"Giovanni" mit 13 ? Plato "Giovanni" mit 13 ? Plato: Besucher der Köthener Bachfesttage bekommen ein ganz besonderes Bier

Köthen - Der Experte verwendet Worte, die dem normalen Konsumenten im Zusammenhang mit den Rohstoffen, aus denen sein Abendgetränk produziert wird, eher nicht über die Lippen kommen. Da ist - nur mal als Beispiel - von „grasiger Frische“die Rede. Oder von einem Dreiklang, gleich mehrfach übrigens.
Von Adjektiven wie fein, blumig, mild. Nein, wenn der Leser jetzt an Wein denkt, ist er auf der falschen Fährte. Es geht um viel Wichtigeres: Es geht um Bier. Und nicht um irgendein Bier aus dem Supermarktregal, sondern um „Giovanni“.
Das kennen Sie nicht? Vielleicht werden Sie es ja kennenlernen - justament in diesen Tagen ist dazu in Köthen bei den Bachfesttagen Gelegenheit. „Giovanni“ wurde in den zurückliegenden Monaten an der Forschungs- und Lehrbrauerei der Hochschule Anhalt in Köthen entwickelt.
„Giovanni“ soll nicht nur einen ideellen Brückenschlag zu Johann Sebastian Bach vollziehen
„Giovanni“ soll nicht nur einen ideellen Brückenschlag zu Johann Sebastian Bach vollziehen (hier kommt der erwähnte Dreiklang ins Spiel). Zur Herstellung wurden zudem Ingredienzien herangezogen, die, so hat es der Verfasser einer im Fachblatt „Brauwelt“ erschienenen „Giovanni“-Interpretation betont, den Ansprüchen Johann Sebastian Bachs gerecht werden sollen. Oder zumindest den Ansprüchen, von denen man mit mehr oder weniger Berechtigung annimmt, sie könnten Bachs Ansprüche sein.
Zum Beispiel an die Freuden des Lebens. Denen war der große Komponist wohl zugeneigt und auch die Gemälde, die es von Bach gibt, unterstützen diese Annahme. Allerdings scheint nur eins davon, das von Elias Gottlob Haußmann geschaffene Bildnis in zwei Fassungen aus den Jahren 1748 und 1748, den Meister tatsächlich zu zeigen.
Und ausgerechnet das zeigt einen Bach, der so gar nicht nach Wein, Weib und Gesang aussieht. Im Unterschied zu einem Bewirtungsbeleg aus dem Jahr 1716, der Auskunft darüber gibt, dass Bach gern ordentlich gegessen hat und wohl auch einen Stiefel an Alkohol vertrug.
Prof. Jean Titze, Bier-Experte an der Hochschule Anhalt
So dass er auf dem Haußmann-Porträt vielleicht doch nach Bier ausschaut, immerhin ein vielverwendetes Lebens- und weniger Genussmittel zu damaliger Zeit. Wenngleich auch das eine Vermutung bleiben muss. Das Barock ist schließlich schon so lange her und nicht für alles kann man nach mehr als 350 Jahren einen mit Quellen belegten Nachweis bringen. Wer hebt schon seine Rechnungen länger auf als es das Finanzamt fordert?
Umso gegenwärtiger im Unterschied zum Barock ist aber das „Giovanni“-Bier. Die Idee zu diesem speziellen Festival-Bier, an dem man sich gerade in den wackligen Zeiten von Corona festhalten kann, hatten der Intendant der Bachfesttage, Folkert Uhde, und der Präsident der Hochschule Anhalt, Prof. Jörg Bagdahn - beide sind immer für eine Überraschung in „Nebengewerken“ gut, das Festival-Bier ist nur ein weiterer Beleg dafür.
Und damit sind wir im sicheren Teil des Vorgangs. Denn Prof. Jean Titze, Bier-Experte an der Hochschule Anhalt, hat sich, unterstützt von zahlreichen Helfern, von denen der Student Johannes Jeske besondere Erwähnung verdient, mit der Kreation des Getränks nachweislich besonders viel Mühe gegeben.
Ebenso hat man nach einer historischen Hopfensorte gesucht
Zum Beispiel hat man intensiv nach einer Gerstensorte gesucht, die schon zu Bachs Lebzeiten zum Bierbrauen herangezogen wurde. Eine Gerste von gestern quasi. Die man in der Landgerste fand.
Ebenso hat man nach einer historischen Hopfensorte gesucht und sie im Rottenburger Spät gefunden, die laut Jean Titze schon lange aus den Sortenlisten verschwunden war. Und überhaupt nur durch einen Zufall überlebte: Eine „einzige, widerspenstige, zähe Pflanze am Ende einer Spitzreihe“, so Titze, hatte klammheimlich die letzten Jahrzehnte nach Aufgabe des Hopfenbaugebietes Rottenburg-Herrenberg-Weil der Stadt überlebt. Erst 2014 konnten aus diesem Hopfendinosaurier weitere Pflanzen vermehrt und kultiviert werden.
Herausgekommen bei der Bierbereitung im Drei-Geräte-Sudwerk der Hochschule Anhalt ist ein Märzenbier, womit man in den süddeutschen Ländern ein stärkeres Lagerbier bezeichnet, mit einem Alkoholgehalt von 5 Volumenprozent und einer Stammwürze von 13 Grad Plato. Eine Bezeichnung, die übrigens nichts mit griechischer Philosophie, sondern mit einem deutschen Chemiker zu tun hat.
„Giovanni“ gibt es dort, wo es Konzerte gibt
Apropos Bezeichnung: Der Name „Giovanni“ soll der Kosename sein, mit dem Bachs Ehefrau Anna Magdalena ihren Göttergatten tituliert habe. So hat es jedenfalls Carl Friedrich Zelter vermutet. Belegt ist das nicht, die Bach-Forschung lehnt das gar als „indiskutabel“ ab, kann man nachlesen - aber die Skribenten haben auch keine Ahnung von Marketing.
„Giovanni“ gibt es dort, wo es Konzerte gibt, auf dem Markt, vor dem Veranstaltungszentrum, vielleicht noch anderswo in der Bachstadt. Der Distribution habe man, so musste Folkert Uhde ein wenig betrübt zugeben, deutlich weniger Aufmerksamkeit gewidmet. Das macht die Sache speziell sympathisch: Noten- und Hopfen-Künstlern geht es in diesem Fall um das Besondere, nicht um schnöden Mammon. Das Bier gibt es vom Fass und in Flaschen. Insgesamt sind etwa 1.200 Flaschen abgefüllt worden, der Vorrat wird also nicht ewig reichen. Pro Flasche werden 3 Euro fällig, der Gewinn, den „Giovanni“ hoffentlich bringt, geht an die Künstler, sagt Jean Titze.
Dem das Brauen des „Giovanni“ offenkundig großes Vergnügen gemacht hat. Ein Vergnügen, an dem der Bachfest-Biertrinker seit Mittwoch Anteil haben kann. (mz)