Köthen Köthen: Ekelhafter Besuch sorgt für Ärger
KÖTHEN/MZ. - "Überall", sagt die Frau, die in der Köthener Trautmannstraße wohnt, "lag Rattenkot. Ich wollte es erst gar nicht glauben, aber es war so." Antje Schulze schaudert es noch nachträglich, wenn sie sich daran erinnert, wie sie den Raum im Erdgeschoss, in dem sich eine Dusche, ein kleines Waschbecken und eine Toilette befinden, aufgeräumt hat. "Und nicht nur aufgeräumt, ich habe den Raum desinfiziert und alle Zahnbürsten weggeschmissen." Immerhin hatte sich die Ratte oder eine der Ratten - die Zahl ließ sich nicht bestimmen - die Zahnpastatube zerbissen. Vielleicht ist das Zahnpflegemittel ja ein Leckerbissen für die Schädlinge - auf alle Fälle aber wusste Antje Schulze nicht, ob die Bürsten nicht doch mit der Ratte in Kontakt gekommen waren, daher die umgehende Entsorgung.
Da die einzige Möglichkeit, wie der unerbetene Besuch ins Haus gekommen sein konnte, der Weg durch die Toilette war, blockierte Antje Schulze am Sonntagabend den Deckel mit einem Gewicht. Was aber der Plage nicht abhalf, wie sie am Montagmorgen feststellen musste. Denn der Ratte reichte der schmale Schlitz an der Seite des Deckels, wo die Scharniere sind, um erneut in das Gästebad zu schlüpfen. Diesmal knabberte sie an der Seife, nagte den Türstock an und tat sich am Bademantel der Enkelin von Antje Schulze gütlich. Ganz abgesehen davon, dass die Ratte überall ihre Spuren hinterließ - nicht zuletzt Tapsen, die anzeigten, dass das Tier zuvor im Kanalsystem unterwegs gewesen war.
Diesmal rief Antje Schulze bei der Stadtverwaltung an, "und Herr Dölle vom Ordnungsamt kam auch sehr schnell, um sich die Situation anzusehen", stellt Antje Schulze fest. Von dem, was Herbert Dölle zu sagen hatte, war sie allerdings wenig erbaut. Dölle verwies auf die Zuständigkeit des Landkreises. "Er hat auch versprochen, die Landkreisverwaltung zu informieren." Dass ihr gleichzeitig allerdings angekündigt wurde, man werde sie als Eigentümerin des Grundstücks dann wohl auffordern, die Schädlinge auf eigene Kosten bekämpfen zu lassen, findet Antje Schulze schon ziemlich verwegen. Die Ratten, da ist die Köthenerin sehr sicher, seien durch die Arbeiten am Kanalnetz in der Trautmannstraße aufgestört worden.
Das will Thomas Winkler, Geschäftsführer des Abwasserverbandes Köthen, der in der Trautmannstraße baut, nicht ausschließen. "Ratten leben in natürlichen oder selbstgebuddelten Hohlräumen in der Nähe der Kanäle. Durch den Kanalbau sind sie wohl von ihren üblichen Fluchtwegen abgeschnitten worden, und eine ist dann wahrscheinlich in den bewussten Hausanschluss reingerannt."
Aber Winkler verweist auch darauf, dass in diesem speziellen Fall vermutlich ein technischer Fehler für das Eindringen der Ratte verantwortlich sei: Die zum Abwasserkanal gehörige Rückschlagklappe auf dem Grundstück habe nicht korrekt gearbeitet. "Wenn die Klappe funktioniert", ist Winkler überzeugt, "dann kann da keine Ratte rein." Jedenfalls habe er in den zurückliegenden sechs Jahren, die er in Köthen sei, noch nichts Gegenteiliges gehört. Der Anschluss des Hauses von Frau Schulze sollte, so Winklers Kenntnisstand, noch am Montag wiederhergestellt werden. Antje Schulze wiederum will die Rückschlagklappe kontrollieren lassen, um ein mögliches Eindringen von Ratten auf diesem Weg auszuschließen.
So richtig freilich traut sie der Rückschlagklappe als Grund für den Rattenbesuch nicht: "Ich wohne seit 24 Jahren hier, habe noch nie Ratten im Haus gehabt. Und die Rückschlagklappe ist auch schon seit 15 Jahren eingebaut - bis jetzt gab es da keine Probleme." Antje Schulze macht sich Sorgen. Nicht zuletzt deswegen, weil im Haus derzeit drei kleine Kinder wohnen und Ratten ihren Ruf als aggressiv und als Krankheitsüberträger weghaben. "Man traut sich ja nicht, ein Fenster offen zu lassen." Sie hofft, dass mit dem Kanalbau vor der Haustür das Problem verschwunden ist.
Das hofft zwar auch der Geschäftsführer des Abwasserverbandes, aber er weiß genauso gut, dass nicht zuletzt die Unvernunft vieler Leute dazu beiträgt, dass die Bemühungen des Verbandes zur Bekämpfung der Ratten immer wieder konterkariert werden. Gerade in den Ballungsgebieten sei es so, dass viele Mieter Essenreste in die Kanalisation spülen - und darauf würden die Ratten nur warten: "Die fressen ja schließlich keine Fäkalien." Mehrfach im Jahr bringe der Verband in Abstimmung mit dem Landkreis, mit Eigentümern und Wohnungsgesellschaften in Problemzonen so genannte Rattenscheiben aus. Dieses vergiftete Futter ("Ein ganz schöner Kostenfaktor.") hilft, die Ratten zu dezimieren. Da ärgert es umso mehr, wenn auf der anderen Seite manche Bürger den Ratten förmlich helfen, sich wieder zu regenerieren.