Herr des Landesvermögens a.D.
Elsnigk/MZ. - Igors Opa heißt Erhard Stollberg und ist der oberste Finanzverwalter des Landes Sachsen-Anhalt. Seit 2003 ist Stollberg Präsident der Oberfinanzdirektion, Herr über das Vermögen des Landes, oberster Vorsteher aller - noch - 21 Finanzämter, der Landeshauptkasse, der Bezügestellen. Kein Bediensteter des Landes bekommt Geld, das nicht durch die Bücher von Stollbergs Behörde gegangen ist. Zu seinem Geschäftsbereich gehören immer noch 4360 Mitarbeiter - keine Behörde des Landes ist größer, kaum ein Unternehmen hat mehr Personal.
Am 23. April nimmt er seinen Abschied, nachdem er gut 14 Tage zuvor seinen 65. Geburtstag gefeiert hat. Zum Abschied in Magdeburg kommen die Honoratioren des Landes, es wird Dankesworte geben, Schulterklopfen und Reden. Und wenn in diesen Reden von einer außergewöhnlichen beruflichen Laufbahn gesprochen wird, kann man nur zustimmen. Nicht nur, dass Stollberg bundesweit der erste und bislang einzige "Ossi" als Chef einer Oberfinanzdirektion ist und möglicherweise auch eine ganze Weile bleiben wird, der Mann ist auch ein Quereinsteiger, wenn man das mal so sagen möchte.
Denn begonnen hat Erhard Stollberg sein Berufsleben als Techniker. Als Hauptmechaniker im Stanzwerk in Zwintschöna bei Halle. In dem kleinen Dorf ist er aufgewachsen, hat schon mit 14 Jahren seine Mutter verloren, was für ihn als Ältesten von fünf Geschwistern auch ein Stück besondere Verantwortung mit sich brachte. "Wir haben", erinnert er sich, "jeden Pfennig umgedreht" - wenn man so will, seine ersten Erfahrungen als Mit-Finanzverwalter.
Da Stollberg schon früh der CDU beitrat, waren die Chancen, im Stanzwerk weiterzukommen, limitiert. "Da habe ich mich weg beworben", sagt Stollberg - das erste und letzte Mal in seinem Leben. Danach war es immer andersherum - da war man bemüht, Stollberg als Mitarbeiter zu gewinnen. Zuletzt im Jahr 2003, als der CDU-Mann, inzwischen Senator am Landesrechnungshof, von Ministerpräsident Böhmer gefragt wurde, ob er das Amt des Oberfinanzpräsidenten übernehmen würde und nach Beratung in der Familie "Ja" gesagt hat. Das war im übrigen immer so im Hause Stollberg, dass vor beruflichen Veränderungen, die es häufig gegeben hat, auch unter Einbeziehung der Söhne Karsten und Christian die "Angebote" jeweils gemeinsam beraten worden sind.
Der Lebensweg Stollbergs führte von der Technik über die Verantwortlichkeit für Investitionen bis zu den Zahlen. Er arbeitete in verschiedenen halleschen Vorwende-Betrieben, ehe er noch zu DDR-Zeiten beim Amt für Preise landete. "Die wollten jemanden als Inspektor haben, der schon mal mit der Realisierung von Investitionen zu tun hatte und sich auch mit den versteckten Tricks auskannte", erläutert Stollberg. Der allerdings nie für möglich gehalten hätte, genommen zu werden. Bruder im Westen, Besuche von einer Duisburger Tante der Frau, ein Dutzend Jahre in der CDU - am Ende musste Stollberg verblüfft feststellen, dass es doch ging.
Im Nachhinein betrachtet, war dies die Entscheidung, die Stollbergs künftigen Lebensweg ziemlich präzise festlegte. In der Wendezeit nämlich wurde er gebeten, das Ressort für Finanzen und Preise beim damaligen Rat des Bezirkes zu übernehmen. Stollberg schlägt ein und baut, mit Hilfe "ehrlicher Makler" aus den alten Bundesländern, in einem behördlich sonst eher untypischen rasendem Tempo das Finanzverwaltungssystem im ehemaligen Bezirk Halle um und auf und aus. "Finanzen, Steuern, Preise - wir waren Anlaufpunkt für alles. Für die Genehmigung von Joint Ventures, für die künftigen Finanzämter, auch für Demonstranten, die gegen uns protestiert haben."
Sogar vor Gericht ("Das erste und letzte Mal") landete Stollberg einer Wendezeit-Entscheidung wegen. "Der damalige Bernburger Landrat hatte nicht hinnehmen wollen, dass Bernburg nicht das Finanzamt bekommen hatte, sondern Köthen. Aber Köthen bot bessere Voraussetzungen und war einfach fleißiger und schneller bei der Vorbereitung gewesen." Das Verfahren ging zugunsten von Stollberg aus und Köthen behielt sein Finanzamt - bis heute. Unter den vielen Geburtstagsgrüßen, die der scheidende Präsident erhalten hat, ist einer, der ihn besonders freut und besonders an die Wendezeit erinnert: Der Vorsteher eines Finanzamtes hat Stollberg die Kopie des Arbeitsvertrages geschickt, die Stollberg am 18. Mai 1990 unterschrieben hat.
Nach der Wende hat Erhard Stollberg vier Jahre für die CDU im Landtag von Sachsen-Anhalt gesessen. 1994 gab er Kreisvorsitz und sicheres Mandat auf, um als Senator in den Landesrechnungshof zu wechseln, wo er die Kommunalkontrolle aufbaute. Und wenn man einmal Senator ist, bleibt man das in der Regel bis zum Ende des Berufslebens.
Dass Stollberg im Alter von 60 Jahren noch mal wechselte, lag an Wolfgang Böhmer - und daran, dass Stollberg immer wieder neue Herausforderungen sucht. Der Job als Präsident der Oberfinanzdirektion war ein solcher: 2003 gehörte die Bundesvermögensverwaltung von Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und Bremen noch zu seinen Arbeitsfeldern, dazu acht Bundesforstämter und sieben Staatshochbauämter.
Als "formell mächtiger Mann" wurde er seinerzeit in den Medien beschrieben. Aber Stollberg hat in den fünf Jahren nahezu im Verborgenen gearbeitet: "Es war nicht mein Ding, mich vor Kameras oder Mikrofone zu drängen." Weit entfernt von jeglicher Selbstdarsteller-Attitüde hat er seinen "Laden" umgebaut, hat die Finanzen des Landes sauber und solide verwaltet, die Strukturen der Arbeit weiter fein geschliffen und verbessert.
Ein Resultat, das er nicht allein für sich in Anspruch nimmt. "Man muss seine Mitarbeiter mitnehmen", lautet sein Motto der Personalführung. Zu DDR-Zeiten hatte er "Spinnstunden", in denen er Mitarbeiter in seine Vorstellungen einweihte und deren Meinung dazu
wissen wollte. In der Finanzverwaltung hat er das fortgesetzt. Und gedrängt, dass wieder mehr mit Lob und Anerkennung gearbeitet wird. Man habe ihn dafür belächelt, "aber gewirkt hat es doch".
Der nun abgelaufenen Zeit blickt er nicht mit Wehmut hinterher. Und schon gar nicht mit der nagenden Sorge, ob der neue Mann alles richtig machen wird. Er kennt Beispiele von Spitzenbeamten und -politikern, die nicht loslassen können "und ihre Nachfolger nerven". Stolberg wird das nicht so gehen, ist er sicher: "Ich habe etwas gemacht aus meinem Amt, aber natürlich nicht alles geschafft. Da kann jetzt ein Neuer dran arbeiten, das ist gut so."
In ein Loch werde er nicht stürzen, "meine Frau hat so viele Ideen, was wir unternehmen können, da muss ich schon 100 werden". Er müsse freilich, sagt Erhard Stollberg und grinst, sich jetzt natürlich im "heimischem Management" von ganz unten hocharbeiten "und die Beförderungsmöglichkeiten sind begrenzt". Am ehesten noch bei den Enkeln, drei an der Zahl: Die könnten den Präsidenten a.D. zum "besten Opa der Welt" befördern. Wenn sie das nichts schon längst gemacht haben.