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Gesichter aus Ton  Gesichter aus Ton : Bildhauer Harald Birck fertigt Charakterköpfe

Von stefanie greiner 27.02.2015, 09:21
Als Modell für einen Bildhauer hat Charlotte John mit ihren 85 Jahren noch mal eine völlig neue Erfahrung gemacht.
Als Modell für einen Bildhauer hat Charlotte John mit ihren 85 Jahren noch mal eine völlig neue Erfahrung gemacht. Heiko Rebsch Lizenz

köthen - Mit 85 Jahren für einen Bildhauer Modell zu sitzen - das hätte Charlotte John wirklich nicht zu träumen gewagt. Nun thront die Seniorin auf einem Stapel aus Holzpaletten und versucht, sich kein bisschen zu bewegen. Hochkonzentriert geht auch Harald Birck ans Werk.

Der Bildhauer aus Berlin hat schon viele Menschen porträtiert. Sogar Prominente. Jetzt ist er in Köthen, um Gesichter in Ton festzuhalten. Die Gesichter alter oder behinderter Menschen. Seine Charakterköpfe - Charlotte John gehört dazu - werden zum Sachsen-Anhalt-Tag in einer Ausstellung in der Agnuskirche zu sehen sein.

Senioren dürfen nicht vergessen werden

Wenn sich das Land von seiner schönsten Seite zeige, macht Kreisoberpfarrer Dietrich Lauter deutlich, dürften Senioren nicht vergessen werden. „Sie sind ein Schatz in unserem Land“, sagt er. „Denn ohne sie wären wir nicht da, wo wir heute sind.“

Die Idee zu dem Projekt hatte er schon vor ein paar Jahren. „Wir machen es nicht für den Sachsen-Anhalt-Tag, aber wir haben ihn zum Anlass genommen“, erklärt der Kreisoberpfarrer. Und das aus einem einfachen Grund: Die Aufmerksamkeit sei größer. Tausende würden die Ausstellung besuchen, ist Dietrich Lauter überzeugt. Er weiß: Das wäre ansonsten kaum zu schaffen.

Harald Birck hat er über dessen Lebensgefährtin Cordula Watzek kennengelernt. Die Töpfermeisterin war schon oft beim Töpfermarkt in Köthen dabei. Irgendwann kam schließlich die Idee auf, einige Ton-Charakterköpfe ihres Partners in Köthen auszustellen. Dass es nun Köpfe von Menschen aus der Bachstadt und ihrer Umgebung sein werden, freut Dietrich Lauter besonders. Wie viele es sein werden, steht noch nicht fest. Angedacht sind mindestens zwölf.

„Ich wusste gar nicht, dass ich so einen großen Kopf habe“, sagt Charlotte John und schmunzelt. Sie sitzt geduldig auf ihrem Stuhl, muss aber auch immer mal wieder die Position wechseln, damit der Bildhauer ihren Kopf von allen Seiten sehen kann. Für die 85-Jährige eine wahre Sporteinlage. „Dann kann ich meiner Therapeutin für heute absagen“, scherzt sie.

Der Kopf, erklärt Harald Birck, müsse groß sein, damit er auch aus der Entfernung wirke. Dass die auffallend grobe Struktur seiner Bildnisse von Nahem betrachtet etwas sonderbar erscheint, ist dem Bildhauer bewusst. Aber: „Das Grobe spielt ab zehn Metern keine Rolle mehr“, sagt er. Der Kopf würde dann erst richtig wirken.

Lesen Sie auf der nächsten Seite mehr über die Arbeit des Bildhauers Harald Birck an einem Charakterkopf.

Los geht’s bei Harald Birck immer mit der Grundform des Kopfes - bestehend aus zusammengeknülltem Zeitungspapier. Dieser Schritt ist entscheidend; das Papier bildet das Gerüst und stützt den Ton von innen. „Jeder Bildhauer hat eine andere Technik“, sagt er. Es brauche Jahre bis man ein Gefühl dafür entwickelt habe, wie das Papier geknüllt werden müsse.

Noch mehr als im Atelier zu stehen, liebt der Bildhauer seine wechselnden Wirkungsstätten. Er lässt die Umgebung auf sich wirken, unterhält sich mit dem jeweiligen Modell. Seine Eindrücke baut er dann in den Charakterkopf ein.

Harald Birck ist Maler, Bildhauer und Fotograf. Er lebt und arbeitet sowohl in Berlin als auch im französischen Marval.

Studiert hat der gebürtige Heidenheimer an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe. Er war Meisterschüler bei dem bekannten Bildhauer und Maler Klaus Arnold.

Der Bildhauer widmet sich vor allem Menschen, die von der Gesellschaft ausgegrenzt werden. In Zusammenarbeit mit der Berliner Stadtmission hat er zum Beispiel Porträtköpfe von obdachlosen Menschen angefertigt.

In Köthen war Harald Birck schon einmal. 2013 hielt er Bewohner des Lutzestifts in Ton fest.

Dass Charlotte John aus dem Köthener „Rosenhain “ Teil der Ausstellung sein wird, ist Silke Zimmermann zu verdanken. Die Ergotherapeutin des Seniorenpflegeheims war begeistert, als die Pfarrer Dietrich Lauter und Martin Stegmann von ihrer Idee erzählten. „Das Projekt liegt mir am Herzen, um Barrieren zwischen Heim und Bevölkerung abzubauen“, sagt Silke Zimmermann. Sie erzählt, dass sich manche nur schwer daran gewöhnen würden, ihre Angehörigen altern zu sehen. „Auch ein alter und kranker Mensch kann schön sein.“ Genau das möchte die Ergotherapeutin mit dem Projekt zum Ausdruck bringen.

Die Arbeit am Charakterkopf

Nach knapp vier Stunden ist der Charakterkopf von Charlotte John fertig. Fast fertig. Jetzt muss er drei Wochen trocknen, dann wird er bei 1.100 Grad im Ofen gebrannt. Charlotte John kann es kaum erwarten, sich zum Sachsen-Anhalt-Tag in der Agnuskirche als Ausstellungsstück zu bewundern. Neben vielen tausenden Besuchern. Hoffentlich. (mz)

Knapp vier Stunden hat Harald Birck für das Bildnis von Charlotte John gebraucht. Der Kopf wiegt rund 30 Kilogramm.
Knapp vier Stunden hat Harald Birck für das Bildnis von Charlotte John gebraucht. Der Kopf wiegt rund 30 Kilogramm.
Heiko Rebsch Lizenz