Ansprüchen genügen
Grundsätzlich habe man es beim Krieg in der Ukraine mit dem Problem zu tun, diesen Punkt betonte Hövelmann mehrmals, einerseits moralischen und andererseits wirtschaftlichen Ansprüchen genügen zu müssen. Das zeige sich etwa an Sanktionen gegen Russland: Zwar besitze man damit einen Hebel, um Druck auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin aufzubauen.
Jedoch träfen diese Sanktionen auch Deutschland. „Was ist an wirtschaftlichen Folgen verkraftbar“, fragte Hövelmann in die Runde der Anwesenden, ohne selbst eine Antwort zu liefern. Gerade in Sachsen-Anhalt sei die Abhängigkeit von russischen Rohstoffen jedoch besonders groß, führte der Politiker aus, da sich in dem Bundesland mit den Leunawerken und den Stickstoffwerken Piesteritz zwei Hauptabnehmer befänden, die ohne russische Importe „morgen zumachen müssten“, sagte Hövelmann.
Das Ziel eines Friedens müsse ein Sonderstatus für Donezk, für Lugansk und „eigentlich“ auch für die Halbinsel Krim sein
Während diese Feststellung von den Anwesenden nicht weiter in Frage gestellt wurde, herrschte über einen anderen Punkt größere Uneinigkeit: Waffenlieferungen an die Ukraine. Unter den SPD-Mitgliedern vor Ort äußerten sich sowohl Befürworter als auch Gegner solcher militärischer Unterstützung.
Holger Hövelmann vermied es, sich in dieser Frage eindeutig zu positionieren. Das Ziel eines Friedens müsse ein Sonderstatus für Donezk, für Lugansk und „eigentlich“ auch für die Halbinsel Krim sein, sagte der ehemalige Innenminister Sachsen-Anhalts. Zu diesem Zweck auch Panzer und Kampfflugzeuge an die Ukraine zu liefern, halte er aber für falsch. „Mich nerven die Moralisten. Das hat alles Folgen“, kommentierte der Landespolitiker entsprechende Forderungen.