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Kein Mohn in Köthener Regalen

14.06.2006, 17:56

Köthen/Piethen/MZ. - Entweder heißt es "zur Zeit nicht lieferbar" oder: der Mohn enthalte Schadstoffe bzw. sei sogar als Droge verwendbar. Unter anderem hatte die Kundin versucht, sich bei Edeka in Köthen Mohn zu beschaffen. Doch auch hier waren die Regale der Kuchenabteilung mohnfrei.

Ulrike Stöcker, sie ist Pressesprecherin bei Edeka, kann diese Erfahrung der Kundin bestätigen. "Wir haben Mohn vorsorglich im Februar aus dem Angebot genommen", sagt Stöcker. Die Edeka-Frau verweist auf Gutachten des Bundesinstitutes für Risikobewertung, demzufolge der Genuss von Mohn Gesundheitsschäden nach sich ziehen könnte.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) verfügt in Berlin über drei Standorte und ist eine wissenschaftliche Einrichtung, "die auf der Grundlage international anerkannter wissenschaftlicher Bewertungskriterien Gutachten und Stellungnahmen zu Fragen der Lebensmittelsicherheit und des gesundheitlichen Verbraucherschutzes erarbeitet", heißt es in einer Selbstauskunft.

Wann ist der Verzehr von Mohnsamen mit niedrigeren Morphinkonzentrationen unter Vorsorgeaspekten gesundheitlich problematisch? In seiner Bewertung vom 27. Dezember 2005 empfahl das BfR eine vorläufige maximale tägliche Aufnahmemenge für Morphin. Sie beträgt 6,3 Mikrogramm Morphin pro kg Körpergewicht und Tag. Aus der vorläufigen täglichen Aufnahmemenge, heißt es im Bericht weiter, "ergab sich unter Berücksichtigung abgeschätzter Verzehrmengen ein vorläufiger Richtwert von vier Mikrogramm Morphin je Gramm für Mohnsamen".

Die der Bewertung zugrunde liegenden Daten würden zeigen, "dass die Morphingehalte von Speisemohn stark variieren und in letzter Zeit offensichtlich ansteigen".

Das Institut fordert die Hersteller auf, "größte Anstrengungen zu unternehmen, die Gehalte aller pharmakologisch aktiven Opiumalkaloide in Mohnsamen auf das technologisch erreichbare Mindestmaß zu senken".

Bis eine erfolgreiche Umstellung der Herstellungsbedingungen von Mohnsamen erfolgt sei, rät das BfR vom "übermäßigen Verzehr von Lebensmitteln mit hohem Gehalt an Mohnsamen insbesondere in der Schwangerschaft ab". Vor allem Mohnkuchen, mohnsamenhaltige Desserts, mit Mohnsamen bestreute Nudelgerichte könnten größere Mengen an Mohnsamen enthalten.

Das Institut vermutet, dass die erhöhten Morphingehalte in Mohnsamen mit neu eingeführten maschinellen Erntetechniken zusammen hängen, bei denen die Kapsel gequetscht wird. Durch Waschen der Samen ließe sich ihr Morphingehalt andererseits stark reduzieren.

Im Fernsehen berichteten Martina Meuth und Bernd Neuner-Duttenhofer in der WDR-Sendung "Zaubern mit Mohn" vor einiger Zeit: "In Deutschland ist der Mohnanbau verboten." Selbst im Osten, wo er aus Traditionsgründen per Sondererlaubnis angebaut werden durfte, sei er nach der Wende aus der Mode gekommen. "Wahrscheinlich, weil die billigen Importe die Handarbeit zu teuer machten."

Verboten habe man den Anbau ursprünglich einmal, weil sich aus dem Saft der unreifen Kapseln bekanntlich Opium gewinnen lasse. "Inzwischen hat man längst Züchtungen entwickelt, die keine Alkaloide mehr enthalten, wie man diese süchtig machenden Gifte nennt."

Weiter hieß es im Beitrag: "Jährlich werden in Deutschland etwa 7 000 bis 8 000 Tonnen Mohn zu Back- und Speisezwecken verbraucht. Dieser Bedarf wird ausschließlich durch Importe gedeckt. Wichtigste Erzeugerländer sind die Türkei, Tschechien, Ungarn und Australien."

Beim Lebensmittelüberwachungsamt im Landkreis Köthen ist über ein Verbot des Verkaufs von Speisemohn derzeit nichts bekannt. Allerdings ist es einer Mitarbeiterin selbst schon passiert, dass sie im Laden keinen Mohn zu kaufen bekam. Die Begründung lautete, ähnlich wie die von MZ-Leserin Kornelia Krüger mitgebrachte: "Mohn führen wir nicht mehr." Dr. Christel Wolle, die Leiterin des Köthener Lebensmittelüberwachungsamtes, telefonierte nach der MZ-Anfrage mit der zuständigen Stelle beim Landesverwaltungsamt. Diesem sei keine Warnung vor dem Verkauf oder Verbrauch von Mohn bekannt.

Wer Mohnkuchen essen möchte, der ist z.B. bei Jana Winzer in der Bäckerei Paschlewwer Straße an der richtigen Adresse: Hier wird der Mohnkuchen vom Blech verkauft. Der Großhandel, berichtet die Bäckersfrau, würde nach wie vor Mohn auf Bestellung liefern.