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«Das Küken» trauert Spielstätte nach

Von Anne Passow 28.03.2008, 18:51

Köthen/MZ. - 1958 fing die gelernte Stenotypistin im Verwaltungsbereich des Köthener Stadttheaters an. "Ich war die jüngste Mitarbeiterin und wurde von allen ,das Küken' genannt", sagt sie und lacht. Dann erzählt Bauermeister, wie sie in alle Abteilungen ihrer neuen Arbeitsstätte reinschnupperte. Angefangen von der Anrechtsabteilung und der Verwaltung über die Theater- und Abendkasse bis hin zur Dramaturgie und Intendanz - sie arbeitete überall mit. So verwaltete Bauermeister beispielsweise die Personalakten, hängte Probenpläne aus, organisierte den Bustransport der Künstler oder übernahm auch mal die Auszahlung der Spesen an die Schauspieler, Tänzer und Sänger.

"Wenn Zahltag war, dann schickten sie mich manchmal sogar zur Notenbank, und ich musste mit der Aktentasche voller Geld zurück", erinnert sie sich noch heute mit einem etwas mulmigen Gefühl im Bauch. Als die damalige Sekretärin des Intendanten Karl Köther nach Berlin wechselte, übernahm Bauermeister erst einmal deren Funktion. "Ich habe quasi das ganze Theater abgewickelt", erinnert sie sich.

Sie lebte damals noch in Dohndorf. Und wenn es mit einer Aufführung mal später wurde, dann übernachtete Bauermeister auch mal im Theater. "Im Büro des Intendanten gab es eine Liege für solche Fälle", erzählt sie.

Trotz oder gerade wegen eines solchen intensiven Arbeitsalltages liebte Bauermeister ihren Job: "Die Arbeit war nie eintönig, und ich hatte immer mit Leuten zu tun." Gerne denkt sie auch an den guten Zusammenhalt unter den Kollegen zurück. "Wir sind gemeinsam durch dick und dünn gegangen."

Ein Vorteil an ihrer Tätigkeit war auch, dass Bauermeister zu jeder Premiere dabei sein konnte. Sie erinnert sich an "sehr schöne Opern- und Operettenaufführungen, wie zum Beispiel den ,Vogelhändler'". Obwohl: "Eigentlich habe ich über die Proben immer schon viel mitbekommen. Die hat man ja immer durchs ganze Haus gehört." Dabei nahm sie auch so einiges wahr, was man nachher auf der Bühne nicht mehr sah: "Die Ballett-Tänzer wurden manchmal ganz schön geschunden."

Auch als das Stadttheater 1960 schloss und das Kreiskabinett für Kulturarbeit das "Klubhaus der Werktätigen" gründete, war Ingeborg Bauermeister weiterhin mit von der Partie. "Das Klubhaus wurde dann ja von anderen Sprech- und Musiktheatern bespielt", erklärt Bauermeister, die sich vor allem an die Busse erinnert, die zu den Vorstellungen vollbeladen mit Schülern aus allen anliegenden Ortschaften kamen. Im früheren Ballettsaal des Stadttheaters hat Ingeborg Bauermeister dann übrigens 1962 ihren heutigen Mann Wolfgang geheiratet. "Es war eine schöne Hochzeit. Allen unseren Gästen hat es sehr gut gefallen", so Bauermeister.

Bald bekam das junge Paar zwei Töchter. "Weil es im ,Klubhaus der Werktätigen' keinen Kindergarten gab, musste ich 1967 dann leider zu Förderanlagen wechseln", erzählt Bauermeister ein wenig nostalgisch. Gerne wäre die junge Mutter damals bei ihrer alten Arbeitsstätte geblieben. Den Kontakt zu einigen Kollegen hielt sie jedoch auch weiterhin. Sie waren ihr ans Herz gewachsen. "Inzwischen sind aber die meisten gestorben", bedauert Bauermeister. "Aus dem damaligen Verwaltungsbereich bin ich fast eine der letzten noch lebenden Mitarbeiterinnen."

Die Schließung des Theater Köthen, ihrer ehemaligen Arbeitsstätte, sieht Ingeborg Bauermeister mit einem lachenden und einem weinenden Auge. "Als das Stadttheater Köthen 1960 schloss, gab es schon viele Tränen bei uns Mitarbeitern. Die Leute müssen das heute wohl ähnlich erleben", vermutet sie. Dem neuen Veranstaltungszentrum im Schloss mit dem Johann-Sebastian-Bach-Konzertsaal traut Bauermeister aber auch einiges zu. "Ich wünsche mir, dass es die KKM (Köthener Kultur Marketing GmbH) schafft, das neue Zentrum mit attraktiven Angeboten zu füllen, und dass die von den Leuten auch angenommen werden", betont sie.

Trotzdem, ein wenig Wehmut bleibt. "Das Theater war die schönste Zeit meines Lebens", sagt Bauermeister. "Es geht eine Ära zu Ende. Das krabbelt schon an meinem Herzen."