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Dank Studenten der Fachhochschule Erfurt  Dank Studenten der Fachhochschule Erfurt : Wertvolles Epitaph kehrt nach Köthen zurück

Von Matthias Bartl 22.03.2016, 21:40
Franziska Brauer und Torsten Stober bringen die einzelnen Teile des Epitaphs in die Kirche.
Franziska Brauer und Torsten Stober bringen die einzelnen Teile des Epitaphs in die Kirche. Heiko Rebsch

Köthen - Rohe Eier würde Torsten Stober vermutlich auch nicht vorsichtiger transportieren. Behutsam entfernt der Mitarbeiter der Fachhochschule Erfurt die Verkleidung an der hölzernen Figur des Kronos und hebt das 335 Jahre alte Schnitzwerk mit zartem Baby-Griff von der Liegefläche des Kleintransporters, in dem Kronos von Erfurt auf den Köthener Marktplatz gefahren wurde.

Kronos, griechischer Gott der Zeit, bewehrt mit Stundenglas und Hippe, ist einer der wesentlichen Teile des Knoche-Epitaphs, das jahrhundertelang in der Jakobskirche hing. Im Jahr 2002 stürzte es von der Wand wurde stark beschädigt. In mehr als 13 Jahren mühevoller Restaurierungsarbeit sind dessen Teile im Fachbereich Konservierung/Restaurierung der Fachhochschule gerettet, konserviert, ergänzt und zusammengefügt worden. Am Dienstag kehrte Kronos heim nach Köthen und mit ihm die Allegorie des Lebens, die Festons mit ihren Rosen und Ranken, die Bekrönung des Epitaphs, das Fußteil und alles, was zu diesem bedeutenden kulturhistorischen Denkmal einst dazugehörte – auch Teile, die man in Erfurt unter der Leitung der Professorin Sabine Maier trotz intensivster Detektivarbeit nicht präzise zuordnen konnte.

Studenten übernehmen Arbeit

„Das Werk ist vollbracht“, freute sich Horst Leischner, Pfarrer der Jakobskirche über die Rückkehr des Lindenholz-Epitaphs. Kunst sei zerbrechlich, die Gemeinde von St. Jakob habe dies in Gestalt des von der Wand des Südfoyers abgestürzten Epitaphs schmerzlich zu spüren bekommen. Auf abenteuerlichen Wegen sei man damals in Kontakt zu den Restauratoren in Erfurt gekommen, die das Epitaph mit einem geradezu lächerlich geringen Kostenaufwand haben wieder auferstehen lassen. Möglich war dies nur dadurch, dass die Arbeiten rund um das Grabdenkmal ausschließlich von Studenten in Projektarbeiten durchgeführt wurden.

Dietrich lauter war 2002 Pfarrer der Jakobsgemeinde und erinnert sich noch gut daran, als er im Dezember das „Leben“ zerschlagen auf dem Steinfußboden des Südportals der Jakobskirche fand. Was Lauter in diesem Moment nicht wusste: Einige Zeit zuvor, als er noch nicht in Köthen war, war bereits „Kronos“ von der Wand gefallen. Während man aber die Reste des griechischen Gottes eher beiläufig in eine Plastiktüte verpackt und auf einem Dachboden abgestellt hatte, bekam die traurige Angelegenheit mit Lauter eine Dynamik, die zur Rettung des Kunstwerks führte. „Dass ich das noch erleben kann, finde ich Klasse“, sagt Lauter, der seit einigen Jahren Pfarrer in Preußlitz (Salzlandkreis) ist.

Nachdem er Botschaft von der bevorstehenden Rückkehr des Epitaphs erhalten halte, rief er gleich den damaligen Sparkassendirektor Helmut Becker an. „Der hat sich auch sehr gefreut – immerhin waren es die von Becker zur Verfügung gestellten 5.000 Euro aus dem Verkauf des Sparkassenkalenders, die die Restaurierung erst auf den Weg gebracht haben.“ Die Gemeinde war finanziell nicht in der Lage dazu gewesen.

Kunstwerk fast verbrannt

Die Rückkehr ist übrigens aus doppelten Grunde zu feiern: Um ein Haar wäre das Epitaph 2002 gar nicht nach Erfurt gekommen. Während des Transports fingen die verpackten Reste, die durch jahrhundertelangen Holzwurmfrass zu großen Teilen nur noch aus Sägemehl bestanden, auf der Ladefläche Feuer - vermutlich durch Selbstentzündung oder weil der Fahrtwind eine aus dem Fenster geschnippte Kippe auf die Ladefläche geweht hatte. Sabine Maier erinnert sich gut daran, wie die zum Teil verkohlten Reste in Erfurt ankamen. „Das war kurz vor Weihnachten. Ich konnte in den nächsten Tagen keine Kerze sehen.“ Die restauratorische Konzession an dieses Unglück im Unglück: Das „Leben“ trägt heute noch - ganz bewusst - Brandschäden – was man fast als zusätzliche Allegorie auf die Verletzungen annehmen kann, die man im Laufe eines Lebens erhält und ertragen muss.

Ein Epitaph ist eine Grabinschrift oder im Falle des Knoche-Epitaphs ein Grabdenkmal für den verstorbenen Köthener Geheimrat Christian Ernst Knoche und seine beiden Ehefrauen.

Entstanden ist diese künstlerische Form der Erinnerung an Verstorbene im Spätmittelalter. Sie hat ihren Ursprung in aufwendig gestalteten Grabplatten oder Andachtsbildern. Epitaphe wurden an Pfeilern oder Kirchenwänden aufgestellt oder aufgehängt. Oft finden sich darin Gestaltungselemente, die sich mit der Vergänglichkeit des Irdischen, dem Christentum oder der Biografie des Toten beschäftigen.

Wo das Epitaph seinen Platz in der Jakobskirche finden wird – und wie – ist noch offen und hängt letztlich auch von den finanziellen Möglichkeiten der Gemeinde ab. Ein paar Verhaltensregeln hat Sabine Maier, die dieser Tage emeritiert wird, den Köthenern aber mit auf den Weg gegeben. „Fassen Sie es nicht an den falschen Bereichen an. Gehen Sie sorgsam damit um, einen weiteren Bruch übersteht das Epitaph nicht.“ Torsten Stober kann da durchaus als Vorbild gelten: Wie ein rohes Ei sollte man das Epitaph behandeln – und eher noch vorsichtiger. (mz)