1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Köthen
  6. >
  7. Forderung aus Köthen an die EU

Forderung aus Köthen an die EU

Von THOMAS RINKE UND CLAUS BLUMSTENGEL 21.06.2009, 17:22

KÖTHEN/MZ. - "Ich freue mich, dass der Sprachtag bereits nach so kurzer Zeit schon zu einer Tradition mit Außenwirkung geworden ist", sagte Lauter. Von Seiten der Stadtverwaltung dankte der stellvertretende Bürgermeister Alexander Frolow den Veranstaltern für ihre Mühen. "Die Gesellschaft hat sich in der kurzen Zeit seit ihrer Wiederbegründung bereits ein beachtliches Renommee unter Fachleuten erarbeitet", so Frolow.

Mit einem Vortrag über die europäische Akademiebewegung eröffnete Dr. Manfred Betz den wissenschaftlichen Teil des Tagesprogramms. Darin setzte er sich mit dem Verhältnis von Sprache und Politik auseinander und den damit verbundenen Motiven einer Sprachgesellschaft. Im Anschluss stellte Michael Mühlenhorst Friedrich Schiller als Sprichwortautor vor sowie Georg Büchmann, den Autor der "Geflügelten Worte".

Allgemein beklagt und mit zahlreichen Beispielen nachgewiesen wurde auf dem 3. Sprachtag die stiefmütterliche Behandlung der deutschen Sprache in den Institutionen der Europäischen Union. Dass dies nicht etwa nur ein kosmetischer Mangel ist, sondern handfeste wirtschaftliche Nachteile für mittelständische Unternehmen in Deutschland mit sich bringt, erläuterte am Sonnabend Dr. Dietrich Voslamber, Vorstandsmitglied des Vereins für Deutsche Sprache Freiburg und ehemaliger EU-Beamter. "Deutsch führt in der EU ein Schattendasein", behauptete er vor den rund 70 Teilnehmern und führte zum Beweis Wirtschaftsdatenbanken, Förderrichtlinien, internationale Kooperationsprogramme, Ausschreibungen und Dokumente für die nationalen Parlamente an, die entweder ausschließlich in Englisch und Französisch veröffentlicht werden oder in deutscher Sprache nur drastisch gekürzt bzw. mit zeitlicher Verzögerung erscheinen.

Mehrfach wurde auf dem Sprachtag die Forderung laut, zumindest Antragsformulare für Fördermittel an deutsche Unternehmen und Agrarbetriebe in deutscher Sprache herauszugeben. In vielen Fällen würden sonst kleinere Unternehmen, die keine personellen und zeitlichen Kapazitäten für die Übersetzung hätten, von Fördermöglichkeiten und Märkten ausgeschlossen, und das, obwohl deutsch von den meisten Menschen in der EU gesprochen wird und die Bundesrepublik der größte Nettozahler der Gemeinschaft ist.

Die deutschsprachigen EU-Kommissare hätten die Chance, der deutschen Sprache größere Geltung zu verschaffen, nicht genutzt. So würde laut Voslamber EU-Kommissar Günter Verheugen selbst dann Englisch sprechen, wenn ein Übersetzer zur Verfügung steht. Ebenso bediene sich Österreichs EU-Kommissarin Benita Ferrero-Waldner ausschließlich des Englischen. Dagegen würde der tschechische EU-Kommissar Vladimir Spidla bei offiziellen Anlässen ab und zu deutsch sprechen. Allerdings würden die Institutionen der EU auf Kritiken und Anregungen von Bürgern durchaus reagieren, wie die wachsende Zahl ihrer deutschsprachigen Internetseiten beweise, so Voslamber.

Die Ursache für die geringe Rolle der deutschen Sprache in der Europäischen Union war bald ausgemacht: Die Deutschen selbst, so das Fazit des Vortrags vom Mitglied der Neuen Fruchtbringenden Gesellschaft, Thomas Paulwitz, widmen ihrer Sprache nicht die nötige Aufmerksamkeit. So habe die Muttersprache in den EU-Wahlprogrammen der Linken, von Bündnis '90 / Die Grünen und der FDP überhaupt keine Rolle gespielt und das Programm der SPD sei zum Teil in schwer verdaulichen Schachtelsätzen abgefasst, die der Referent augenzwinkernd in verständliches Deutsch übertrug. Demgegenüber lobte Paulwitz aus sprachlicher Sicht das EU-Programm der CSU.

Kritisiert wurde von Teilnehmern des Sprachtages, dass die deutsche Sprache nicht als Landessprache im Grundgesetz steht, wie in Österreich, der Schweiz und Liechtenstein. Eine entsprechende Unterschriftenliste mit dieser Forderung lag aus.

Für eine stärkere Berücksichtigung der deutschen Sprache innerhalb der EU hat sich auf dem Sprachtag auch Sachsen-Anhalts Europaminister Rainer Robra ausgesprochen, der sich davon "mehr Bürgernähe" und größere Akzeptanz seitens der Bürger verspricht. Unternehmen dürften nicht benachteiligt werden, weil Ausschreibungen nicht in ihrer Sprache vorlägen. Weit über 90 Millionen Menschen in der EU hätten Deutsch als Muttersprache, argumentierte Robra. Dem werde bislang zu wenig Rechnung getragen. Ein sicherer Umgang mit der Muttersprache sei außerdem Voraussetzung dafür, sich eine umfassende Bildung anzueignen, meinte der Minister, der in diesem Zusammenhang die Bemühungen der Neuen Fruchtbringenden Gesellschaft um die Pflege der deutschen Sprache würdigte.