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"Bestand arg gefährdet" "Bestand arg gefährdet": 400.000 winzige Aale auch für die Elbe bei Aken

Von Sylke Hermann 08.07.2019, 14:21
Winzige Glasaale für die Elbe: Reik Rosenkranz (vorn) und Johannes Buchheim beteiligen sich am landesweiten Besatzprogramm.
Winzige Glasaale für die Elbe: Reik Rosenkranz (vorn) und Johannes Buchheim beteiligen sich am landesweiten Besatzprogramm. Sylke Hermann

Aken - Eigentlich, sagt Reik Rosenkranz, gehört die Elbe zu den ertragreichsten Gewässern des Landes. Es gibt über 45 Fischarten. Auch Lachs, Stör oder die dem Aal ähnlich sehenden Meerneunaugen tummeln sich hier.

Jetzt wieder, betont der Berufsfischer. Doch ganz so rosig scheint die Lage dann doch nicht. Ansonsten käme Reik Rosenkranz an diesem Vormittag nicht nach Aken, um bei Naumanns Schuppen winzige Glasaale zu Hunderten in die Elbe zu setzen.

Etliche Fischer tun das in der vergangenen Woche. Und beteiligen sich damit wie der Köthener Reik Rosenkranz am Besatzprogramm des Landesfischereiverbandes Sachsen-Anhalt. Am Ende sind es rund 2,85 Tonnen Aal, jeder einzelne mit einem Gewicht von sieben Gramm etwa.

„Denn der Aal ist in seinem Bestand arg gefährdet“

„Das entspricht etwa 400.000 Stück“, rechnet Reik Rosenkranz vor. Und einer Summe von circa 120.000 Euro. Er hofft, dass diese groß angelegte Aktion hilft, eine nachhaltige Wirkung zu erzielen und die Aallaichbestände im Einzugsgebiet der Elbe wieder aufzustocken. „Denn der Aal“, weiß er, „ist in seinem Bestand arg gefährdet.“

Das liegt nicht zuletzt an der „komplizierten Brutbiologie“ des Aals, wie der Experte sagt. Die Tiere laichen in der Sargassosee im Bermuda-Dreieck, landen mit dem Golfstrom irgendwann an den europäischen Küsten. Die winzigen Glasaale steigen schließlich in die Flüsse auf, sofern ihnen das gelingt. Leider gäbe es da viel zu viele Hindernisse für die Tiere, schildert Reik Rosenkranz.

Staustufen oder Wasserkraftanlagen nennt er in dem Zusammenhang. Fischtreppen, wie es sie in der Mulde bei Dessau gibt, seien gut, lobt er. Dennoch überwiegt seine Kritik: „Es ist über Jahrzehnte nichts passiert.“ Nichts, dass dem Aal den Aufstieg erleichtern könnte.

Zu 80 Prozent fördert das Land das Besatzprogramm aus Mitteln der Fischereiabgabe

Die Rolle seiner Berufskollegen sieht der 45-Jährige eher positiv. Sie hätten schon immer Aale besetzt; nur durch die Fischer seien die Tiere überhaupt in die Laichgewässer gekommen. Reik Rosenkranz schätzt, dass mindestens 40 Prozent der Blankaale, der Tiere also, die abwandern, wieder besetzt wurden. Nur auf diese Weise, erläutert er, könne man die weitere Bewirtschaftung der Aalbestände ermöglichen und dem drohenden Fang- und Vermarktungsverbot vorbeugen. Und doch reicht dieser Einsatz offenbar noch nicht aus. Der Handlungsbedarf sei weiterhin groß, unterstreicht er.

Der Vorstoß des Landesfischereiverbandes sei deshalb aus seiner Sicht längst überfällig gewesen. Zu 80 Prozent fördert das Land das Besatzprogramm aus Mitteln der Fischereiabgabe, das heißt aus den Abgaben der Fischer und Angler. „Die restlichen 20 Prozent sind unser eigener Anteil“, informiert der Köthener, der vor vielen Jahren der Liebe wegen nach Anhalt gekommen ist und seit 2010 mit Fischverarbeitung und Fischaufzucht sein Geld verdient.

Er ist sich bewusst, dass Naturschützer sich fragen, warum die Fischer den Besatz gefördert bekommen. Man könne doch ein Fangverbot verhängen - und gut. Reik Rosenkranz verweist darauf, dass der Aal auf menschliche Hilfe angewiesen sei. Er würde als Berufsfischer und Pächter in diesem Elbabschnitt nie alle Aale abfangen.

Elbe zählt zu den Flüssen, in denen sich der Aal normalerweise heimisch fühlen könnte

Mit dem Besatzprogramm berücksichtigt der Verband sämtliche Gewässer, aus denen die geschlechtsreifen Aale nach sechs, sieben Jahren wieder ins Meer zurückwandern könnten. „Die Weibchen“, erzählt Reik Rosenkranz, „brauchen ein bisschen länger“. Etwa acht Jahre. Aber wichtig sei der Zugang zu einem fließenden Gewässer.

Die Elbe zählt zu den Flüssen, in denen sich der Aal normalerweise heimisch fühlen könnte. „Aber es gibt auch hier eine Menge Räuber. Alle fressen gerne Aal“, behauptet Reik Rosenkranz, der an diesem Morgen früh nach Halle gefahren ist, um seinen Teil des landesweiten Besatzprogrammes zu ordern. 157 Kilogramm Fisch schwimmen in dem gut belüfteten Fass auf seinem Anhänger. Rund 22.500 winzige Aale.

Nur etwa ein Prozent der Tiere wird am Ende überhaupt abwandern können

„Wachsen können sie in der Elbe alleine“, betont der Berufsfischer, der seit Anfang Mai erst die Elbe zwischen Breitenhagen und Coswig gepachtet hat. Und so klein sind die Tiere aus gutem Grund, erläutert er, weil man damit pro Kilo eine größere Stückzahl einsetzen könne.

Nur etwa ein Prozent der Tiere, schätzt er, wird am Ende überhaupt abwandern können. „Das ist in der Natur so“, sagt er, „aber das reicht auch.“ Zumal der gezielte Besatz der Flüsse mit Aalen seine Wirkung nicht verfehle. Vor 20 Jahren, erinnert er sich, hat es das erste Besatzprogramm gegeben - und dieses Engagement trägt Früchte, sieht er. (mz)

Sowohl Fischer als auch Angler stellen seit Jahren einen Rückgang bei ihren Fängen von Aalen fest. Was für die Angler lediglich Hobby ist, bedeutet für viele Fischer eine wichtige Säule ihres Broterwerbs.

Die Forschung versucht auf Grund des rasanten Einbruchs der Individuenzahlen mehr über die Lebenszyklen zu erfahren. So ist in jüngster Vergangenheit mit besenderten Blankaalen festgestellt worden, dass ein großer Teil auf dem Weg zum Laichplatz in die Sargassosee im Ärmelkanal und im Atlantik von Raubfischen gefressen wird. Weitere Verluste entstehen durch den Kormoran, der ein exzellenter Taucher ist und den Aal auch aus dem Gewässergrund herausziehen kann.

Neueste Erhebungen belegen leider, dass in der Mehrzahl der betrachteten großen Fließgewässereinzugssysteme die von der Europäischen Union geforderte Abwanderungsquote für Blankaale von 40 Prozent nicht erreicht wird. So beträgt die Abwanderungsquote zum Beispiel in der Elbe nur sieben Prozent.

Weitere Informationen finden Interessierte auf der Internetseite des Landesfischereiverbandes unter www.lfv-sa.de.

Großaktion: Glasaale werden in die Elbe gesetzt.
Großaktion: Glasaale werden in die Elbe gesetzt.
Sylke Hermann