Energieversorgung Energieversorgung: Fliegende Kontrolleure

Köthen/MZ - Was wird das? Warum fliegt der Hubschrauber so nahe an die große Stromleitung heran? Und warum fliegt er so langsam? Das wird sich mancher gefragt haben, der kürzlich einen blau-silbernen Helikopter gesehen hat, der sich gemächlich entlang einer 110-Kilovolt-Leitung von Köthen südwestlich in Richtung Könnern bewegte.
Es handelt sich um einen Kontrollflug, aus der Sicht von Pilot Siegfried Lange völlig unspektakulär. Auch seine beiden Passagiere sehen das so. Michael Merk, Mitarbeiter beim Fachreferat Leitung der Mitnetz Strom GmbH, und sein Kollege Siegfried Hörig vom Bereich Anlagenmanagement/Instandhaltung lassen sich durch die Lüfte schaukeln, um die Hochspannungsleitung zu inspizieren. An diesem Tag ist es die Leitung, die die Umspannwerke Marke und Klostermansfeld verbindet. „Einmal im Jahr machen wir im gesamten Netzbereich eine solche Kontrollbefliegung, schauen uns die Leitungen und die Masten genau an“, sagt Michael Merk. Eine regelmäßige Kontrolle der Anlagen sei sehr wichtig, um eine sichere Versorgung der Stromkunden zu gewährleisten.
Seile, Mastkonstruktion, Isolatoren und Armaturen nehmen Merk und Hörig während des Fluges in Augenschein. Die Freileitungen sind Wind und Wetter ausgesetzt. Und es gibt noch andere Störfaktoren. „Wenn sich beispielsweise die Bindfäden von Luftballons oder Drachen in den Leitungen verfangen. Werden die Bindfäden feucht, kann es schnell zu Erdschlüssen kommen. Dann schaltet sich die Leitung automatisch ab“, erläutert Michael Merk. Seile können auch durch Blitzeinschläge beschädigt worden sein oder sie dröseln durch Materialermüdung langsam auf. „Bei Seilschäden muss umgehend gehandelt werden. Hier werden sofort Reparaturen in die Wege geleitet“, sagt Merk.
Mit dem Tablet-PC gegen Bäume, Sträucher und Baustellen
Auch das Umfeld der Masten und Leitungen müsse überprüft werden. Bäume und Sträucher dürfen dort nicht hineinwachsen, da gibt es festgeschriebene Abstände, die nicht überschritten werden dürfen. „Kritischen Bewuchs lassen wir entfernen“, erklärt Merk. Manchmal werden auch Deformierungen am Mast festgestellt. „Es kommt schon mal vor, dass ein Landwirt mit einer Großmaschine dort aneckt“, berichtet Siegfried Hörig. Nicht zuletzt werde ein Blick auf die Leitungstrasse geworfen, vor allem dann, wenn in unmittelbarer Nähe Bauarbeiten stattfinden. „Nicht jede Firma macht sich die Mühe und besorgt sich den dafür erforderlichen Schachtschein“, weiß Merk zu berichten. Die beim Flug festgestellten Unregelmäßigkeiten werden in einen Tablet-PC eingegeben. „Darin ist unser Netzgebiet gespeichert. Ich kann die jeweilige Leitung heranzoomen, schalte das GPS ein, das alle Masten anzeigt. Diese moderne Technik ist genau und hilfreich“, so Merk.
Die beiden Leitungskontrolleure vertrauen voll und ganz auf das Können von Siegfried Lange. Er steuert den Helikopter vom Typ „Bell 206 Jet Ranger“. Lange ist erfahren. Zuerst ist er bei der Interflug Agrarflieger, schult dann 1979 auf den Ka-26, einen Hubschrauber sowjetischer Herkunft, um. In den vergangenen Jahren hat sich Lange auf das Abfliegen von Stromleitungen und Ferngastrassen spezialisiert. Sein „Jet Ranger“ schafft spielend eine Geschwindigkeit von über 200 Kilometer pro Stunde. So schnell kann er aber nicht fliegen, die Kontrolleure würden nichts sehen. So lässt Lange seinen Hubschrauber beinahe im Schritttempo an den Leitungen entlang schweben. „Wir fliegen zwischen 15 und 30 Kilometern pro Stunde“, erklärt er. Gänzlich ungefährlich sei der Kontrollflug nicht, denn der Heli müsse relativ dicht an die Freileitungen heranfliegen.
Rund 60 Kilometer ist die Hochspannungstrasse von Marke bis nach Klostermansfeld lang. Genau 222 Masten stehen auf dieser Strecke. Laut Merk ist es die längste Leitung im Gebiet von Mitnetz.