Frauentag Frauentag: Der "Hahn" im Korb

köthen/MZ - Der Internationale Frauentag ist geradezu dafür prädestiniert, eine „Amazone“ der Gesellschaft zu Wort kommen zu lassen, die sich in einer Männerdomäne behauptet. Die MZ hat sich für den heutigen Frauentag aber überlegt, den Spieß einfach mal umzudrehen – also einen Mann vorzustellen, der in einer Frauendomäne zu Hause ist. Und wer wäre da besser geeignet, als Klaus Radestock? Denn er ist der einzige Mann, der eine Kindertagesstätte in Köthen leitet.
Der „Kopf“ der evangelischen Kita „Guter Hirte“ arbeitet mit neun Erzieherinnen und zwei Küchenfrauen zusammen. Er ist der sprichwörtliche Hahn im Korb, auch wenn er sich nicht als solcher sieht. Denn von Frauen- und Männerdomänen zu sprechen, davon hält der 38-Jährige nicht viel.
Neu orientiert
Ob jemand für einen Beruf geeignet sei, hänge nicht vom Geschlecht ab, so Klaus Radestock. Dass er jedoch einmal Kita-Leiter werden würde, hätte er noch vor zehn Jahren selbst nicht für möglich gehalten. In der Fachschule für Sozialpädagogik in Bernburg-Roschwitz hat er zu dieser Zeit eine Ausbildung zum Erzieher begonnen. Fuß fassen wollte er eigentlich in einer ganz anderen Branche.
In Halle hatte Klaus Radestock Jura studiert und in einer Anwaltskanzlei gearbeitet – ein Beruf, den er sich irgendwie anders vorgestellt hatte. Er sattelte um. Nach der fünfjährigen Erzieher-Ausbildung arbeitete er vier Jahre im Kinderheim in Krosigk (Saalekreis). Und las dann die Stellenanzeige für die Kita „Guter Hirte“ in Köthen. Und die kam ihm ganz recht. „Ich wollte aus dem Schichtdienst raus“, sagt er. Außerdem sei es sein Wunsch gewesen, irgendwann einmal in einer evangelischen Einrichtung zu arbeiten.
Seiner neuen Aufgabe fühlte sich der 2,06-Meter-Mann allemal gewachsen. „Ich komme aus einer Großfamilie“, sagt er. Der gebürtige Naumburger wuchs auf einem Bauernhof auf, wo mehrere Generationen unter einem Dach lebten. „Kinder waren immer mit dabei“, erinnert er sich. Fröhliches Kinderlachen klingt auch heute noch wie Musik in seinen Ohren.
Seit August 2008 ist er nun Leiter der Kita „Guter Hirte“ – eine Arbeit, die er nicht missen möchte. Auch wenn der Schreibkram immer mehr Zeit fressen würde, verlasse er sein Büro jeden Tag mit einem Gefühl der Zufriedenheit. Das liege nicht zuletzt an der Unterstützung des Trägers, also der Kirchengemeinde St. Jakob, der Eltern und der Sponsoren. Jede helfende Hand ist gern gesehen.
Allerhand hat Klaus Radestock in den vergangenen fünf Jahren auf den Weg gebracht. So machte sich der Kita-Leiter für eine Ganztagsversorgung stark – eine Idee, die nicht bei allen Eltern auf offene Ohren stieß. Dass das Essen für die Kinder in der Küche der Einrichtung vor jeder Mahlzeit frisch zubereitet wird, lockt andererseits aber viele neue Interessenten in die Kita. Und zwar so viele, dass Klaus Radestock – sehr zu seinem Bedauern – immer wieder absagen muss. Denn die Kita platzt aus allen Nähten. Mit 80 Kindern sind die Kapazitäten ausgeschöpft.
Kita zieht um
„Es gibt einen kleinen Lichtblick“, sagt er. Im April oder Mai, so genau will und kann er sich nicht festlegen, zieht die Einrichtung in das Wolfgangstift. Und dann haben die Kinder nicht nur mehr Platz – mindestens fünf neue Plätze sollen geschaffen werden. Dass die Einrichtung so gefragt ist, hängt ihm zufolge mit der hervorragenden Arbeit seines Teams zusammen.
Der Kita-Leiter verspricht sich auch einen besseren Austausch mit den anderen Einrichtungen der Kirchengemeinde, also dem Kinder- und Jugendzentrum „Popcorn“ und dem Kinderheim „Arche“.
Dass die Kita bald von der Bärteichpromenade 16 in die Bärteichpromenade 12 zieht, ist nicht zuletzt seiner Beharrlichkeit zu verdanken.
Der Hahn im Korb zu sein, damit hat Klaus Radestock zwar kein Problem. Der 38-Jährige würde sich trotzdem über Unterstützung freuen. Denn Männer, das macht er deutlich, seien in Kitas noch immer Mangelware. Und das in einer Zeit, in der Kindern zu Hause nicht selten eine männliche Bezugsperson fehle, findet er.