Aufführung Aufführung: Varietéspektakel «La Cour» in Köthen
köthen/MZ. - Zwar einer in Jeans und kariertem Hemd, aber doch mit Krone und Mantel, in einem gemütlichen Sessel thronend, verfolgte er mit mildem Herrscherlächeln den Abgesang einer artistisch-komödiantischen Schau, die über mehr als zwei Stunden hinweg in schöner Regelmäßigkeit Szenenapplaus einheimste. Übrigens: Nach dem 17. Zwischenbeifall hat der Rezensent seine private Strichliste nicht mehr fortgeführt.
Es war berechtigter Beifall. Denn Stefan Masur und sein Team aus fünf Frauen und zwei Männern zeigten Unterhaltung vom Feinsten, eingebettet in das alltägliche Geschehen eines barocken Hofstaates, ein fragiles Spiel zwischen Noblesse und schierer Kraft, zwischen rüschenwedelnder Eleganz und rüschenwedelnder Arroganz, zwischen Muskeln und Mimik, Maske und Musik.
Den Ausgangspunkt des bunten Treibens setzte der Oberhofzeremonienmeister (oder was auch immer) Comte Vivaldi alias Masur in fein ziseliertem Versmaß: "Der König ist fort, das Schloss ist leer, an diesem Ort amüsiert euch sehr".
Eine Aufforderung, die in buchstäblich jeder Minute ihre Erfüllung fand. Es waren vor allem die geradezu unglaublichen Kraftakte, die von den Frauen des Hofes vollbracht wurden, die das Publikum zu Beifallsstürmen hinrissen. Schon die ersten Bewegungen am Trapez sorgten für Reaktionen im Publikum, akrobatische Kunststücke am Seil, am Tuch, auf dem Gestell eines Reifrocks, auf einer Leiter , kopfüber, kopfunter, Kraftakte ganz ohne Gerät, Kraftakte mit einer Komplexität und Kompliziertheit von Bewegungsabläufen, so dass man atemlos im Saal saß - hoffend, dass das Gewirr aus Tuchschlingen und Seilknoten um Beine und Arme nicht gerade in dem Moment versagen möge, wenn sich die Artistin ohne Vorwarnung aus Schnürbodenhöhe Richtung Bühne fallen ließ - natürlich ohne Schaden zu nehmen.
Stephan Masur gab den artistischen Elementen die heitere Verbindung. Der Mann mit weißgeschminktem Gesicht und feinem Rock brachte tatsächlich das eigentlich aristokratische Element in "La Cour", auch wenn seine Profession eher der eines Hofnarren ähnelte. Aber eines Hofnarren, der mit sechs Bällen jonglieren kann, dem es gelingt, eine Jagd im Silhouettenspiel einer Laterna Magica lebendig werden zu lassen, der es schafft, aus seinem Fächer eine Konfettikanone zu machen.
Und der vor allen Dingen sein Publikum nicht nur erfreut, sondern auch beschäftigt. Das wird vor allem denjenigen gut erinnerlich sein, die in der erste Reihe Platz genommen hatten - wie "König" Westram, ein Trio, das am Ballonaufblasen scheiterte, aber vor allem Siegfried Beyer aus Gröbzig. Der Diplomingenieur wurde von "La Cour"-Masur gern als Helfer bei allerlei Bühnenarbeiten herangezogen - und Masurs leises, aber dennoch unmissverständlich aufforderndes "Monsieur" wird Beyer wohl eine Weile im Gedächtnis bleiben und auch das lockere "pour vous", "für dich", mit dem ihm Schokoladentaler als Entlohnung für die geleistete Arbeit zugeworfen wurden.
Jörg Westram als König wurde überhaupt nicht entlohnt. Was dann doch die Frage nach sich zieht, ob nicht sein eigentlicher Beruf mehr Zukunft hat: Westram arbeitet in Dessau bei der IDT Biologika als Einrichter.