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Warm, weich und etwas derb Der Köthener Steffen Fischer baut seit über 20 Jahren Dudelsäcke und verkauft sie an alle Welt

Von Sylke Hermann 29.08.2021, 12:00
Steffen Fischer aus Köthen baut seit über 20 Jahren Dudelsäcke. An seiner Drechselbank stellt er die Holzteile dafür her.
Steffen Fischer aus Köthen baut seit über 20 Jahren Dudelsäcke. An seiner Drechselbank stellt er die Holzteile dafür her. (Foto: Ute Nicklisch)

Köthen/MZ - Der Versuch bestenfalls halbherzig. Steffen Fischer, wie immer, wenn er zuvor in seiner Werkstatt gewesen ist, in Latzhose, schält sich von seinem Stuhl, um nachzuschauen, ob sein Erstlingswerk vielleicht doch hier unten liegt. Versteckt. Unentdeckt. „Der dümpelt hier irgendwo herum“, versichert er, um den spontan gestarteten Suchvorgang erfolglos wieder abzubrechen. Irgendwo wird er schon sein. Auf keinen Fall habe er ihn weggeworfen. Nicht seinen ersten, selbst gebauten Dudelsack.

Seit 20 Jahren macht er das schon. Er müsste in seinen Unterlagen kramen, um genau herauszufinden, ob er sich damals am 1. August oder am 1. September selbstständig gemacht hat. „Meine Frau sagt, am 1. August.“ Und sie wird wohl recht haben, glaubt er und gesteht, dass dieses Datum für ihn keine Bedeutung habe.

Seit 1994 beschäftigt sich Steffen Fischer mit dem Dudelsackbau

„Ich habe schon ein paar Jahre vorher angefangen, welche zu bauen und auch zu verkaufen.“ Seit 1994, erinnert er sich, beschäftige er sich mit dem Dudelsackbau. Seither ist eine Menge passiert. Seither hat der 50-jährige Wahl-Köthener weit über 1.000 Instrumente verkauft.

Steffen Fischer - wer ihn nicht als Instrumentenbauer kennt, bringt ihn mit dem Köthener Stadtmaskottchen „Halli“ in Verbindung - stammt aus Magdeburg. Er beginnt in seiner Heimat seine Ausbildung zum Elektronikfacharbeiter mit Abitur, studiert in Lutherstadt Eisleben schließlich Elektrotechnik, macht 1994 sein Diplom - dann schon in Köthen. „Wir sind der letzte Ingenieurjahrgang der DDR gewesen.“ Sein Prüfungszeugnis allerdings trägt den Stempel der Berufsbildenden Schulen des Landkreises Eisleben, „da konnte man gar keinen Ingenieur machen“. Das sei einfach eine chaotische Zeit gewesen.

Wie seine Handschrift aussieht, woran man einen Dudelsack von Steffen Fischer erkennen würde, kann er nur schwer beschreiben

An der Hochschule in Köthen kommt er dann mit irischer Musik in Berührung. Und als für einen Mittelaltermarkt auf der Burg Falkenstein damals ein Dudelsack gebraucht wird, baut er einfach einen. „Natürlich ging das am Anfang gar nicht.“ Er hat sich ausprobieren wollen - und irgendwann sei er zu einem vorzeigbaren und klanglich ansprechenden Ergebnis gekommen. „Dieses Instrument hat mich einfach immer schon fasziniert.“

Wie seine Handschrift aussieht, woran man einen Dudelsack von Steffen Fischer erkennen würde, kann er nur schwer beschreiben. Die Instrumente aus Köthen hätten „einen warmen, weichen, runden Klang“ und zeichneten sich durch „ein harmonisches Zusammenspiel von Spielpfeife und Bordun“ aus. Und vom Optischen her seien seine Dudelsäcke „eher etwas derber und stabiler gebaut“, sagt er. „Leute, die sich damit auskennen, sehen, wer ihn gebaut hat.“ Zumal es hierzulande nicht so viele hauptberufliche Dudelsackbauer gibt, vielleicht ein Dutzend, schätzt er. „Wir sind eine kleine überschaubare Gruppe.“

„Als Selbstständiger muss man wahnsinnig diszipliniert sein“

Seine Kunden sind auf der ganzen Welt verstreut. Deshalb kennt er auch nicht jeden persönlich. Obwohl es manchmal nicht leicht sei, über die Distanz ein passendes Instrument für jemanden zu kreieren. Bisher ist ihm das immer gelungen. Noch nie habe ein Kunde seinen Dudelsack - oder ein anderes, von ihm gefertigtes, historisches Blasinstrument - nicht haben wollen. Er ist dankbar dafür. Dankbar für die vergangenen 20 Jahre als Instrumentenbauer. 20 Jahre, die ihm aber auch eine Menge abverlangt haben.

„Als Selbstständiger“, weiß der Vater zweier Söhne im Alter von zehn und 17 Jahren, „muss man wahnsinnig diszipliniert sein.“ Und sich seinen Tag strukturieren. Seiner beginnt in der Regel kurz vor acht, in seiner Werkstatt. Ob er dann an einem Dudelsack arbeitet oder an einem anderen Instrument, etwas skizziert, aufschreibt oder, wie jetzt schon, die Bestellungen für Weihnachten abarbeitet, „es gibt immer zu tun“.