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Eintrag in Ehrenbuch Eintrag in Ehrenbuch: Gröbziger Familie versteckte 1945 einen geflohenen KZ-Häftling

Von Doreen Hoyer 26.10.2019, 10:00
Karola Ebert (li.) und Sonja Hohmuth unterschreiben im Ehrenbuch Zivilcourage, das Hans Richter führt.
Karola Ebert (li.) und Sonja Hohmuth unterschreiben im Ehrenbuch Zivilcourage, das Hans Richter führt. Ute Nicklisch

Gröbzig - 115 bis 120 Namen stünden sicherlich schon drin, schätzt Hans Richter. Erfasst in etwa 75 Einträgen. Sorgsam blättert er durch das Ehrenbuch Zivilcourage. Darin aufgeführt sind Namen und Lebensdaten von Menschen, die zum Ende des Zweiten Weltkrieges KZ-Häftlingen - speziell jenen, die auf Todesmärsche mussten - geholfen haben.

Richter füllt das Buch nach und nach. Wobei der Mann aus Wernigerode selbst nicht so im Vordergrund stehen will. Das Ehrenbuch, sagt er, sei von all den Leuten, die darin unterschrieben haben, zum Beispiel als Zeitzeugen. Es sei für die Helfer gedacht „und ich bin sozusagen nur der Erfüllungsgehilfe“.

Einer, der nun wieder einige Namen hinzufügen konnte. Nämlich die der Gröbzigerin Dorothea Kretzschmar, geborene Zöge, in erster Ehe verheiratete Bork, ihres Mannes Otto Kretzschmar sowie ihrer Tochter Margarethe Emmer, geborene Bork. Sie versteckten im April 1945 einen völlig entkräfteten jungen Mann auf ihrem Heuboden, verpflegten ihn und kleideten ihn ein.

Lebensdaten und Geschichte der Gröbziger Familie sind nun im Ehrenbuch nachzulesen

Es handelte sich dabei um Jan Laboda aus Polen. Laboda war zuvor in den Konzentrationslagern Auschwitz, Sachsenhausen und Buchenwald eingesperrt gewesen. Vom Außenlager Wansleben am See aus wurde der junge Mann schließlich Anfang April 1945 wie viele andere Häftlinge auch auf einen Todesmarsch geschickt, dessen Route nahe Gröbzig entlang führte.

Laboda gelang es zu fliehen, völlig entkräftet wurde er schließlich an der Fuhne gefunden und versteckt. Laboda blieb bis 1946 in Gröbzig und lebte später in Polen. Der Mann habe „Margarethe Emmer und ihre Familie, die eine Gastwirtschaft hatten, nach 25 Jahren jedes Jahr besucht und half ihnen bei der Arbeit“, erzählt Richter. Laboda starb im Jahr 1985.

Diese Lebensdaten und die Geschichte der Gröbziger Familie, die dem Mann das Leben rettete, sind nun also im Ehrenbuch nachzulesen. Offiziell besiegelt wurde der Eintrag am Dienstagabend im Rahmen einer kleinen Feierstunde im Museum Synagoge Gröbzig, bei der die Anwesenden die recherchierten Informationen im Buch mit ihrer Unterschrift bestätigten.

Unterstütztung unter anderem durch Informationen aus Kirchgemeinden

Hans Richter ist Mitglied der Interessengemeinschaft Todesmarsch, die sich mit der Aufarbeitung dieses Kapitels der Geschichte beschäftigt. Er kann sich noch genau daran erinnern, wie ihm die Idee zum Ehrenbuch kam.

Etwa 2012 habe er von der Geschichte der Familien Jennert und Klaus aus Könnern erfahren, die gemeinsam eine Vielzahl an Häftlingen versteckt und vor dem Tode bewahrt hätten. „Und diese Leute haben von der Gesellschaft dafür nie ein Dankeschön erhalten.“ Das Ehrenbuch nun soll ein Beitrag sein, um die Geschichten nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.

Stolz zeigt Richter unter anderem ein Grußwort von Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU), das auf einer der ersten Seiten steht. Bei der Recherche, sagt er, sei „oftmals auch viel Glück dabei“. Unterstützt werde er unter anderem durch Informationen aus Kirchgemeinden. Oft kommt er auch in Kontakt mit Nachfahren der geehrten Personen - so auch dieses Mal in Gröbzig mit Karola Ebert und Sonja Hohmuth, die beide ihre Unterschriften in das Buch setzten.

Weitere Gröbziger Einträge im Ehrenbuch

Die nun aufgenommenen Namen, berichtet Hans Richter weiter, seien dabei aber längst nicht die einzigen aus der Gröbziger Region. 2016 zum Beispiel kam ein Eintrag für die Eheleute Ida und Albert Sieland hinzu, die im April 1945 in den Kellerräumen ihres Hauses, das damals noch ein Rohbau war, einen geflohenen Häftling fanden, ihn mit Essen und Kleidung versorgten.

Richter ist derweil weiter unterwegs, um neue Einträge für das Ehrenbuch vorzubereiten. Einen Tag nach der Feier in Gröbzig stehe schon ein weiterer Termin in Jessen an, erklärt er. (mz)