Insekten auf dem Teller Insekten auf dem Teller: Thorsten Breitschuh baut in Werdershausen eine Heuschreckenzucht auf

Werdershausen - Allzu großen Krach machen sie nicht. „Es ist eher ein angenehmes Zirpen, wie bei Zikaden. Sehr entspannend“, findet Thorsten Breitschuh. Er muss es wissen - hält er doch bei sich in Werdershausen etwa 2.000 Heuschrecken.
Die Tierchen wohnen in einem alten Stall, in einem extra ausgebauten Raum unter dem Dach. In großen Plastikkästen kann der Besucher sie bewundern, aufgeteilt nach Entwicklungsstadien von frisch geschlüpft bis ausgewachsen. Es handelt sich um ägyptische Wanderheuschrecken, fünf bis sieben Zentimeter lang und ausgewachsen etwa 1,3 Gramm leicht.
Doch was hat Breitschuh mit diesen eher ungewöhnlichen Haustieren vor? „Es ist ein Forschungsprojekt“, erklärt er. Eines, bei dem er mit vielen Partnern zusammenarbeitet, zum Beispiel der Hochschule Anhalt und der Forschungseinrichtung „Pilot Pflanzenöltechnologie Magdeburg“ (PPM). Langfristig geht es darum, Heuschrecken als Lebensmittel zu verwenden. „Ziel ist es, dass sie auf den Teller kommen“, bestätigt Breitschuh.
Wie man die Heuschrecken gut zubereitet, soll knftig einer Küche in Werdershausen vermittelt werden
Am Stück essen sollte man die Heuschrecken allerdings nicht. Flügel und Hinterbeine - an denen sich scharfkantige Zacken befinden - sollten vorher abgemacht werden. Dann aber können die Tiere sowohl herzhaft als auch süß zubereitet werden.
Die herzhafte Variante wäre zum Beispiel, sie zu braten und mit Salz, Paprika und Knoblauch zu würzen. „Heuschrecken schmecken nussig. Und es knackt, wenn man drauf beißt“, sagt Breitschuh, der die Spezialität natürlich auch schon selbst gekostet hat. Als Süßspeise könne man Heuschrecken auch mit Eis und Schokoglasur servieren.
Allerdings: Besonders viel dran ist an einer Heuschrecke natürlich nicht. Breitschuh schätzt, dass man etwa 70 Tiere bräuchte, um einen Teller gut zu füllen. Wie man die Heuschrecken gut zubereitet, sollen Interessierte in Zukunft ebenfalls in Werdershausen lernen können. Denn im Erdgeschoss plant der Ortsbürgermeister eine Küche, in der auch Kochkurse stattfinden sollen in Zusammenarbeit mit Breitschuhs Projektpartnerin Dr. Cornelia Häfner von der Firma haefnerconsult.
Langwieriger Zulassungs-Prozess, um Heuschrecken als Lebensmittel zu servieren
Bevor es soweit ist, müssen aber zunächst einige bürokratische Hürden genommen werden. Denn wenn man hierzulande Heuschrecken zum Verzehr verkaufen will, ist das nicht wie bei Hühner- oder Rindfleisch. Es fehlt zunächst die lebensmittelrechtliche Zulassung dafür. Zwei Anträge beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit wurden schon gestellt, so Breitschuh. Zweimal kamen Ablehnungen.
Seit Beginn des Jahres 2018 sei nun die EU für das Thema zuständig, dort wolle man nun einen neuen Antrag stellen - in der Hoffnung, dann binnen zwei Jahren die Zulassung zu bekommen. Zum Prozess gehört auch, erst einmal die Aufzucht der Tiere samt der nötigen Ausstattung hinzubekommen und genehmigen zu lassen. Da Heuschrecken nach EU-Recht zu den „novel foods“ gehören - also zu den neuartigen Lebensmitteln - sind hier weitreichende Untersuchungen erforderlich, um die Sicherheit des Verbrauchers beim Verzehr nachzuweisen.
Diese Analysen werden in der Hochschule Anhalt durchgeführt. PPM werde sich unter anderem mit der Frage beschäftigen, wie man die Teile der Tiere, die nicht gegessen werden, sinnvoll weiterverarbeiten könne, sagt der Werdershausener.
Viele Experten sehen Insekten als wertvollen Faktor in der Ernährung der Menschheit
Die Idee zur Heuschreckenzucht bekam Breitschuh, der die Agrar-Insekt Anhalt GbR ins Leben gerufen hat, über das Projekt „Europäische Innovationspartnerschaft ,Landwirtschaftliche Produktivität und Nachhaltigkeit’“, kurz Eip-Agri. Hinter dem doch recht sperrigen Namen verbirgt sich ein EU-Programm zur Förderung neuer Ideen für die Landwirtschaft.
Viele Experten sehen Insekten als wertvollen Faktor in der Ernährung der Menschheit - einem, der hierzulande noch völlig unterschätzt wird. Das Heuschreckenprojekt ist Teil einer Reihe von EU-kofinanzierten praxisnahen Forschungsthemen zur Erforschung, Erzeugung und Anwendung neuartiger Lebensmittel für die menschliche Ernährung. Ähnliche Versuche finden in anderen Staaten beispielsweise mit Mehlwürmern oder Soldatenfliegen statt.
Breitschuhs Heuschrecken brauchen nur Gras als Futter, das man schnell und einfach von nahen Grünflächen bekommen kann. Diese natürlichen Grünflächen können indirekt also für Ernährung von Menschen sorgen und gleichzeitig auch etlichen anderen Tierarten als Heimat dienen.
Heuschrecken haben durchaus ordentlichen Appetit
Dabei haben die Heuschrecken durchaus ordentlichen Appetit. Gemessen an ihrem Gewicht von 1,3 Gramm frisst eine Heuschrecke gut ein Gramm Gras am Tag, also etwa drei Viertel ihres Gewichtes. „Und es gibt auch durchaus Gourmets“, weiß Breitschuh inzwischen. „Manche fressen zum Beispiel auch Salat, andere wollen ihn partout nicht.“
Bleibt die Frage, ob die Menschen das neue Nahrungsangebot annehmen werden. Vereinzelt gibt es schon Aktionstage in Restaurants, bei denen Insekten auf den Teller kommen - aber ist das auch wirklich etwas für die breite Masse?
Alle, denen er von seinem Projekt erzählt habe, fänden es gut, sagt Breitschuh. „Manche sagen: Mach du nur, so bleibt mehr Schweinefleisch für mich. Aber viele wollen es auch sehr gern probieren.“ (mz)
