"Gelbe Karte" für 515 Steine "Gelbe Karte" für 515 Steine: Viele Grabsteinen im Südlichen Anhalt mit mangelnder Standsicherheit

Gröbzig - Martha W. staunte nicht schlecht, als sie dieser Tage auf den Friedhof in Gröbzig ging, um das Grab ihres Mannes winterfest zu machen und für den Totensonntag zu schmücken. Ihr Staunen wandelte sich aber schnell in Verärgerung.
Auf dem Grabstein klebte ein lindgrüner Zettel mit der Aufschrift: „Achtung. Dieser Grabstein ist nicht mehr standsicher und muss umgehend wieder fachgerecht befestigt werden.“ Das mit der Standunsicherheit wollte die Frau aus der Fuhnestadt auch gar nicht anzweifeln - aber eins hat sie doch sauer gemacht: „Musste man jetzt so kurz vor dem Totensonntag den Grabstein bekleben?“
Dazu ist einiges zu sagen und auch im Bauausschuss der Stadt Südliches Anhalt spielten die Ergebnisse und die Umstände der Grabsteinprüfung eine Rolle. Bernd Thormann, oberster Bauverwalter im Südlichen Anhalt, hatte darüber informiert, dass man in diesem Jahr sage und schreibe bei 515 Grabsteinen und Steinkreuzen einen Warnhinweis hatte anbringen müssen.
Stadt trägt die Verantwortung für die Verkehrssicherung auf dem Friedhof
„Die Untersuchung ist Pflicht“, stellte Thormann fest, denn die Stadt trage auf ihren kommunalen Friedhöfen die Verantwortung hinsichtlich der Verkehrssicherung und damit auch, dass niemand durch einen eventuell umstürzenden Grabstein zu Schaden kommen kann.
Zu diesem Zweck werden alle Grabsteine auf allen Friedhöfen im Südlichen Anhalt - und das sind immerhin 26 an der Zahl - mit einem sogenannten Kipp-Tester überprüft, der am Grabstein mit einer Kraft von 300 Newton nicht rüttelt, sondern drückt. Vereinfacht gesagt ist das so, als würde man mit einem Aufwand von 30 Kilo gegen den Stein drücken - und dabei kontrollieren, ob er dadurch ins Wackeln gerät.
Und das geschah in diesem Jahr bei ausgesprochen vielen Grabsteinen, denn im vergangenen Jahr, so die Auskunft aus der Friedhofsverwaltung des Südlichen Anhalt, waren 182 Grabsteine nicht standsicher. Trotz der großen Zahl der „Wackelsteine“ will die Verwaltung nun aber die betroffenen Grabpächter nicht über Gebühr unter zeitlichen Druck setzen „Wir werden alle anschreiben“, erläutert Bernd Thormann im Ausschuss, „und auch im Amtsblatt noch mal darauf hinweisen.“
Viele Steinmetzbetriebe für die Arbeiten an den Grabsteinen gibt es in der näheren Umgebung nicht
Ansonsten weiß der Fachbereichsleiter, dass einer schnellen Behebung des Mangels mindestens zwei Dinge entgegenstehen: Es ist zum einen nicht unbedingt das Wetter, um mit Mörtel am Grabstein zu arbeiten (Kleber als Verbundmaterial zu verwenden ist verboten), zum anderen dürfte es gar nicht so einfach sein, eine zugelassene Fachfirma für die Wiederherstellung der Standfestigkeit zu finden - so viele Steinmetzbetriebe gibt es in der näheren Umgebung nun auch nicht. Und dazu kommt noch ein Drittes: Eigentlich ist es üblich, die Grabsteinprüfung nach der Frostperiode zu vollziehen, weil Fröste zur Lockerung des Grabmals beitragen können - der November ist an sich ein bisschen weit von der letzten Frostperiode entfernt.
Andererseits hatte die Stadt die Durchführung der Grabsteinprüfung in diesem Jahr zum ersten Mal nicht mehr in der eigenen Hand, sondern hatte den Auftrag aus schlichtweg personellen Gründen an eine Fremdfirma vergeben.
Für 2018 will man sich bemühen, dass die Prüfung eher durchgeführt wird
„Und die Firma hat erst einmal die Aufträge ihrer Altkunden abgearbeitet“, erläuterte Bürgermeister Thomas Schneider das Zustandekommen des späten Termins. „Uns hat man da etwas nach hinten geschoben.“ Und eben so dicht an den Totensonntag heran, dass dies auch noch zu optischen Unschönheiten führte. Für 2018 will man sich auf alle Fälle bemühen, dass die Prüfung eher durchgeführt wird. „Es wird gern vermutet, dass wir so etwas absichtlich machen“, klagt Schneider, „was aber nicht so ist.“
Die Gelassenheit im Südlichen Anhalt hinsichtlich der Befestigung der Grabsteine rührt auch daher, dass man zwar 515 Steinen die „Gelbe Karte“ gezeigt hat, aber nur einem Bruchteil davon faktisch ein Grabfeldverweis aussprechen, sie umkippen und aufs Grab legen musste. „Das“, sagt Bernd Thormann, „waren gerade sieben Stück.“ (mz)