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Erinnerungen an die Flut 2013 Erinnerungen an die Flut 2013: Aken will nicht vergessen

Von Claus Blumstengel 09.06.2014, 14:33
Vizelandrat Bernhard Böddeker (links) übernimmt den Sandsack in Höhe des Fährhauses vom Hamburger Fußballer Thobias Graf.
Vizelandrat Bernhard Böddeker (links) übernimmt den Sandsack in Höhe des Fährhauses vom Hamburger Fußballer Thobias Graf. Ute Nicklisch Lizenz

Obselau/Aken/MZ - Es war 9.40 Uhr, als am Pfingstsonntag von fern Sirenengeheul zum Elbdeich bei Obselau drang. Dieses in Mark und Bein dringende Geräusch aus Susigke, Kühren und Kleinzerbst sollte an das Geschehen vor genau einem Jahr erinnern, als die Elbe das Hochufer im Dessauer Busch bei „Mutter Sturm“ und den aus dem Jahr 1860 stammenden alten Deich dort überflutete, als die Meldung vom Deichbruch an der Saale bei Groß Rosenburg kam, als absehbar war, dass Aken vom Wasser eingeschlossen werden würde und das Städtchen - zum ersten Mal in seiner 850-jährigen Geschichte - evakuiert werden musste.

Startsignal weckt Erinnerungen

Die Sirenen gaben am Sonntag gleichzeitig das Startsignal für Oberstabsfeldwebel Torsten Hohenstein vom Logistikbataillon 172 der Bundeswehr in Beelitz und Hauptbrandmeister Michael Kiel von der Freiwilligen Feuerwehr Aken. Die beiden waren die ersten Starter eines zehn Kilometer langen Sandsack-Staffellaufes mit 100 Teilnehmern, den die Bürgerinitiative „Hochwasser Aken (Elbe)“ organisiert hatte. „Wir wollen mit diesem Lauf an das Hochwasser 2013 und die damals aufgetretenen Probleme erinnern aber auch auf noch bestehende kritische Punkte und erforderliche Arbeiten am Deich aufmerksam machen, damit nicht wieder eine Stelle vergessen wird“, erklärte Stefan Krone, Mitglied der Bürgerinitiative und Vorsitzender des Stadtrates von Aken.

Ort des Starts und die Starter selbst waren wohlgewählt: Jene Stelle im Deich bei Obselau war vor einem Jahr abgerutscht, die Elbe drohte das gesamte Gebiet zu überfluten. Bundeswehrsoldaten aus Beelitz gelang unter großer Kraftanstrengung schließlich das nahezu Unmögliche: Sie haben die Schwachstelle wieder geschlossen.

Den Soldaten dankbar

„Wenn die Bundeswehr den Deich hier nicht gehalten hätte, wäre es uns wie denen in Fischbeck gegangen“, ist Hartmut Borghardt noch heute dankbar. Er wohnt nur wenige hundert Meter entfernt in Obselau und wollte unbedingt beim Staffellauf zuschauen. „Wenn einer ausfällt, laufe ich selbstverständlich mit“, kündigte er an.

Nicht so viel Glück wie Borghardt, dessen Haus wie alle anderen in Obselau trocken geblieben war, hatte das Ehepaar Anneliese und Dietrich Klotz aus Aken. „1,60 Meter hoch stand das Wasser in unserem Haus“, blickte Anneliese Klotz zurück und meinte: „Ich finde es toll, dass heute an die Hochwasserkatastrophe und an den Einsatz der Helfer erinnert wird.“

Die Bürgerinitiative „Hochwasser Aken (Elbe)“ wurde im November 2013 von Siegfried Mehl, Michael Kiel, Ingolf Todte, Nico Kämpfert, Stefan Krone und Marko Gregor gegründet.

Ihr Ziel war es zum einen, die Probleme bei der Verteidigung der Deiche und beim Betrieb des Schöpfwerkes aufzuarbeiten und daraus Lehren zu ziehen, zum anderen will sie auf noch bestehende Schwachstellen im Deich hinweisen. „Diese Katastrophe darf nicht in Vergessenheit geraten“, beschreibt Mitglied Stefan Krone das Anliegen.

Die sechs Mitglieder wollen konstruktiv mit Umweltministerium und Landesbetrieb für Hochwasserschutz zusammenarbeiten.

Demnächst soll es eine Aktion zum Einsammeln zahlreicher noch im Dessauer Busch liegender Sandsäcke geben.  CB

Viele von ihnen liefen am Sonntag mit, darunter Angehörige der Freiwilligen Feuerwehren Aken, Osternienburg, Reppichau und aus der Partnerstadt Erwitte, Leute vom Technischen Hilfswerk Lübben, der Meliorationsingenieur Siegfried Mehl, der mit seinen Kenntnissen im Kampf gegen das Hochwasser eine wichtige Rolle spielte, und viele, viele Akener, die als Deichwachen oder beim Sandsackfüllen eingesetzt waren. Auch Bernhard Böddeker, als amtierender Landrat damals Leiter des Katastrophenstabes, und der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion Rüdiger Erben, der sich in Magdeburg für den Hochwasserschutz um Aken einsetzt, trugen den Sandsack über einen der 100 Meter langen Staffel-Abschnitte.

Auch Marcel Waßmer und Thobias Graf aus Hamburg waren beim Sandsacklauf dabei. Mit ihren Mannschaften SV Nettelnburg und SV Allermöhe wollten sie eigentlich an einem Fußballturnier des TSV Elbe Aken gegen Hertha Osternienburg, SG Nienburg und SG Reppichau teilnehmen, haben sich dann aber spontan entschieden, gemeinsam mit Patrick Welsch aus ihrem Akener Partnerverein mitzulaufen. Als die Hamburger Sportler vor einem Jahr von dem Hochwasser hier erfuhren, haben sie ein Benefiz-Turnier organisiert und für die Stadt Aken Spenden gesammelt. „Die Elbe verbindet uns doch“, erklärte Marcel Waßmer die Motivation der Hamburger.

Mary-Ann (9) aus Aken gehörte zu den jüngsten Staffelläufern. Auch sie und ihre Eltern verbinden mit den Tagen ab dem 8. Juni 2013 bewegende Erinnerungen. Anja und Guido Schröder, beide Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr, waren im Katastropheneinsatz. Ihre Tochter Mary-Ann hatten sie zur Tante nach Leipzig gebracht. „Da war sie gut aufgehoben und wir hatten beim Einsatz den Kopf frei“, blickt ihr Vater zurück.

Ziel der 100 Staffelläufer war jene Stelle an der L 63 zwischen Aken und Dessau, wo Mitarbeiter der Firma Jägerbau, die Freiwillige Feuerwehr Aken und Angehörige der Bundeswehr in schier übermenschlichem Einsatz innerhalb weniger Stunden einen Notdeich errichtet hatten. Dort wurde am Sonntag vor rund 300 Menschen ein Gedenkstein enthüllt, ein sogenannter Wasserbaustein, dessen Inschrift an die Hochwasserkatastrophe erinnert.

Nachdem Pfarrer Günther Werner von der katholischen Gemeinde St. Konrad den Gedenkstein gesegnet hatte, blickte Bürgermeister Hansjochen Müller (SPD) nochmals auf die Geschehnisse vor einem Jahr zurück, unter anderem auf die Falschmeldung, nach dem Deichbruch bei Groß Rosenburg würde das Saalewasser in einer Stunde in Aken sein, was zur umgehenden Evakuierung führte, zumal auch das Elbwasser von „Mutter Sturm“ her Richtung Stadt strömte. Drei Tage hat das Saalewasser dann bis kurz vor Aken gebraucht.

Kritische Worte

Rund zwei Millionen Kubikmeter Wasser sind in jenen Tagen in das Gebiet um Aken geflossen, bis der Deichbruch im Dessauer Busch geschlossen werden konnte. Müller kritisierte, dass die abgerutschte Stelle des Deiches bei Obselau, die im Salzlandkreis liegt, bis heute nicht wieder ordentlich instand gesetzt worden ist und versicherte, dass er nicht locker lassen wird, „damit die Menschen so etwas nicht noch einmal erleben müssen“.

Alles rund um die Flut 2013 und wie es ein Jahr später vor Ort aussieht, erfahren Sie im Internet unter

www.mz-web.de/hochwasser

Steinmetzmeister Andreas Gaedke meißelt die Inschrift in den Gedenkstein.
Steinmetzmeister Andreas Gaedke meißelt die Inschrift in den Gedenkstein.
Ute Nicklisch Lizenz