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Entwicklungshilfe Entwicklungshilfe: Unterwegs im Kongo und anderen Ländern Afrikas

Von Helmut Dawal 05.08.2017, 09:00
An den Landkarten in seinem Büro kann Rainer Tögel zeigen, in welchen Ländern die Projekte von Agricorp umgesetzt werden.
An den Landkarten in seinem Büro kann Rainer Tögel zeigen, in welchen Ländern die Projekte von Agricorp umgesetzt werden. Heiko Rebsch

Edderitz - Mehrere Landkarten hängen in Rainer Tögels Büro in Edderitz. Wenn er jemandem erklären will, wo er gerade war, zeigt er auf die Karte. Dann kann man sich das besser vorstellen, auf welchem Fleck der Erde der 51-Jährige gerade tätig ist.

Kongo in Zentralafrika gehört mit dazu. In der ländlichen Region Lovakou ist die in Monaco ansässige Firma Agricorp S.A.M. gegenwärtig dabei, ein landwirtschaftliches Entwicklungsprojekt umzusetzen, das Menschen in Arbeit bringen und zur besseren Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln beitragen soll. Rainer Tögel, gelernter Landwirt, war viele Jahre im Bereich Agrarwirtschaft und Bioenergie als Berater tätig, war unter anderem in osteuropäischen Ländern im Einsatz. Vor 14 Monaten erhielt er das Angebot, bei Agricorp als Direktor zu arbeiten. Und sagte zu. „Es ist eine hochinteressante Aufgabe“, begründet er.

Der Kontinent braucht Landwirtschaft

In Afrika, erklärt Tögel, werden nur drei Prozent der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche auch tatsächlich landwirtschaftlich genutzt. Dabei brauche der Kontinent dringend mehr Landwirtschaft für die Ernährung seiner Menschen. Andererseits müssten viele afrikanische Länder Lebensmittel importieren und teuer dafür bezahlen. „Auf dem Weltmarkt kostet eine Tonne Reis etwa 400 Euro. Im Kongo muss man auf dem lokalen Markt 1 500 Euro dafür zahlen“, nennt der Edderitzer einen Vergleich. Viele Kongolesen könnten sich dieses Grundnahrungsmittel kaum leisten. „Die Packungsgrößen enden meist bei 200 Gramm. Mehr können die Leute nicht bezahlen, weil Reis so teuer ist.“

Agricorp sieht einen Weg zur Verbesserung der Situation darin, Grundnahrungsmittel vor Ort für den lokalen Markt zu produzieren. „Wir sind aber keine Hilfsorganisation, sondern ein nach betriebswirtschaftlichen Kriterien arbeitendes Unternehmen“, betont Rainer Tögel. Natürlich wolle das Unternehmen Geld verdienen, doch die Regionen hätten auch Vorteile durch das wirtschaftliche Engagement von Agricorp. „Die Menschen bekommen Arbeit. Und wir tragen durch verschiedene Infrastrukturmaßnahmen dazu bei, die Lebensverhältnisse zu verbessern.“

Prüfung der ökologischen Auswirkungen

In Lovakou geht es darum, mehrere tausend Hektar Land urbar zu machen und darauf Reis anzubauen. Rainer Tögel hat mit weiteren Mitarbeitern vor etwa einem Jahr mit den Vorbereitungen begonnen. Für das Territorium, das man für geeignet hielt, wurden Umwelt- und Sozialstudien erarbeitet. „Ohne diese Studien investieren wir nicht.“ Man prüfe beispielsweise, welche negativen Einflüsse die Umwandlung von Steppen- in Ackerland auf die Tier- und Pflanzenwelt haben könnte. Bei den Planungen werde das Umfeld der Dörfer und ihrer Menschen berücksichtigt, wo sich beispielsweise Kultstätten, Friedhöfe oder traditionelle Jagdgebiete befinden.

„Wir machen nichts über die Köpfe der Menschen hinweg. Ärger mit der Bevölkerung nützt nichts.“ Dann kämen die Verhandlungen mit den Präfekturen hinzu, beispielsweise zu den Pachtverträgen für das Land. Zumeist handelt es sich um staatliche Flächen. Mit den Verantwortlichen aus der Region werde gemeinsam festgelegt, was Agricorp zur Infrastruktur beitragen kann. „Wir bauen Schulen neu, elektrifizieren Dörfer oder bohren Brunnen. Das ist der Deal zwischen uns und der lokalen Bevölkerung“, sagt Rainer Tögel.

200 Tage im Jahr unterwegs

300 Menschen wurden inzwischen für das Projekt in Lovakou eingestellt, machen die Felder urbar und haben den ersten Reis angebaut. „298 Einheimische sind dabei. Die anderen beiden sind deutsche Agraringenieure, die die Arbeiten anleiten.“

Etwa 200 Tage im Jahr ist Rainer Tögel unterwegs, im Kongo ebenso wie in Madagaskar, Kamerun oder Guinea, wo Agricorp ebenfalls aktiv ist. Er kann viele Episoden von seinen Reisen berichten. Einmal fuhr ihm der Schreck in die Glieder, als er von einem mit einer Kalaschnikow bewaffneten Polizisten verhaftet wurde. „Ich hatte einen Holzverschlag mit einer blauen Folie davor fotografiert. Nie ihm Leben hatte ich gedacht, dass das eine Polizeiwache ist.“ Eine dreiviertel Stunde dauerte es, bis der Ordnungshüter überzeugt war, dass Tögel kein Spion ist.

Arbeit auch mit politischer Dimension

Der gebürtige Regensburger, der seit 2004 mit seiner Familie in Edderitz lebt, sieht in seiner Arbeit und der Firmenphilosophie von Agricorp auch eine politische Dimension. „Nur Leute, die absolut hoffnungslos sind, machen sich auf den Weg durch die Sahara, um dann übers Mittelmeer zu rudern und dabei ihr Leben zu riskieren. Wenn die wissen, dass sie nächste Woche genauso zur Arbeit gehen können wie diese Woche und am Montag ihr Geld kriegen, dann laufen die auch nicht los“, sagt Tögel.

(mz)