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Kälte, Stromausfall, Schneetreiben Kälte, Stromausfall, Schneetreiben: Winter 1978/79 verlangte Köthenern einiges ab

Von Karl Ebert 12.01.2019, 11:00
Selbst die Elbe war im Winter 1978/79 zugefroren.
Selbst die Elbe war im Winter 1978/79 zugefroren. dpa

Köthen - Im Januar vor 40 Jahren hatte der Winter nicht nur die Region und die damalige DDR, sondern nahezu ganz Europa fest im Griff. Auch in und um Köthen türmten sich die Schneewehen meterhoch und die Temperaturen sanken in den zweistelligen Minusbereich. Nicht selten wurden in diesen Tagen minus 19 oder 20 Grad gemessen.

Die Kumpels in den Braunkohletagebauen konnten ihre Förderleistungen nicht mehr bringen, weil die Kohle festgefroren war. Bereits beladene Eisenbahnwaggons konnten aus demselben Grund nicht mehr entladen werden. Demzufolge ging vielen Kraftwerken der Brennstoff aus und auch die Versorgung mit Strom war nicht nur stundenweise unterbrochen.

Die Bezirkszeitung „Freiheit“ schrieb am 3. Januar vor allem über den pausenlosen Einsatz des Straßen-Winterdienstes. „Oft waren unsere Kollegen weit über ihre Arbeitszeit hinaus im Einsatz, um die Straßen unserer Kreisstadt befahrbar zu machen“, sagte Michael Elfers, der Leiter des VEB Kreis-Straßen-Unterhaltungsbetriebes. „Alle verfügbare Technik wurde eingesetzt. So konnte diese Aufgabe mit großer Anstrengung bewältigt werden.“

Stromausfall für das Kohleheizwerk mit seinem riesigen Dampfkesselhaus war ein großes Problem

Soldaten der Nationalen Volksarmee waren auf dem Gelände der Reichsbahn unterwegs. Sie mussten Schneeverwehungen beseitigen, vereiste Weichen auftauen und sie mit der Hand betätigen, um den Zugverkehr halbwegs am Laufen zu halten. Das Hauptaugenmerk galt aber der Sicherung der Energieversorgung, die durch die strengen Witterungsbedingungen stark eingeschränkt war.

Fritz Wackermann (80), damals Leiter der Fernwärmeversorgung Köthen und Koordinator für die Abrechnung der Wärmekosten, kann sich noch gut an den Winter 1978/79 erinnern. Er war damals für viele öffentliche Gebäude, Schulen und tausende Wohnungen mit Nachtspeicheröfen verantwortlich. „Es war Silvester 1978. Meine Frau hatte sich gerade die Haare gewaschen und saß vor dem Ofen, als der Strom plötzlich ausfiel. Es sollte nicht der einzige dunkle Tag bis Mitte Februar bleiben“, erzählt Wackermann.

Der Koordinator von drei Gas- und einem Kohleheizwerk in der Köthener Rüsternbreite kann sich an dramatische Momente erinnern. „Die Gasheizwerke haben Wärme im Temperaturbereich von 70 bis 110 Grad produziert. Wenn der Strom ausfiel, haben sie sich selbstständig abgeschaltet. Dagegen war ein Stromausfall für das Kohleheizwerk mit seinem riesigen Dampfkesselhaus ein großes Problem“, erklärt Wackermann. „Wenn der Strom ausgefallen war, stellten die Pumpen automatisch ihren Betrieb ein und der Druck auf dem Dampfkessel stieg ins Extreme. Mitunter bestand sogar Explosionsgefahr.“

Menschen in Köthen und ihrer Umgebung saßen tagelang in ihren kalten Wohnungen

Aber gemeinsam mit dem damaligen Heizwerkchef Dieter Kozor und seinen Mitstreitern „sowie der Einsicht und Vernunft der Köthener Menschen haben wir die Situation in den Griff bekommen“, sagt Wackermann. Schließlich saßen die Menschen in der Bachstadt und ihrer Umgebung tagelang in ihren kalten Wohnungen und hatten kein warmes Wasser zum Waschen. „Außerdem wurde ja zu dieser Zeit auch noch der Gasverbrauch vorgeschrieben. Jeder Bürger durfte nur eine ganz bestimmte Menge abnehmen. Hätte jemand überzogen, wären Strafen fällig gewesen“, so Wackermann.

Rund um die Uhr waren in diesen Tagen die Kollegen des VEB Kreis-Straßen-Unterhaltungsbetriebes im Einsatz. Sie hatten immerhin rund 400 Kilometer Straßen in der Stadt zu betreuen. In zwei Schichten zu jeweils zwölf Stunden waren sie mit ihren Schneepflügen und Streufahrzeugen auf Achse.

Minus 27 Grad Celisius am Silvesterabend war der absolute Tiefpunkt

„Die größte Kälte erlebten sie am Silvesterabend, als das Thermometer minus 27 Grad Celsius zeigte“, schrieb die „Freiheit“ am 5. Januar. Redakteur Fritz Grützner beschrieb die Arbeit der Männer. „Es ist nicht einfach“, meinte beispielsweise Kollege Richter. „Selbst der Streusand ist gefroren und muss vor dem Aufladen erst zerkleinert werden“, sagte er und übte zugleich Kritik an den Köthenern. „Mancher Bürger könnte unsere Arbeit erleichtern, wenn er den Schnee von den Gehwegen nicht einfach auf die Straße werfen, sondern am Gehwegrand ablagern würde. Oft müssen wir deshalb noch einmal mit dem Schneepflug durch die bereits geräumten Straße fahren.“

Die Situation in Köthen entspannte sich am 10. Januar mit dem einsetzenden Tauwetter. „Doch Mitte Januar kam der Winter noch einmal zurück. Es schneite wieder ohne Ende. Erst Mitte Februar lief alles wieder einigermaßen normal“, erinnert sich Fritz Wackermann. (mz)

So wie hier auf einer Straße im Saalkreis sah es auch rund um Köthen aus.
So wie hier auf einer Straße im Saalkreis sah es auch rund um Köthen aus.
Ulrich
Die „Freiheit“ vom 5. Januar 1979 berichtete über den Einsatz von Soldaten der Volksarmee auf dem Köthener Bahnhof.
Die „Freiheit“ vom 5. Januar 1979 berichtete über den Einsatz von Soldaten der Volksarmee auf dem Köthener Bahnhof.
Freiheit