Hochwasser in Susigke Hochwasser in Susigke: Futter verfault auf den Wiesen

Susigke/MZ - Wer die Gegend nicht kennt, könnte die riesigen Wasserflächen, die sich an der Straße zwischen Kleinzerbst und Aken auftun, glatt für einladende Badeseen halten. Doch die Idylle trügt.
Keiner weiß das besser als Roland Jungmann. 345 Hektar bewirtschaftet der Landwirt aus Susigke in dieser Gegend. „Ganze fünf Hektar sind vom Hochwasser verschont geblieben“, sagt er. Grünfutter, Getreide, Raps und Rüben, alles verfault jetzt unter dem Wasser von Elbe und Saale, das sich gleich von zwei Seiten über die Gegend um Aken ergoss und jetzt die Existenz zahlreicher Landwirte in der Region bedroht. „Da ist nichts mehr zu retten“, weiß Jungmann. Dagegen sei das Hochwasser 2002 „ein Spaß“ gewesen. „Da waren wir wenigstens mit der Ernte fertig“, erinnert sich der Susigker.
Stall ist verwaist
Rund 3000 Hektar landwirtschaftlicher Flächen sind nach ersten Schätzungen allein im Altkreis Köthen überschwemmt worden, sagt Heinz Vierenklee, Geschäftsführer des Bauernverbandes Anhalt. Neben Jungmann hat es auch die Firma Wimex, die Wulfener Agrar AG und den Kührener Landwirt Natho besonders hart getroffen.
Normalerweise stehen bei Jungmann in Susigke 180 Fleischrinder der Rasse „Limousine“ gut im Futter. Im Moment ist der Stall aber noch verwaist. Die Rinder, ein Drittel Jungtiere, wurden nach Reppichau und Tornau evakuiert - „da haben wir uns nicht auf die Prognosen verlassen“ - und können noch immer nicht zurück. Denn im Stall steht das Wasser.
Etwa 60 Tiere hat Bauer Jungmann bereits verkaufen müssen, weil ihm das Futter für die Tiere fehlt. Wie er bis zum Herbst oder über den Winter kommen soll, weiß er noch nicht. „Vielleicht muss ich noch einen Teil der Muttertiere schlachten.“
Etwa 500 000 Euro Schaden
Auf mindestens 500 000 Euro schätzt Roland Jungmann den Schaden, der ihm bis jetzt entstanden ist. „Ohne Nachfolgeschäden.“
Ein kleiner Lichtblick sind da die rund 25 Hektar Stilllegungsfläche am ehemaligen Flugplatz Kleinzerbst, die ihm die APH Hinsdorf in der Nähe von Kleinzerbst zur Verfügung stellte. Dort sind Jungmann und seine Leute derzeit im Einsatz, um das Gras von der Wiese zu holen, damit die Tiere wenigstens etwas zu fressen haben. „Für Milchkühe wäre das Futter hier nicht geeignet, die brauchen mehr Energie in der Nahrung“, erklärt Jungmann. Der Susigker ist froh über die Solidarität unter den Landwirten. „Wir haben uns zum größten Teil selbst und vor allem unbürokratisch geholfen“, betont er. „Das ging ruckzuck.“
Vieles, was in der Zeit des Hochwassers passiert ist, kann der Landwirt nicht nachvollziehen. Jungmann spricht von „unterlassenen Sicherungsmaßnahmen“ an Elbe und Saale und dass man rund um Aken das Wasser abbekommen habe, weil Magdeburg verschont blieb. Daher erwarten Jungmann und andere betroffene Landwirte nun auch, dass sich die Politik bewegt, so kurz vor der Wahl. „Ich sehe nicht ein, dass wir unsere Existenz aufs Spiel setzen“, sagt er. Daher will der Susigker auch nicht ruhig bleiben, sondern die Dinge beim Namen nennen. Jetzt sei es an der Zeit, statt der Banken in Griechenland die Unternehmen vor Ort zu retten. „Oder sollen wir etwa aufs Arbeitsamt gehen?“ Zur Not müsse der Verband eine Sammelklage organisieren, sagt er, an Vierenklee gewandt. Schließlich zahle man ja genügend Steuern.
Dass die Zusammenarbeit der benachbarten Krisenstäbe Dessau und Anhalt-Bitterfeld in Bezug auf den Dessauer Busch - wie schon 2002 - nicht funktioniert hat, sieht Roland Jungmann als großen Fehler, den nicht nur die Landwirte nun auszubaden hätten. Das müsse sich schnellstens ändern. Gleiches gilt auf der anderen Seite für den Salzlandkreis. Ein Lob hat er aber für die Akener parat, die tapfer am Deich und der Straße zwischen Aken und Dessau gekämpft haben.
„Zum Glück“, sagt Jungmann, habe sein Wohnhaus nichts abbekommen. Auch seine Pferde, ein Hobby von Jungmann, konnte er rechtzeitig in Sicherheit bringen. Was zu versichern sei, habe er versichert. Doch an die Äcker gehe keine Versicherung ran.
Bauernverbandsgeschäftsführer Heinz Vierenklee kann nur wenig Trost spenden, zeigt sich aber optimistisch: „Ich hoffe, dass da was kommt“, sagt er. Das Amt für Landwirtschaft, Flurneuordnung und Forsten sei dabei, die Schäden zu ermitteln, und rechne schon emsig. Das Ministerium in Magdeburg rufe ständig die aktuellen Fakten ab.
Beim Blick über das Wasser auf seinen Wiesen und Äckern treten Bauer Roland Jungmann erneut die Sorgenfalten auf die Stirn.
Der Stress der letzten Tage ist nicht spurlos an ihm vorüber gegangen. Seine Gesundheit hat stark gelitten. Doch darauf könne er jetzt keine Rücksicht nehmen, die Tiere müssten versorgt werden, sagt er.
Von der Berufsgenossenschaft hat er einen zusätzlichen Helfer angefordert und umgehend bekommen, denn allein kann der kleine Familienbetrieb die Arbeit im Moment nicht stemmen.
Das Grün auf den Feldern werde man, wenn das Wasser sich endlich zurückgezogen hat, vermutlich nur noch unterpflügen können, stimmen Jungmann und Vierenklee überein.
