Köthen Köthen: Auf ehemaliger Ödfläche wird jetzt angebaut
KÖTHEN/MZ. - Schmuckes Rondell
Wo unlängst noch Wildwuchs herrschte, ist jetzt ein landwirtschaftliches Versuchsfeld entstanden, auf dem unter anderem Mais, Rüben und Kartoffel gedeihen. Ein paar Schritte weiter sind Anja Kuschel und Monique Ropitzsch gerade dabei, eine Wegbegrenzung aus Natursteinen zu setzen. Der akkurate Weg schlängelt sich bis zu den Gemüsebeeten, auf denen kein Hälmchen Unkraut wächst. Und auch das Blumenrondell am Eingang zum Kompetenzzentrum der Basis Gemeinnützige GmbH Anhalt-Bitterfeld, Gesellschaft für soziale Dienstleistungen, ist eine Augenweide geworden.
Kürzlich konnte sich die Öffentlichkeit beim Tag der offenen Tür in der Anhaltischen Straße 19a davon überzeugen, dass hier in kürzester Zeit von den Teilnehmern einer Maßnahme - die Hartz-IV-Empfänger wieder in den Arbeitsmarkt integrieren soll - Beachtliches auf die Beine gestellt wurde. Zu den Gästen zählten nicht nur Köthens Bürgermeister Kurt-Jürgen Zander, sondern auch Komba-Vorstand Bärbel Wohmann und Vertreter der Kooperationspartner und Förderer des Kompetenzzentrum. Letztes besteht seit etwa einem Jahr an diesem Standort, mit einer kurzen Unterbrechung im Januar 2011, die der Umstrukturierung von der Arge zur Komba geschuldet war.
Platz bietet das Kompetenzzentrum in Trägerschaft der Basis gGmbH insgesamt 25 Teilnehmern für die Dauer von sechs Monaten. Genutzt werden dafür die Hallen eines ehemaligen Heizhauses. Hier sind inzwischen schon eine Hauswirtschaftsraum mit Küche, ein Aufenthaltsraum, ein Rückzugsraum und eine Werkstatt entstanden - alles mit der Arbeitskraft der Teilnehmer. Hinzu kommen sollen unter anderem noch ein Kreativ- und ein PC-Raum.
Kompetenzen stärken
"Selbst weiter kommen" ist die Philosophie im Kompetenzzentrum. Die Teilnehmer, die unterschiedliche Defizite haben, sollen am Ende selbständiger und aktiver sein und ihr Leben besser meistern als bisher, erläutert Koordinatorin Daniela Krispin. Es gehe nicht darum, auf Defizite aufmerksam zu machen, sondern Kompetenzen, die jeder einzelne besitzt, zu stärken. "Viele kennen diese aber gar nicht", weiß Krispin.
Die Teilnehmer im Alter von 18 bis 47 Jahren kommen mit unterschiedlichen Voraussetzungen ins Kompetenzzentrum. Den meisten fehlt der Schulabschluss oder sie verfügen über keine Ausbildung, sie haben Schulden, Probleme mit Alkohol oder Drogen und vieles mehr. Alle leben von Hartz IV. Daher werden sie auch von der Komba in diese Maßnahme vermittelt, die anders ist als andere.
Hier geht es nicht darum, das Schreiben von Bewerbungen zu trainieren oder sechs Monate lang derselben, manchmal stupiden, Beschäftigung nachzugehen. Hier werde drauf geschaut, welche Voraussetzungen der Einzelne mitbringt, sagen die Betreuer Elke Lietschke und Manfred Brandt, die immer ein offenes Ohr für ihre Schützlinge haben. Dabei werden sie auch von Sozialpädagogin Verena Schild unterstützt.
An erster Stelle steht die "Erziehung" zur Pünktlichkeit. Nicht allen gelingt es, morgens punkt 7.30 Uhr im Kompetenzzentrum zu sein, weiß Daniela Krispin. Wieder Struktur in den Tag zu bekommen, Umgansregeln mit Vorgesetzten einzuhalten, eine Arbeit durchzuhalten, die eigenen Freizeit gestalten, zu kommunizieren, statt mit den Fäusten zu überzeugen, auf Suchtmittel zu verzichten, sich gesund zu ernähren, mit Geld umzugehen und vieles mehr sollen die Teilnehmer hier lernen. Und so beginnt der Tag mit Gesprächen in den Gruppen, die immer wieder neu zusammengestellt werden, bevor es an die Tätigkeiten in der Werkstatt, im Garten oder auf dem Versuchsfeld geht. "Arbeitskleidung bekommt jeder bei uns gestellt", berichtet Daniela Krispin. Für die Sauberhaltung sind die Teilnehmer verantwortlich. Wer zu Hause keine Waschmaschine hat, kann die Sachen auch mal im Kompetenzzentrum waschen. Und wem der Energieversorger gerade den Strom abgestellt hat, der muss nicht auf den Morgenkaffee verzichten, sondern kann ihn hier kochen. "Zweimal wöchentlich wird zusammen eingekauft, um etwas Gesundes zu kochen", berichtet Elke Lietschke. "Das kann auch mal Marmelade sein." Und nicht nur Zsuzsa Szeles freut sich auf die Arbeit in der Küche, deren Einrichtung übrigens von der Köthen Energie zur Verfügung gestellt wurde.
In der Werkstatt von Manfred Brandt werden ausschließlich Dinge hergestellt, die handwerkliche Fähigkeiten wie Laubsägearbeiten, Bohren oder den Umgang mit dem Fuchsschwanz vermitteln und die einen konkreten Nutzen haben. Entweder für das Kompetenzzentrum selbst, wie zum Beispiel ein Insektenhotel oder lustige Baumpilze, oder für Schulen und Kitas in dem Umgebung, die damit Projekttage gestalten können. Wenn die Teilnehmer die Sachen den Kindern überbringen und diese sich mit Liedern und Gesichten bedanken, lasse das selbst Hartgesottene nicht kalt, wissen Brandt und Lietschke zu berichten. Was von den Versuchsflächen nicht verwertet werden kann, wird dem Köthener Tierpark als Futter zur Verfügung gestellt.
Neben der Tätigkeit im Kompetenzzentrum durchläuft jeder Teilnehmer in den sechs Monaten auch ein vierwöchiges Praktikum in einem meist landwirtschaftlichen Betrieb. Hier können individuelle Fähigkeiten getestet werden, und wenn es gut läuft, springt dabei auch ein Ausbildungsplatz oder eine Festanstellung heraus. Viele der jungen Leute bekommen erstmals die Chance, sich mit Unterstützung des Kompetenzzentrums, bei einem potentiellen Arbeitgeber vorzustellen. Genutzt werden aber auch Tage der offenen Tür am Berufsschulzentrum oder Ausbildungsbörsen der Agentur für Arbeit. Das bleibt nicht ohne Wirkung, weiß Daniela Krispin zu berichten. Immerhin konnten bisher auf diesem Wege schon drei Teilnehmer in Arbeit und zwei ab August in eine überbetriebliche Ausbildung vermittelt werden.
Basis-gGmbH-Geschäftsführer Frank Junkert ist stolz auf die sechs Kooperationsbetriebe, die alle auch Ausbildungsbetriebe sind, und jene Partner, die die Trägergesellschaft materiell unterstützen. So stellte die Stadt Köthen zum Beispiel das 4 000 Quadratmeter große Areal für die Versuchsfläche zur Verfügung. Bei der Bodenbearbeitung half Bauer Feuerborn aus Cosa und auch der Toom-Baumarkt hat schon Material gespendet.
Auf einem guten Weg
"Wir haben inzwischen schon viele Betriebe davon überzeugen können, dass sie uns unterstützen", freut sich Junkert. Wichtig sei, dass Praktika zur Verfügung gestellt werden. "Viele machen so erstmals die Erfahrung, in einem Unternehmen willkommen zu sein. Außerdem sind das Leute, die in der Region bleiben, sagt Junkert. Besonders gut sei die Zusammenarbeit mit dem Fallmanagement der Komba und dem Arbeitgeberservice, lobt der Geschäftsführer und sieht das Kompetenzzentrum auf einem guten Weg.