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Hobby Hobby: Wülknitz geht mit der Zeit

Von Ute Hartling-Lieblang 11.06.2013, 18:48

Grosswülknitz/MZ - Ortsbürgermeisterin Karin Krietsch kann sich noch gut daran erinnern, dass die alte Kirchturmuhr in ihrem Heimatort Großwülknitz ihr als Schulkind immer die Stunden geschlagen hat. Auch Herbert Henze (75), der um einiges älter ist als die Ortsbürgermeisterin, hat eine ganz persönliche Beziehung zu dieser Uhr. Wer in seiner Jugend wissen wollte, wie spät es ist, schaute nicht auf Handy oder Armbanduhr, sondern hinauf zum großen Ziffernblatt unter der Spitze der ältesten Kreuzkirche im Altlandkreis Köthen.

"Sie ist der Mercedes unter den Uhren"

Hans-Joachim Buhle stammt nicht aus Großwülknitz, interessiert sich aber für Uhren aller Art. Von der in Großwülknitz sagt er: „Sie ist der Mercedes unter den Uhren“. Eine Weule sei etwas ganz Besonderes. Da lacht das Herz jedes Uhrmachers.

Buhle ist kein Uhrmacher, aber er bastelt gern an alten Gehäusen und deren Innereien herum. Daher gab es für ihn auch kein Halten mehr, als er beim Tag des offenen Denkmals 2006 auf die kaputte Weule-Uhr in einer Ecke stieß.

Irgendwann - vor etwa 50 Jahren, schätzt die Ortsbürgermeisterin - hat die Uhr aufgehört zu schlagen. Geld für die Reparatur war offenbar nicht vorhanden, und so war der Zeitmesser aus dem Jahr 1887 in einem denkbar schlechten Zustand.

„Die Firma Weule hat noch bis 1952 existiert“, weiß Buhle, der die solide Handarbeit lobt, die von dort kam. „Die Uhren sind sehr gut zu reparieren.“ Buhle muss es wissen, denn er hat die Großwülknitzer Uhr, die rund sechs Zentner wiegt, vor einigen Jahren in ihre 21 Einzelteile zerlegt, sorgfältig entrostet, Fraßstellen beseitigt und dann mit einem frischen stahlblauen Farbanstrich versehen, den er sich nach einem alten Farbmuster in der Köthener Lackfabrik mischen ließ. Die Reste hatte er hinter dem alten Ziffernblatt entdeckt. Einige der Teile mussten aber auch neu angefertigt werden, dabei half Buhle nicht nur sein Sohn Matthias, der eine Aufzugsrolle aus Eichenholz anfertigt, sondern auch der Dreher Rolf Wiermann aus Gröbzig. Das Ziffernblatt wurde von der Firma Kloß rekonstruiert. Mit zugepackt hat auch Frank Matthes aus Gröbzig. Die Liste der Helfer ist lang, nicht alle können an dieser Stelle genannt werden. Rund sieben Monate hat es gedauert, bis die Weule-Uhr wieder funktionierte. Weitere Zeit ging ins Land, bis sie wieder an Ort und Stelle war und den Großwülknitzern endlich wieder die Zeit ansagte. Der Denkmalschutz hatte sich inzwischen eingeschaltet. Und als die Uhr endlich wieder schlug, tat sich ein neues Problem auf: Die Mechanik musste täglich aufgezogen werden. Das übernahm Herbert Henze, der allabendlich -zig steile Treppenstufen zum Kirchturm hinauf steigen musste. Das tat er gern für die Kirche, in der er getauft und getraut wurde.

7000 Euro werden noch benötigt

Aber für einen 75-Jährigen ist das auf Dauer kein leichtes Unterfangen. Also wurden Überlegungen angestellt, die Uhr mit elektrischen Aufzügen zu versehen.

Während Hans-Joachim Buhle die Uhr aus Liebe zu seinem Hobby kostenlos reparierte, kostet die Elektrik richtig Geld. „3000 Euro haben wir schon zusammen“, sagt Ortsbürgermeisterin Krietsch. „Rund 7000 brauchen wir“. Ein Benefizkonzert am Sonntag, das lange geplant war, hat weitere 620 Euro eingebracht. „Natürlich haben wir an diesem Tag auch die Leute nicht vergessen, die mit dem Hochwasser zu kämpfen haben“, sagt Krietsch.

Doch was hat Hans-Joachim Buhle bewogen, sich derart für die Kirchturmuhr zu engagieren? Er sei einfach verrückt nach alten Uhren, sagt er. Schon als Junge habe er Wecker auseinandergenommen. Ab 1973 hat er sich dann intensiv mit deren Innenleben beschäftigt. „Ich bin aber ein Liebhaber, kein Sammler.“ Gern hätte er 1966 eine Uhrmacherlehre angefangen, doch diese Stellen waren knapp. Also wurde Buhle Betonfacharbeiter.

Seit 40 Jahren bastelt er nun schon in seiner Garage und hat unter anderem auch die Bahnhofsuhr in Gröbzig und die an der ehemaligen PGH „Fuhnetal“ in Schortewitz wieder in Gang gebracht. Von einem Uhrmachermeister aus Halle, mit dem er befreundet ist, holt er sich mitunter auch fachmännischen Rat. So auch bei der Großwülknitzer Uhr.