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Besonderer Glockenschlag Besonderer Glockenschlag: Zimmermann Gerald Stegert aus Wulfen hat ein "Uhrenhaus" gebaut

Von Uwe Lehmann 02.01.2021, 11:00
Gerald Stegert an seinem „Uhrenhaus“ in Wulfen
Gerald Stegert an seinem „Uhrenhaus“ in Wulfen Uwe Lehmann

Wulfen - In der jetzigen Jahreszeit erstrahlen, wenn es dunkel wird, viele Häuser im Lichterglanz. So auch am Wulfener Thälmannplatz bei Familie Stegert. Bei ihnen wird jedoch noch ein Objekt, welches an einen Uhrenturm erinnert, mit Licht in Szene gesetzt. Gerald Stegert nennt es sein „Uhrenhaus“. Und dieses Uhrenhaus ist etwas ganz Besonderes. „Ich habe mal recherchiert. Davon gibt es in Deutschland nur drei Stück“, erzählt der 66-Jährige. Darauf ist der Zimmermann im Ruhestand mächtig stolz.

Stegert hat sich in den vergangenen Jahren intensiv um das Projekt „Uhrenhaus“ gekümmert. 2010 erwarb er das Uhrwerk. Seitdem stand es bei Stegerts in der Garage. „Meine Frau wollte, dass ich es in den Schrott bringe“, erinnert sich Stegert.

Etliche Jahre zuvor war der 66-Jährige bei der Dachstuhlsanierung der Wulfener Kirche dabei. Sein Vater überholte das dortige Uhrwerk. Und so bekam Stegert einen Einblick in die Funktionsweise einer Kirchturmuhr.

Akribische Planung für das Uhrenhaus begann schon 2017

Sein Uhrwerk ließ er dann 2016 überholen. Es kam also nicht in den Schrott. Denn bei dem Wulfener reifte die Idee, das Uhrwerk aus dem Jahr 1892 selbst zu verwenden. So machte sich der Zimmermann an die Arbeit. Es entstand ein Plan, dann entwarf er eine Zeichnung im Maßstab 1:10 und begann im Sommer 2017 mit der Umsetzung seines Projektes. Gute drei Jahre später, Ende Juli 2020, schlug die Uhr in seinem „Uhrenhaus“ das erste Mal und bestätigte damit - es ist vollbracht.

Unzählige Stunden hatte der 66-Jährige zuvor mit der Projektumsetzung verbracht. Dabei konnte er auf seine jahrelange Erfahrung als Zimmermann bauen. Er leimte zuerst alle seine Balken für das Grundgerüst sowie für den Uhrenturm aus mehreren Holzschichten zusammen.

Sowohl das Grundgerüst als auch den Turm baute er - bevor er sie am richtigen Ort montierte - auf seinem Hof auf. Man kann von einer Art „Anprobe“ sprechen. Für die Verbindungen der einzelnen Holzelemente nutzte Stegert keine Nägel und Schrauben.

Fast alle Arbeiten am Uhrenhaus verrichtete 66-jährige Gerald Stegert alleine

Verzahnungen am Ende eines jeden Balkens halten die Konstruktion. Im Grundgerüst stabilisieren Holznägel den Aufbau. „Im Turm sind die Hölzer lose und verzahnt zusammengesteckt. Das hält“, ist sich der erfahrene Zimmermann sicher. Fast alle Arbeiten verrichtete Stegert alleine. Sein zehnjähriger Enkel Jan Erik war aber des Öfteren ein Helfer an seiner Seite. Auch ein Freund fasste das eine oder andere Mal mit an. Bei der Bedachung bekam der Wulfener ebenfalls Hilfe.

Die Firma Sandner aus Dessau brachte die Stehfalzplatten aus Kupfer, bekannt als Scharen, auf dem Dach und auf dem Turm an. Das Zifferblatt wurde extern angefertigt. Da entdeckte der Enkel auch gleich einen Fehler: „Opa, das sieht alles schön aus. Aber die vier ist da falsch.“ Zur Erklärung: Auf dem Zifferblatt ist die vier mit IIII und nicht IV dargestellt. Ebenfalls extern erfolgte der Einbau der Steuerung.

Aufgezogen wird die Uhr über drei Walzen alle sechs Stunden

Das Uhrwerk wird elektronisch angesteuert, aber mechanisch ausgelöst. Aufgezogen wird die Uhr über drei Walzen alle sechs Stunden. Mit der Zeit ist Gerald Stegert auch mit dem Mechanismus sehr vertraut. „Man ist da Punkt für Punkt hinein gewachsen und muss sich halt damit beschäftigen“, sagt der 66-Jährige.

„Ich bin ein praktischer Typ. Es ist das Schlimmste, wenn man etwas nicht ausprobiert.“ Gerald Stegert hat es sich zugetraut. Und so erfreuen sich nicht nur er und seine Familie am „Uhrenhaus“. Nein, auch die Nachbarn und zahlreichen Spaziergänger sind voll des Lobes über das Meisterwerk. Dieses gibt jetzt viertelstündlich per Glockenschlag die Uhrzeit an. Aber nur von acht bis 20 Uhr. Denn in der Nacht soll Ruhe sein. (mz)

Das Uhrwerk aus dem Jahr 1892
Das Uhrwerk aus dem Jahr 1892
Uwe Lehmann